Der auch in der Leipziger Ratsversammlung geäußerte Ärger der Ratsfraktionen über die geduldeten Parkverstöße und die Arbeit des Ordnungsamtes hat Wirkung gezeigt. Spätestens, als die unausgesprochenen Duldungen in fast alle Teilen des Stadtgebietes Thema wurden. Das scheint verwaltungsintern einige Folgen gehabt zu haben. Denn wenn das Ordnungsamt tatsächlich beginnt, Falschparken zu sanktionieren, ändert sich erstaunlich schnell etwas. Beispiel Schlegelstraße in der Südvorstadt.
Auch hier fielen die Autobesitzer/-innen erst einmal aus allen Wolken, als das Ordnungsamt hier Anfang Januar auftauchte und begann, erst einmal Höflichkeitszettel zu verteilen. Denn dort ist man sich sehr wohl bewusst, wie sehr die Bewohner solcher Straßen verinnerlicht haben, dass man hier auch halb auf dem Gehweg parken darf. Denn selbst der Blick auf Google Street View zeigt, dass das seit über 15 Jahren üblich war.
Das Ordnungsamt reagiert jetzt auf Anzeigen
Und natürlich wird das so weidlich genutzt, dass deutlich mehr Autos in der gerade einmal 200 Meter langen Straße standen, als hier unter regulären Bedingungen eigentlich stehen dürfen.
Und das alles, nachdem die rührige Mannschaft der Aktivisten, die Parkverstöße dieser Art seit geraumer Zeit systematisch beim Ordnungsamt anzeigen, zu Weihnachten überhaupt erst einmal Fotos zum Sachverhalt an das Ordungsamt geschickt hatte. Es ist noch gar nicht so lange her, da bekamen die Aktivisten darauf sehr ausweichende Antworten.
Aber das hat sich geändert.
Denn mittlerweile nimmt das Leipziger Ordnungsamt diese Anzeigen ernst und reagiert.
Was dann aus der Schlegelstraße direkt eine Einwohneranfrage provozierte, denn dass hier das Parken auf dem Gehweg nicht mehr geduldet wurde, verstörte dann doch all jene, die sich dran gewöhnt hatten.
Die Einwohneranfrage
„Ich wohne seit fast 10 Jahren hier und bis zu diesem Jahr war es kein Problem, dass die Autos auf beiden Seiten der Straße hälftig auf dem Gehweg geparkt wurden“, schrieb Tina Schiemanck in ihrer Einwohneranfrage, auf die nun das Verkehrs- und Tiefbauamt geantwortet hat.
„Die Gehwege sind ca. 3 m breit und es ist ausreichend Platz, um mit Kinderwagen oder Fahrrad an den parkenden Autos entlangzugehen. Trotzdem war die Parksituation hier schon immer angespannt, da es auch in den umliegenden Straßen nicht genug Parkplätze für die Anwohner gibt.“
Dass hier augenscheinlich auch viele Leute ihr Auto abstellten, die hier gar nicht wohnen, war ja nicht so ersichtlich. Wenn viele Autos vorm Haus geparkt sind, nimmt man ja für gewöhnlich an, dass das alles Autos von Anwohnern sind.
Und dann das Erschrecken: „Seit diesem Jahr ist die Situation nun völlig eskaliert, weil wir durch das Ordnungsamt aufgefordert wurden, die Autos ganz auf der Straße zu parken, das Parken mit einer Autohälfte auf dem Gehweg ist nun verboten. Da die Straße sehr eng ist, geht das nur auf einer Seite, die andere Straßenseite kann nicht beparkt werden. Damit fällt also die Hälfte aller Parkplätze in der Straße weg, das sind geschätzt 30 Autos, die plötzlich keinen Parkplatz mehr haben“, schreibt Tina Schiemanck.
„Ich fahre nun jeden Tag ca. 20-30 Minuten im Viertel umher, um einen Parkplatz zu finden, trage meine Einkäufe kilometerweit und musste auch schon abends sehr abgelegen parken, fühle mich als Frau da nicht sicher. Zudem ist die Parkordnung nicht durch Beschilderung geregelt, sodass die Autos teilweise rechts und dann plötzlich links parken, es ist ein Riesen-Durcheinander.
