2015 beschloss der Leipziger Stadtrat ein zehnjรคhriges Moratorium zum Mittleren Ring. Der ist ein Projekt aus den 1990er Jahren und einige Stadtrรคte sind bis heute รผberzeugt davon, man kรถnnte mit leistungsfรคhigen Neubautrassen den Verkehr vom Cityring umlenken. Doch schon 2015 sah die Verwaltung diesen Effekt nicht. Doch jetzt drรคngelt die Freibeuter-Fraktion.

โ€žIn der Ratsversammlung am 31. Januar 2018 wurde die Durchfรผhrung einer Verkehrsuntersuchung fรผr den Mittleren Ring Sรผdost zu dessen verkehrlicher Wirksamkeit beschlossen. Grundlage sollte die Verkehrsprognose 2030 und die รœberarbeitung der Bevรถlkerungsprognose fรผr die Stadt Leipzig sein. In diesem Zusammenhang sollte auch die verkehrliche Wirksamkeit fรผr die Entlastung der Innenstadt vom Kfz-Verkehr mit untersucht werdenโ€œ, geht die entsprechende Anfrage der Freibeuter auf die Beschlusslage ein.

Und dass der Mittlere Ring aus guten Grรผnden erst einmal in den Wartemodus kam, haben die Freibeuter durchaus zur Kenntnis genommen: โ€žIn der ersten Fortschreibung des STEP Verkehr und รถffentlicher Raum stellte man den Weiterbau des bislang geplanten Mittleren Rings zurรผck bzw. dessen Aufgabe in Aussicht.

Hintergrund war die perspektivisch leistungsfรคhige Abwicklung des motorisierten Verkehrs und die kรผnftige Priorisierung der Instandhaltung bereits vorhandener StraรŸen. Eingriffe in die รถkologisch besonders wertvollen Auenwรคlder im Sรผden des Stadtgebiets hรคtten so vermieden werden kรถnnen.โ€œ

200 Millionen Euro fรผr eine Kfz-Abkรผrzung?

Die geplanten westlichen Teilstรผcke des Mittleren Rings hรคtten mitten durch den geschรผtzten Auwald gefรผhrt โ€“ ein Projekt, das schon aus Naturschutzgrรผnden nicht umsetzbar ist. Das รถstliche Teilstรผck wiederum wรผrde durch Stรถtteritz und Sellerhausen-Stรผnz fรผhren, dabei vor allem Kleingรคrten und Quartiersstrukturen zerstรถren, ohne fรผr die dort wohnenden Menschen irgendeinen Vorteil zu bringen. Der Bรผrgerverein Sellerhausenโ€“Stรผnz hat die Nachteile in einem Beitrag 2018 mal aufgeschrieben.

Allein diese 4,4 Kilometer lange Neubaustrecke hรคtte nach den Baupreisen von 2018, als die Diskussion um den Mittleren Ring wieder aufflammte, 200 Millionen Euro gekostet.

Aber dann erzรคhlt die Freibeuter-Anfrage auch noch ein Mรคrchen, das auch Leipzigs Verwaltung mehrfach dementiert hat: โ€žIm Jahr 2022 landete Leipzig auf Platz 6 der deutschen Stรคdte mit den meisten Staus. Man stand durchschnittlich 46 Stunden im Stau. Im Vergleich zu 2019 ist dies ein Anstieg von 38 Prozent. Nicht zuletzt durch spurreduzierende MaรŸnahmen wie fahrbahnbegleitende Radstreifen sowie die Erhรถhung des Parksuchverkehrs durch ersatzloses Entfernen von Parkplรคtzen verschlechtert sich die Situation fรผr den motorisierten Verkehr in Leipzig zunehmend.โ€œ

Doch die hier gemeinte Inrix-Studie hat nichts mit irgendeinem Staugeschehen in Leipzig zu tun, wie die Stadt erst im Februar der CDU-Fraktion erklรคrt hat. Aber wenn eine irrefรผhrende Meldung erst einmal in der Welt ist, wird sie immer wieder ins Feld gefรผhrt.

