Der Tag beginnt für die ersten Beschäftigten der Leipziger Verkehrsbetriebe bereits heute um 3 Uhr, als sie sich an ihren Streikposten einfinden. Streik, das bedeutet nicht zu Hause zu bleiben und im Warmen auf die Lohnerhöhung zu warten. Den ganzen Tag treten heute Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, aufgerufen durch die Gewerkschaft ver.di, in den Probeausstand und werden sich unter anderem ab 9 Uhr auf dem Leuschner- und Augustusplatz einfinden. Dass schon der „Warnstreik“ es bereits in sich hat, merken am heutigen 17. Februar 2023 nicht nur ÖPNV-Nutzer/-innen. Die LZ wird den Tag über hier berichten.
Sebastian Viecenz, Bezirksgeschäftsführer von ver.di Leipzig – Nordsachsen hatte es am 15. Februar gegenüber LZ deutlich angekündigt und recht behalten, als er sagte, er „gehe fest davon aus, dass sich nichts bewegen wird“. Die Resonanz auf den Streikaufruf sei im Vorfeld groß gewesen, er rechne für heute mit mindestens 1.500 Streikenden aus dem öffentlichen Dienst, „wenn nicht gar mehr.“
Darunter auch die beiden schlagkräftigsten Gruppen: die Beschäftigten der Leipziger Kitas und Horte und vor allem die LVB-Mitarbeiter/-innen. Vor allem an ihnen „hängt“ die Frage, ob die Tarifforderungen, verkürzt 500 Euro mehr im Monat oder 10,5 Prozent Lohnzuwachs, annähernd erreicht werden.
Dass es dabei auch um Respekt und mehr geht, hat eine engagierte Leipziger Straßenbahnfahrerin hier unserem Kollegen Lucas Böhme erzählt.
Während sich das Problem für viele Leipziger Familien am heutigen Freitag darin darstellt, dass die Kleinsten zu Hause betreut werden müssen, geht im Öffentlichen Nahverkehr der Stadt schon seit 3 Uhr gar nichts mehr. Noch gegen 4 Uhr hatte die LVB Straßenbahnlinien auf den Info-Tafeln der Haltestellen angezeigt, dann wurde es schwarz. Seither informiert die LVB nur noch, dass Streik ist.
Gut vorinformiert waren die Leipziger auf den Ausfall ihrer „Bimmel“ und Busse zumindest, nur ein paar wenige verirrten sich heute Morgen ernsthaft an die Haltestellen der Stadt.
Ebenfalls im Streik sind öffentliche Angestellte in der ganzen Stadt, darunter in den Bibliotheken, Kitas und Horte, der städtischen Behindertenhilfe, der Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, der Sparkasse Leipzig, der hiesigen Agentur für Arbeit, der Stadtreinigung und der Leipziger Stasiunterlagenbehörde. Hier die vollständige Liste.
Worum es den Mitarbeiter/-innen geht, kann man auch selbst in Erfahrung bringen. Streikposten mit Ansprechpartnern finden Interessierte immer an den LVB-„Bahnhöfen“ an der Angerbrücke, in Paunsdorf, in Lindenau und natürlich vor der LVB-Zentrale sowie auf dem Leuschnerplatz.
Die LZ ist ab jetzt an vielen Stellen vor Ort und informiert über den Verlauf des Tages, die Kundgebungen und Streikposten sowie die ver.di-Demonstration, welche heute vom Leuschnerplatz aus starten wird. Mit Janine Wissler (Vorsitzende Die Linke) und weiteren Politiker/-innen hat sich dazu bereits Prominenz angekündigt.
Ganz gleich, wie der Tag verlaufen wird, eines steht jetzt, kurz nach 7:30 Uhr bereits fest: das Fahrrad ist heute eine absolut spannende Alternative. Die Leipziger Straßen sind frei vom typischen Bahngeräusch der Bimmel, die Gleise sind leer. Ein Anblick, der sich auch an die kommunalen Arbeitgeber und das Land Sachsen als Sachwalter größerer Budgets für Löhne und Gehälter richtet.
Zu weiteren Hintergründen des Streiks.