Ich bitte Sie, hier eine Beschilderung zu schaffen, die bestenfalls das Parken auf dem Gehweg erlaubt oder sichere Parkalternativen zu schaffen. Auch die Umwelt wird es danken, wenn nicht mehr 30 Autos mehr durchs Viertel kreisen. Auch die Stimmung unter den Anwohnern ist gereizt. Was sich bei dieser Maßnahme gedacht wurde, ist mir wirklich schleierhaft. Ich warte gespannt auf Ihre Antwort und Lösungsvorschläge.“
Die Antwort aus dem VTA
Die Antwort gab es jetzt aus dem Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA), das ja als Straßenverkehrsbehörde dafür zuständig ist, die Parkordnung in den Straßen auszuschildern oder auch abzumarkieren.
Die Antwort des VTA zur Schlegelstraße.
„Die Stadt Leipzig verfolgt das Ziel, den Fußverkehr zu fördern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Dazu gehört, dass Gehwege prinzipiell frei von ruhendem Verkehr bleiben sollen. Die Stadt kann den gerade in den Gründerzeitquartieren und älteren Siedlungsbereichen sehr begrenzten öffentlichen Raum nicht erweitern, er muss vielfältige Aufgaben und Bedürfnisse erfüllen. Die Möglichkeit, im öffentlichen Raum private Kraftfahrzeuge abstellen zu können, ist vom Gesetzgeber in der StVO geregelt und begrenzt worden“, schreibt das VTA.
Und betont dann ausdrücklich: „Das Halten und Parken ist in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) eindeutig geregelt. Gehwege sind ihrer Zweckbestimmung nach den Fußgängern zur Fortbewegung und dem Aufenthalt vorbehalten und müssen auch von radfahrenden Kindern benutzt werden. Fahrzeugführer, die ihre Pkw auf Gehwegen parken, nutzen diese unzulässig. Gemäß § 12 Abs. 4 StVO müssen Fahrzeuge am rechten Fahrbahnrand parken.
Ausnahmen bestehen nur dort, wo dies durch entsprechende Beschilderung ausdrücklich zugelassen wird. Das ist in der Schlegelstraße nicht der Fall und auch nicht vorgesehen. Insofern sind keine Parkplätze in der Schlegelstraße weggefallen, es erfolgt lediglich eine Durchsetzung der Regeln der StVO. Unabhängig davon ist die Oberflächenbefestigung der Gehwege nicht für eine ständige Befahrung mit Kfz geeignet; sie verursacht Schäden und Kosten.“
Ein bislang geduldeter Zustand wird ergo auch nicht rechtmäßig. Auch nicht in einer schmalen Straße, die für derart viele parkende Autos nicht ausgelegt ist.
„In § 12 der StVO ist zudem geregelt, dass das Halten und Parken an engen und unübersichtlichen Straßenstellen, auch ohne dass dies ein Verkehrszeichen untersagt, unzulässig ist“, betont das VTA. „Es muss eine Durchfahrbreite von 3,05 m für den fließenden Verkehr verbleiben, damit auch Lkw und Feuerwehr eine Straße passieren können. Da die Fahrbahnbreite der Schlegelstraße nur ca. 5 m beträgt, kann zur Gewährleistung der Durchfahrtsbreite in diesem Bereich lediglich einseitig geparkt werden. Zur Klarstellung der Parkordnung beabsichtigt die Verwaltung, in der Schlegelstraße demnächst einen Parkstreifen anzuordnen, und so dem beklagten Durcheinander zu begegnen.“
Autos gehören nicht auf Gehwege
Das Ziel müsse nämlich ein anderes sein, betont das VTA: „Die Stadt hat sich mit der vom Stadtrat beschlossenen Mobilitätsstrategie 2030 zum Ziel gesetzt, attraktive Alternativen zum motorisierten Individualverkehr zu schaffen. Dazu sollen die Qualitäten des Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehrs sowie des Carsharings so attraktiv zu gestalten, dass es vielen Haushalten möglich ist, auf ein privates Auto zu verzichten – und dies tut bereits mehr als ein Drittel der Leipziger Haushalte. Damit soll auch erreicht werden, dass Platz für diejenigen bleibt, die aus unterschiedlichen Gründen eben doch auf ein Pkw angewiesen sind.“
Und auch die Gruppe der Akteure, die sich nun seit Jahren darum bemühen, dass Leipzig zu einer regulären Parkordnung zurückkommt, hat die Veränderungen in der Schlegelstraße ausgewertet.
