So richtig naturverträglich sind die neuen Brücken im Verlauf der Gustav-Esche-Straße nicht geplant. Auch für die Behelfsbrücke für die Brücke über die Neue Luppe müssen dutzende Starkbäume im Auengebiet weichen. Nachdem sie eine Fachaufsichtsbeschwerde eingereicht hat, wendet sich die Initiative Stadtnatur jetzt direkt an die Leipziger Stadträt/-innen mit dem Wunsch, die Verwaltungsvorlage für den Brückenneubau in der Ratssitzung am 15. März abzulehnen.
In der Rundmail an die Stadträt/-innen der Leipziger Ratsversammlung informiert die Initiative Stadtnatur über die Hintergründe der Brückenerneuerung, die Priorisierung des Individualverkehrs durch Behelfsbrückenbau durch den Auwald und die erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes „Leipziger Auensystem“, die dabei entstehen.
Das Anschreiben der Initiative Stadtnatur an die Leipziger Stadträt/-innen:
Betreff: Ersatzneubau Gustav-Esche-Brücke I BW II/06 über die Neue Luppe – Verstöße gegen FFH-Recht und nachhaltige Mobilität
Sehr geehrte Stadträt/-innen,
wir möchten Sie hiermit über die Hintergründe des Vorhabens Brückenerneuerung der Brücke I an der Gustav-Esche-Straße (über die Neue Luppe) informieren, für das ein Finanzierungsbeschluss zur nächsten Ratsversammlung am 15.3. ausliegt.
Das Vorhaben ist eins von drei Brückenerneuerungen an der Gustav-Esche-Straße. Die erste Brückenerneuerung (Brücke II) über einen Nebenarm der Nahle wurde bereits genehmigt.
Durch bauzeitliche Ersatzbrücken wird im Zuge dieser Erneuerungen großflächig in den Auwald eingegriffen, der hier sowohl als FFH-Gebiet als auch Landschaftsschutzgebiet geschützt ist
Betroffen ist der geschützte Lebensraumtyp feuchte Eichen-Hainbuchenwälder.
Die Eingriffe in den Auwald lösen sowohl beim ersten Brückenbauwerk als auch beim jetzt gegenständlichen Brückenbauwerk erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgebietes aus. Der Eingriffsumfang überschreitet die Erheblichkeitsschwelle gemäß Bewertungsstandard (Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP des Bundesamtes für Naturschutz).
Damit ist für beide Vorhaben ein Ausnahmeverfahren erforderlich, das eine Reihe von Ausnahmevoraussetzungen erfordert, u. a. eine Alternativenprüfung und das überwiegende öffentliche Interesse.
Das Gutachterbüro hat die Inanspruchnahme des 150-jährigen Waldes (d. h. die Fällung) als lediglich „vorübergehend und daher nicht erheblich“ bezeichnet. Der feuchte Eichen-Hainbuchenwald, der hier bis zu 150 Jahre alt ist, gilt aber als nicht wieder regenerierbar. Die Untere Naturschutzbehörde ist jedoch aus Unkenntnis oder vorauseilendem Gehorsam dem Gutachterbüro und seiner Einschätzung gefolgt.
Hinzu kommt auch noch ein absehbarer Verstoß gegen das Artenschutzrecht durch eine Maßnahme in der FFH-Verträglichkeitsprüfung, die mit artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen durch die komplette Rodung eines strukturreichen Eschenahorn-Bestandes verbunden ist (Foto siehe Anhang).
Darüber hinaus ist noch die Fällung weiterer 51 Bäume außerhalb des Waldes vorgesehen.
Wir haben für die beiden Vorhaben (Brücke II und Brücke I) eine fachaufsichtliche Überprüfung des Verwaltungshandelns der Unteren Naturschutzbehörde bei der Landesdirektion beantragt, die zur Zeit in der Landesdirektion bearbeitet wird.
Die Fachaufsichtsbeschwerde zur Gustav-Esche-Brücke II.
Die Ergänzung zur Fachaufsichtsbeschwerde aus dem Februar.
