Zuletzt war es im August 2022 in der Ratsversammlung Thema. Da frotzelte sogar OBM Burkhard Jung ein wenig, weil zwar die Stadtratsmehrheit dem neuen Forstwirtschaftsplan zustimmte, Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek aber seine Bedenken äußerte. Denn auch der neue Forstwirtschaftsplan hatte den Hinkefuß, dass er nicht auf einer Prüfung der FFH-Verträglichkeit beruhte. Das hatte sich die Stadt Leipzig seit der Erstellung der Forsteinrichtung 2012 immer erspart. Brauchte man ja nicht.
Denn – wie es bis heute auf der Website der Stadt heißt: „Die wichtigste Aufgabe der Bewirtschaftung im Leipziger Auwald ist die nachhaltige Sicherung des Baumartenreichtums sowie der Strukturvielfalt der Hartholzaue, um dadurch die gesamte Biodiversität (Artenreichtum) zu erhalten. Die Bewirtschaftung ist darauf ausgerichtet, die Umwelt-, Erholungs- und Klimaschutzfunktion des Stadtwaldes langfristig zu sichern. Naturschutzbelange sind mit der Nutzung und Erholungsfunktion des Waldes, aber auch mit Bereitstellung des umweltfreundlichen Rohstoffes Holz in Einklang zu bringen.“
Doch genau das reichte von Anfang an nicht. Denn seit 2011 gilt die „Verordnung der Landesdirektion Leipzig zur Bestimmung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung ‚Leipziger Auensystem‘“.
Und das bedeutet eben nicht, dass „Naturschutzbelange (…) mit der Nutzung und Erholungsfunktion des Waldes, aber auch mit Bereitstellung des umweltfreundlichen Rohstoffes Holz in Einklang zu bringen“ sind. Genau das, was die Forstwirtschaftspläne seither immer wieder suggeriert haben. In einem FFH-Gebiet haben die Naturschutzziele das Primat. Alles, was die Schutzgüter im FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ beeinträchtigt, ist zwingend zu unterlassen.
Alte Forsteinrichtung ist ausgelaufen
Und da genau diese FFH-Verträglichkeit nie geprüft wurde, mussten die Forstwirtschaftspläne 2018 und 2019 außer Kraft gesetzt werden. 2020 gab es erst recht keine, auch wenn Leipzigs Umweltverwaltung den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts von 2020 anders interpretiert, als er tatsächlich gemeint war: Die Forstbewirtschaftung, wie sie bis dahin gepflegt wurde, war so nicht rechtmäßig.
Die alte Forsteinrichtung von 2012 galt für zehn Jahre und lief Ende 2022 aus. Jetzt muss eine neue erstellt werden. Und siehe da: Auf einmal sieht Leipzigs Verwaltung ein, dass man so eine Forsteinrichtung ohne eine grundlegende FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht machen kann. Eine sehr späte Einsicht.
Denn sie bedeutet auch, dass Leipzig für 2023 und 2024 praktisch keine gültige Forsteinrichtung hat und deshalb eigentlich auch keine Forstwirtschaftspläne aufstellen kann.
„Die Stadt Leipzig möchte die forstliche Bewirtschaftung des Auwalds auf seine FFH-Verträglichkeit prüfen lassen. Wie aus der Sitzung der Verwaltungsspitze hervorgeht, wird sich das Gutachten des Hellriegel-Instituts über einen Zeitraum von zwölf Monaten vom 1. April 2023 bis zum 31. März 2024 erstrecken. Über die EU-weiten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien (FFH) ist der Leipziger Auwald besonders geschützt“, meldete die Stadt am Donnerstag, dem 2. März.
„Ziel des Vorhabens ist es, einen hohen naturschutzfachlichen Standard der forstlichen Planungen sicherzustellen“, lässt sich Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal zitieren. „Der Stadtforst ist Erholungsort, Ausflugsziel und trägt zur Verbesserung der Umweltqualität bei – als Ökosystem soll er analysiert werden, um die darin lebenden Tiere und Pflanzen besser schützen und erhalten zu können.“
Abstimmen oder unterlassen?