Auch โ€“ um wie die Freibeuter โ€“ dann weitere luftige Schlรผsse daraus zu ziehen: โ€žDie Stรคrkung des Umweltverbunds wird wรคhrenddessen stagnieren, da sich eine Anbindung der Randgebiete Leipzigs unter anderem aufgrund der geschwรคchten Finanzierung des ร–PNV verzรถgern wird und eine erzwungene Konkurrenz zwischen motorisiertem Verkehr und schwรคcheren Verkehrsteilnehmern wie Fahrradverkehr die Nutzung alternativer Verkehrsmittel erschwert.

Folglich wird das Auto weiterhin zentraler Bestandteil der Mobilitรคt vieler Leipzigerinnen und Leipziger sein.โ€œ

Bilanzierung aller Effekte

Mit Logik hat das nichts zu tun. Denn kein Verkehrssegment wรคchst in Leipzig so stark wie der Radverkehr. Und gerade dann, wenn neue Radwege geschaffen werden sollen, entzรผndet das immer neue Empรถrung der Verteidiger der autogerechten Stadt.

Dass der Stadtrat ganz andere Ziele beschlossen hat, betont das Baudezernat in der Vorbemerkung zur Antwort fรผr die Freibeuter: โ€žIm Stadtentwicklungsplan Verkehr und รถffentlicher Raum ist festgelegt, dass vor einer endgรผltigen Entscheidung zu einer mรถglichen Neubautrasse Mittlerer Ring Sรผdost eine detaillierte Bilanzierung aller Effekte stattfinden muss und zum Stand 2015 wurde eine Trassenfreihaltung der sogenannten โ€šBahnvarianteโ€˜ fรผr 10 Jahre beschlossen.

Zudem ist ausgefรผhrt, dass bei Beibehaltung der vorhandenen Verbindung รผber Mรถlkau und Stรถtteritz, umfeldvertrรคgliche Mรถglichkeiten zur Entschรคrfung der verkehrsbedingten Probleme fรผr die Wohngebiete zu prรผfen sind.โ€œ

Das heiรŸt: Wenn hier Verkehrsprobleme gelรถst werden sollen, dann zuallererst im Interesse der Menschen, die da wirklich wohnen.

โ€žEntsprechend des Ratsbeschlusses zu VI-A-04847-VSP-01 ist vor Ablauf des 10-jรคhrigen Planungsmoratoriums fรผr den Mittleren Ring Sรผdost eine Verkehrsuntersuchung zu dessen verkehrlicher Wirksamkeit durchzufรผhrenโ€œ, hat das Baudezernat noch erklรคrt.

Was FDP-Stadtrat Sven Morlok am 19. April noch nicht genug war. Er wollte nun genauer wissen, wann diese Untersuchung genau starten soll, wenn das Moratorium nun 2025 auslรคuft. Obwohl noch zwei Jahre Zeit sind und Baubรผrgermeister Thomas Dienberg sich sicher zeigt, diese Untersuchung bis dahin fertig bekommen zu kรถnnen.

Sodass die Frage der Freibeuter, was denn jetzt schon an Ergebnissen in der Untersuchung stรผnde, um zwei Jahre zu frรผh kam. Wobei die Freibeuter-Anfrage auch deutlich machte, dass man dort nach wie vor in den alten Vorstellungen steckt, die โ€žBahntrasseโ€œ im Osten wรผrde nun ausgerechnet den Innenstadtring entlasten.

Ein Relikt

Aber der Mittlere Ring ist eindeutig ein Relikt aus Zeiten, als Leipzigs Verkehrsplaner mit einer immer stรคrkeren Ausweitung des motorisierten Verkehrs rechneten und eben nicht mit einer Stรคrkung des Umweltverbundes.

โ€žEine Verkehrsuntersuchung und entsprechende Ergebnisse liegen noch nicht vor. Es ist geplant, eine Machbarkeitsuntersuchung zur Mobilitรคt im betroffenen Bereich vor Ablauf des Moratoriums durchzufรผhrenโ€œ, teilte das Baudezernat mit.

โ€žIn diesem Zusammenhang wird auch die verkehrliche Wirksamkeit auf den Kfz-Verkehr der Innenstadt mituntersucht. Aus diesem Grund fand auch noch keine Berichterstattung statt, wobei die Verwaltung diesen Stand jederzeit insbesondere gegenรผber den Initiativen, SBB und OR kommuniziert hat.โ€œ

Das sind die Bรผrgervereine, der Stadtbezirksbeirat und der Ortschaftsrat, also die lokalen Gremien, die das Thema nun einmal angeht.

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