Das Ergebnis: „Hier zeigt sich nun übrigens auch sehr schön, dass sich auch ohne zusätzliche Verkehrszeichen eine Parkordnung eingestellt hat, die möglichst wenige behindert. Geparkt wird nun – bis auf ein paar wenige Gehwegparker – ausschließlich auf einer Straßenseite. Damit wäre dann auch die Einschätzung des Ordnungsamtes und der Landesdirektion widerlegt, dass zwingend Regelungen getroffen werden müssten, bevor man Knöllchen verteilen kann. Es stellt sich jetzt allerdings noch die Frage, wo denn die anderen 25 – 30 Pkw abgeblieben sind, die bisher die Westseite der Schlegelstraße zugeparkt haben.
Da es am gestrigen Samstag noch mal Höflichkeitszettel und keine Knöllchen gab, sind diese mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht umgesetzt/abgeschleppt worden. In den Nebenstraßen ist kein erhöhtes Parkaufkommen feststellbar gewesen. Hier zeigt sich also auch, was man bereits in der Krochsiedlung, in der Brockhausstraße etc. pp. gesehen hat: Es gibt genug reguläre Parkmöglichkeiten. Man muss die PKW-Nutzer/-innen allerdings auch dazu bringen, dass sie diese nutzen und nicht regelwidrig vor der Haustür auf dem Gehweg parken.“
Es gibt 13 Kommentare
Dem User “C.” sei – mit wenig Übertreibung – das https://de.wikipedia.org/wiki/Problem_des_Handlungsreisenden mit seinen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten ans Herz gelegt. Denn neben Wohn- und Arbeitsort wollen wir hoffen, daß die Majorität noch weitere Orte frequentiert: Künste und Musen, Sport und Spiel, Gesund- und Krankheit, Liebe und Leid, Freund und Feind, und einiges mehr. Und da man für alles zusammen – hoffentlich – eine schöne Kostenfunktion aufstellen kann, steht einer zielgerichteten Optimierung eigentlich nichts mehr im Wege.
@Christoph
Die Wahl des Wohn- und Arbeitsortes ist ja langfristig eine Entscheidung, die ich aufgrund meiner persönlichen Prioritäten treffe. Wenn ich mich also dafür entscheide, mich vom Auto abhängig zu machen, kann ich nicht gleichzeitig erwarten, in der dicht besiedelten Stadt einen kostenlosen Parkplatz im öffentlichen Raum zu beanspruchen.
Ich finde es schon sehr bedenklich, dass bei solchen Kommentaren:
„Mit dem Rad in die Innenstadt: 10 Minuten. Zu Fuß zur Bushaltestelle: 3 Minuten Zu Fuß zur Bahnhaltestelle: 7 Minuten. Zu Fuß zum Konsum/Aldi: 7-8 Minuten. Wozu brauchen die Leute dort ein Auto?“
offensichtlich davon ausgegangen wird, dass der Bewegungsradius eines jeden Leipzigers derart beschränkt ist. Natürlich würde auch ich nicht auf die absurde Idee kommen, von der Schlegelstraße in die Innenstadt mit dem Auto zu fahren. Allerdings gibt es auch reichlich Leipziger, deren Arbeitsplatz nicht in der Reichweite der LVB liegt. Mit einem stark lückenhaften S-Bahnnetz, über dessen Erweiterung und Finanzierung Jahr für Jahr nur gestritten wird und einer Taktung, die keiner S-Bahn gerecht wird, lässt sich kaum auf ein Auto verzichten, wenn man beruflich nach Brandis, Merseburg oder Grimma muss. Das Durchsetzen von Verboten oder bestehenden Regelungen, welche den Besitz des eigenen Autos unattraktiv machen, sind jedenfalls keine Optionen um zielgerichtet eine Verkehrswende herbeizuführen. Stattdessen sollte es um die Schaffung von Alternativen und nicht um das Durchsetzen von Verboten gehen. Natürlich ist das Beschränken von Parkmöglichkeiten deutlich preiswerter als der dringend nötige Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Gerade wenn man die Anbindung des Umlandes betrachtet. Dann helfen aber auch keine gut gemeinten Ratschläge, dass die nächste Bushaltestelle nur 3 Minuten entfernt ist.