Es geht hier jedoch nicht nur um erhebliche Eingriffe in das FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“, sondern auch um eine völlig verfehlte Verkehrspolitik, nämlich die Priorisierung des Individualverkehrs. Die Behelfsbrücke wird mit der Notwendigkeit eines fließenden Straßenverkehrs begründet. Die Umgehung würde gemäß Routenplaner zusätzliche 15 Minuten in Anspruch nehmen. Es existiert ein schienengebundener ÖPNV, der diese Straßensperrung überbrücken kann.
Die Behelfsbrücke mit erheblichen Beeinträchtigungen des Auwaldes ist ein völlig falsches Signal, es ist ein weiterer Baustein in einer Verkehrspolitik, die eine zusätzliche Verkehrsbelastung durch Individualverkehr fördert. Völlig verfehlt ist daher die Beurteilung des Bauvorhabens als Beitrag zur nachhaltigen Mobilität unter „Leipzig wächst nachhaltig“! Ein klarer Widerspruch zum INSEK 2030, das sich die Stärkung des Umweltverbundes zum dringenden Ziel gesetzt hat. Das ist ungeheuer ärgerlich und ein Schlag ins Gesicht der Bevölkerung, die sich und ihre Ansprüche an eine lebenswerte Stadt nicht mehr durch Stadtverwaltung und Stadtparlament vertreten sieht.
Die Maßnahme betrifft das grüne Herzstück Leipzigs, das Aushängeschild – unseren Auwald – in einer immer kahler und grauer werdenden Stadt. Der Auwald selbst leidet erheblich unter anhaltenden Dürren der letzten Jahre und einer zu intensiven forstlichen Nutzung in den letzten Jahrzehnten – diese Maßnahme führt zu einer weiteren Verschlechterung des Zustands! Die Themen Waldmehrung, Klimanotstandsbeschluss und letztlich das oberste Gebot der Vermeidung von Eingriffen nach BNatSchG finden sich nirgends berücksichtigt.
Obwohl im Rahmen der Verbandsbeteiligung auf die umfassenden Mängel der Planung insbesondere zur FFH-Verträglichkeitsprüfung und die fehlende Rechtfertigungsgrundlage für den Bau einer Behelfsbrücke hingewiesen wurde, wurden die Ausführungen der Verbände vollständig ignoriert. Wo ist die Abwägung zur Verbandsbeteiligung? Wie konnte den geplanten erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes und der artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen abgeholfen werden?
Wir möchten Sie hiermit auffordern, dieser Finanzierung einer rückwärtsgewandten Verkehrspolitik und einer vorsätzlichen Durchführung eines Umweltschadens gemäß § 19 Bundesnaturschutzgesetz durch ihr Nein bei der nächsten Ratsversammlung eine Absage zu erteilen!
Für nähere Informationen und Rückfragen können Sie sich gern an uns wenden. Wir senden Ihnen hiermit außerdem unsere Anträge auf fachaufsichtliche Prüfung des Verwaltungshandelns für beide Bauvorhaben noch einmal im Anhang zu.
Herzliche Grüße,
Initiative Stadtnatur
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Handelt es sich nun um einen strukturreichen Eschenahornbestand oder Eschen- und Ahornbestand? Nur der letztere gehört in den Auwald, der erstere müsste sowieso weg. Sofern eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebietes festgestellt wird, würde in dem Baurechtsverfahren geprüft werden müssen ob ein öffentliches Interesse an dem Vorhaben der Umfahrung gibt (was hier zu bejahen ist) und es keine verhältnismäßige Alternativen (Umleitungsstrecke) gäbe. Letztendlich ist das Freischlagen des Eschen- und Ahornbestandes kleinflächiger als die laut Forstwirtschaftsplan sowieso immer schon im Auwald viel größer dimensionierten Femellöcher. Sofern wir hier aber einen Eschenahornbestand haben und dieser in einen standortheimischen Laubbaumbestand umgewandelt wird, so kann sich der Naturschutz nur für die Maßnahme im nachhinein bedanken. Es geht nicht um eine neue Straßenverbindung sondern um der Erneuerung einer maroden Brücke also um den Erhalt einer vorhandenen Wegebeziehung. Mit Verkehrspolitik hat das nur insoweit zu tun, dass hier niemand bei der Erneuerung einer Brücke prüfen muss , die Gustav-Esche-Straße für den Autoverkehr ganz zu sperren.