8:30 Uhr: Der Leuschnerplatz füllt sich
Wer die Straßenbahnfahrer/-innen, Erzieher/-innen und viele mehr statt in einer Schule, Kita oder im Fahrerhäuschen einer Straßenbahn oder am Lenker eines Busses antreffen möchte, findet die meisten von ihnen wohl heute auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz.
Über 1.500 Demoteilnehmer/-innen sollen es heute werden, die LZ hat sich kurz nach 8 Uhr mit den ersten unterhalten (siehe Video). Neben den bislang bekannten Streikposten hat sich nun auch einer in Leipizg-Dölitz gebildet, hier versammeln sich gerade ebenfalls Angestellte der LVB zum Ausstand. Um 9 Uhr soll die große Kundgebung am Leuschnerplatz starten, anschließend geht es von hier mit einer Demonstration in der Leipziger Innenstadt weiter.
Im Video haben wir die ersten Streikenden nach ihren Motivationen gefragt. Darunter Uschi Kruse, die Vorsitzende der GEW Sachsen, Erzieher Walter und ein Mitarbeiter der Sparkasse Leipzig.
9:15 Uhr: Die Kundgebung ist gestartet
Punkt 9 Uhr hat die Kundgebung begonnen und die Rednerliste ist lang. Offenbar gibt es dieses Mal eine Menge mehr zu sagen, als noch beim letzten Warnstreik im Jahr 2018. Corona, die zusätzlichen Belastungen dadurch und nun die steigenden Kosten in den Privathaushalten haben den Kessel Anfang 2023 ordentlich unter Druck gebracht.
„Von warmen Worten werdet ihr nicht satt, ich auch nicht“, so Petra Wittig, seit 35 Jahren bei der Leipziger Stadtreinigung beschäftigt, gerade auf der Bühne und immer wieder der Ruf „Zusammen geht mehr“.
Die Redner/-innen im Video (in dieser Reihenfolge): Petra Wittig von der Stadtreinigung, Erzieher in den städtischen Betrieben der Behindertenhilfe Tilmann Harms (Sprecher der Jugend- und Auszubildendenvertretung JAV) und Claudia Kirsch von der Deutschen Rentenversicherung.
Impressionen vom Leuschnerplatz
Ob sie 1.500 oder mehr sind, ist noch nicht klar zu sagen. Sagen kann man es aber bereits mit den Worten einer Kitaerzieherin auf der Bühne: „Wie wichtig wir sind, sieht man heute. Wenn wir streiken, steht die Stadt still“. Die größte oder mindestens die lauteste Zahl der Demonstrierenden stellen hörbar die Mitarbeiter/-innen der LVB auf dem Platz, weitere Menschen, die bei Amazon arbeiten, sind aus Solidarität gekommen.
Auf LZ-Nachfrage erklärt ein LVB-Mitarbeiter und Gewerkschaftsmitglied zur Entschlossenheit in dieser Tarifauseinandersetzung: „Wenn der Arbeitgeber nicht auf unsere Forderungen eingeht, gehen wir dieses Mal in den Erzwingungsstreik“. Das würde bedeuten, tagelang keine Bahn und Busse und Kinderbetreuung zu Hause wie in den Corona-Hochzeiten.
10:10 Uhr: Es geht zur Demo
Der letzte Redebeitrag zum Thema fehlende Tarifbindung von einem Mitarbeiter von Amazon Leipzig läuft, auf dem Leuschnerplatz wird in wenigen Minuten die Kundgebung von Ver.di enden. Danach geht es für die Beteiligten auf die Demo. Unter ihnen – zumindest laut Vorankündigung – dann Janine Wissler, Bundesvorsitzende der Linken und Stefan Hartmann (Landesvorsitzender Die Linke).
Um 11:40 Uhr möchte Frau Wissler dann auf dem Leuschnerplatz nach der Rückkehr der Demonstration ein Grußwort sprechen.
Damit endet dieser Liveticker, alles Weitere werden wir ab hier in einem zweiten Livebeitrag ab etwa 10:30 Uhr berichten, während man sich am Leuschnerplatz gerade zum Demostart aufstellt. Großes Gelächter gibt es bei der Auflagenverlesung für die Demo an der Stelle, wo beauflagt wird, dass der ÖPNV nicht behindert werden darf.
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