Für 8 Minuten zum Aldi braucht man das Auto vielleicht nicht, aber für einen Arbeitsweg von 40km mit schlechter Nahverkehrsanbindung und dann vielleicht noch ein Hobby auf dem Dorf, dafür schon. Es gibt auch Leute, die keinen 9 to 5 Job haben und zu Nachtzeiten zuhause ankommen. Da ist ein Parkplatz in der Nähe der Wohnung schon toll. Kann man sich im Homeoffice wahrscheinlich schlecht vorstellen. Ich wäre auch mit einem Ausbau des Nahverkehrnetzes zufrieden, da gehts ja aber auch nicht voran.
Wenn der Gehweg wirklich 3 m breit ist, und auch die Anwohnerin als Frau die Situation so einschätzt, dass Kinderwagen dort bequem vorbei kommen, ist das gern bemühte Argument “schwächere, schützenswerte Verkehrsteilnehmer” ein bisschen tränendrüßig. Anscheinend kommt dort jeder voran.
Da finde ich die Argumente der Stadt schon besser, zum Beispiel das die Tragfähigkeit des Fußwegs nicht für das regelmäßige Befahren ausgelegt ist. Man sieht auf der Schlegelstraße sicher auch ganz gut, was das viele Abstellen in den letzten 10 (?) Jahren mit dem Belag gemacht hat. Ist doch gut, dass nun eine Regelung/Markierung getroffen wird.
“Wer Verkehrsvorschriften nicht beachtet, ist auf Vorladung der Straßenverkehrsbehörde oder der von ihr beauftragten Beamten verpflichtet, an einem Unterricht über das Verhalten im Straßenverkehr teilzunehmen.” §48, StVO.
Ich bin hocherfeut, dass das Thema zunehmend von der Stadt ernst genommen wird. Und danke allen Mitbürgern, welche sich dem Thema annehmen und darauf drängen, dass das Ordnungsamt seine Arbeit vernünftig macht. Aus der Einwohneranfrage wird ersichtlich, das einigen Autofahrern ihr Recht auf Parkplatz vor der Haustür wichtiger ist, als die Interessen anderer (v.a. schwächerer Verkehrsteilnehmer). Deshalb muss hier mit Verboten gearbeitet werden, da Einsicht oder eigenes Engagenment bei der Schaffung von Parkplätzen durch die Autofahrer eher weniger zu erwarten ist. Die Erwartungshaltung, dass die Stadt für Parkplätze zu sorgen hat, hat sich stark manifestiert und ist weitverbreitet.
@fra
> Mit den ganzen Wochenendeinkauf.
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Dafür braucht man kein eigenes Auto.
@C.
“Mit dem Rad in die Innenstadt: 10 Minuten.
Zu Fuß zur Bushaltestelle: 3 Minuten
Zu Fuß zur Bahnhaltestelle: 7 Minuten.
Zu Fuß zum Konsum/Aldi: 7-8 Minuten.”
Mit den ganzen Wochenendeinkauf.
@Steffen
“da sowohl auf dem Rennbahnweg als auch der Karl-Tauchnitz-Straße so gut wie immer dutzende bis hunderte Parkplätze frei sind”
Das dürfte etwas übertrieben sein, die Karl-Tauchnitz-Straße ist von der Wundtstraße bis zum Rennbahnweg Parkverbot und ab Rennbahnweg bis Herzliya-Platz rund 600m lang und auch zu mindestens ein Viertel Parkverbot. Den Rest kann jeder selber ausrechnen.
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Ansonsten muss halt abgeschleppt werden, bis die die sich es nicht mehr leisten können das Auto aufgeben.
@Uwe
Mit dem Rad in die Innenstadt: 10 Minuten.
Zu Fuß zur Bushaltestelle: 3 Minuten
Zu Fuß zur Bahnhaltestelle: 7 Minuten.
Zu Fuß zum Konsum/Aldi: 7-8 Minuten.
Wozu brauchen die Leute dort ein Auto?
Gerade für die Schlegelstraße ist die Parksituation doch noch sehr entspannt, da sowohl auf dem Rennbahnweg als auch der Karl-Tauchnitz-Straße so gut wie immer dutzende bis hunderte Parkplätze frei sind. Das sind weder zwanzig Minuten noch mehrere Kilometer Fußweg. Und wer es bequemer haben möchte und innerhalb eines Jahrzehntes keinen privaten Stellplatz organisieren kann, hat dann einfach Pech.
“Trotzdem war die Parksituation hier schon immer angespannt, da es auch in den umliegenden Straßen nicht genug Parkplätze für die Anwohner gibt.”
Falsch. Es gibt einfach zu viele Autos in dieser Gegend.