Die beauftragte Leistung diene als Vorarbeit für die Umsetzung der neuen Forsteinrichtung des Freistaats, teilt die Stadt mit. Werde festgestellt, dass geplante Maßnahmen nicht FFH-verträglich sind, erfolge in Abstimmung mit der Stadt Leipzig und dem Freistaat Sachsen eine Überarbeitung und Anpassung der geplanten Maßnahmen, bis die FFH-Verträglichkeit hergestellt sei.
Man ahnt, wie schwer es Leipzigs Forstverwaltung fällt, von der alte Praxis zu lassen. Denn eigentlich muss es heißen: Forstliche Maßnahme erfolgen nur dann, wenn sie in den FFH-Schutzstatus nicht eingreifen.
Dass die Prüfung jetzt dran ist, hat auch damit zu tun, dass der seit 2011 gültige FFH-Managementplan für das „Leipziger Auensystem“ und das SPA-Gebiet „Leipziger Auwald“ derzeit überarbeitet wird. Die Analyse soll 46.000 Euro kosten. Als Arbeitsgrundlage dienen Kartierungen der besonders geschützten Arten.
Parallel arbeitet die Stadt ja auch noch am vom Stadtrat 2020 beauftragten Auenentwicklungskonzept, in dem es um die mittelfristige Wiederherstellung eines funktionierenden Auensystems geht, so dass die geschützten Bereiche im FFH-Gebiet überhaupt erst einmal wieder natürliche Anschlüsse ans Wassersystem bekommen und ihre Artenvielfalt wieder in einem natürlichen Öko-System ausbilden können.
Es gibt 2 Kommentare
Dass das Hellriegel-Instititut als “Gutachterinstitution” gebunden werden soll, überrascht nicht. Es hat ja bekanntermaßen bereits versucht, im Rahmen des Klageverfahrens (welches die Grüne Liga Sachen vor dem OVG Bautzen gewonnen hat) zum Leipziger Auwald für den Forstwirtschaftsplan 2018/2019 sowie die letzte Forsteinrichtung die Beeinträchtigungen in das FFH-Gebiet zu ignorieren und die Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Und dies mit einer miserablen Qualität jenseits aller fachlichen Standards, die selbst für ein klassisches Gefälligkeitsgutachten geradezu abenteuerlich ist. Und ich kenne mich aus in dieser Materie. Dies wird Hand in Hand gehen mit der Überarbeitung des FFH-Managementplans für das Leipziger Auensystem, welches von Stadtforsten und Sachsenforst – nicht vom Naturschutz!!! – initiiert wurde und von dort dann auch dominiert werden wird. Im SMEKUL ist die Forst dem Naturschutz machtpolitisch haushoch überlegen, das ist hinlänglich bekannt. Das Amt für Umweltschutz und die gesamte Stadtverwaltung sind Handlanger der Fortverwaltungen, das ist auch bekannt. Es wird interessant werden, großer Widerstand wird auf alle Fälle kommen!!!
Weshalb die Prüfung der Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele des FFH-Gebietes, welche mit der Umsetzung des FWP offensichtlich verbunden sind, durch die Stadt Leipzig ausgesessen wird, ist offensichtlich. Riesige Femellöcher und die Rodung und Beeinträchtigung des autochthonen Altholzbestandes sind einfach nicht wegzuprüfen. In FFH-Gebieten sind diese Schutz- und Erhaltungsziele prioritär und eben nicht Nutzung und Erholungsfunktion. Selbst die Verkehrssicherungspflicht könnte durch Sperren oder Rückbau von Waldwegen, natürlich nicht Straßen, eingeschränkt werden sofern prioritäre Lebensräume sonst negativ betroffen werden. Soweit muss man nicht unbedingt gehen, aber 90 % Prozent der Strecke sind auch von der Stadt Leipzig, die ansonsten ja einen großen Mund beim woken Umweltschutz aufreißt, zurückzulegen.