Die Prognosen, dass so ziemlich das ganze Nervensystem der Gesellschaft am Freitag in Leipzig mehr oder weniger brach liegt, besonders der ÖPNV, scheinen sich zu bewahrheiten: Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst treten heute, aufgerufen durch die Gewerkschaft ver.di, in den ganztägigen Warnstreik, um für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die LZ ist live dabei.
Zu spüren bekommen die Folgen vor allem die Fahrgäste der LVB, denn seit drei Uhr früh stehen die Räder der Busse und Straßenbahnen für 26 Stunden komplett still. Doch auch Beschäftigte städtischer Kitas und Horte, der Behindertenhilfe, der Arbeitsagentur, der Stadtreinigung und viele weitere sind aktuell im Ausstand (hier die vollständige Liste).
Beispielhaft für viele andere hatte uns eine LVB-Straßenbahnfahrerin schon vorab verraten, wie sie über ihren Arbeitgeber denkt und warum der Arbeitskampf für sie wichtig ist.
Nach einer ersten Auftaktkundgebung der Streikenden am Wilhelm-Leuschner-Platz formiert sich jetzt ein Aufzug durch die Leipziger Innenstadt. Gegen Mittag ist, nach Rückkehr der Demonstranten auf den Wilhelm-Leuschner-Platz, unter anderem ein Grußwort von Janine Wissler angekündigt, Bundesvorsitzende der Linken. Lesen Sie hier den ersten Teil unseres Livetickers.
10:25 Uhr: Belustigung beim Verlesen der Demo-Auflagen
Der Demozug formiert sich, es kann losgehen.
Allgemeine Heiterkeit verursacht die ernsthafte Ansage, während der Demo sei der ÖPNV nicht zu beeinträchtigen.
10:45 Uhr: Aufruf an die Streikmuffel
„Kommt raus!“ – ob Resignation, Bequemlichkeit oder was auch immer, nicht alle sind vom heutigen Streik überzeugt, auch in den eigenen Reihen.
Am Neuen Rathaus ertönen entsprechende Rufe, man möge sich dem Protestzug anzuschließen.
11:00 Uhr: geschätzte 1.500 Teilnehmer in der City
Schon jetzt scheint sich die Prognose zu bewahrheiten, dass am heutigen Freitag mehr oder weniger alles in Leipzig stillstehen werde, besonders die Straßenbahnen und Busse der LVB. So hatte es ver.di-Bezirksleiter Sebastian Viecenz auch bereits vor zwei Tagen gegenüber der LZ prognostiziert.
Dieser ist heute ebenfalls vor Ort, nach seiner Schätzung nehmen etwa 1.500 Menschen am Aufzug in der Innenstadt teil. Nicht zu vergessen die Personen an den Streikposten außerhalb der City, wo der Ausstand der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes offiziell um drei Uhr früh begann (mehr dazu im ersten Teil des Livetickers).
11:15 Uhr: Parteiprominenz der Linken unterstützt den Streik
Wie man sieht, erfährt der Warnstreik des öffentlichen Dienstes auch Unterstützung durch die politische Prominenz. Gegen Mittag ist zudem ein Grußwort von Janine Wissler (Bundesvorsitzende der Linken) angekündigt.
11:40 Uhr: „Warme Worte zahlen keine Rechnungen“
Pünktlich hat, wie angesagt, nach der Rückkehr des Aufzugs auf den Wilhelm-Leuschner-Platz die Ansprache von Janine Wissler begonnen.
„Warme Worte zahlen keine Rechnungen“, bezog Wissler in ihrem Redebeitrag Position und stellte sich damit auf Seite der Streikenden, die nicht zuletzt im Zeichen von Krise und verteuerter Lebenshaltungskosten eine bessere Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen einfordern.
Die 41-jährige Wissler ist seit Februar 2021 Bundesvorsitzende der Linken, seit Juni 2022 gemeinsam mit Martin Schirdewan (47).
12:00 Uhr: Nicht nur LVB und Kitas heute im Warnstreik
Besonders im öffentlichen Fokus des Warnstreiks sind einerseits die Leipziger Verkehrsbetriebe – und wen wundert es, wenn der gewohnte Linienbetrieb auf einmal stillsteht, das vertraute Rattern auf den Schienen fehlt und man plötzlich überlegen muss, wie man nun seine Wege erledigt.
Außerdem sind auch Kitas und Horte vom Streik betroffen, was dazu führt, dass berufstätige Eltern jüngerer Kinder eine alternative Tagesbetreuung des Nachwuchses organisieren müssen. Doch auch an anderen Stellen geht heute vielerorts nichts mehr in Leipzig. Hier nochmal die komplette Auflistung.
An der Ludwig-Hupfeld-Straße in Leipzig-Leutzsch mussten in kurzer Zeit mehrere Autos unverrichteter Dinge abdrehen, weil der dortige Wertstoffhof ebenfalls bestreikt wird. Im Großen und Ganzen scheint die Bevölkerung, gerade was den ÖPNV betrifft, auf den angekündigten Ausstand vorbereitet, früh verirrten sich offenbar nur wenige an die verwaisten LVB-Haltestellen. Doch so ganz scheint sich der Warnstreik noch nicht herumgesprochen zu haben.
Leider bleibt es nicht aus, dass offenbar einige, die ihren Müll loswerden wollen, diesen kurzerhand vor den verschlossenen Toren des Wertstoffhofes abladen und verschwinden.
Die Demo in der City ist scheinbar beendet.
12:45 Uhr: O-Töne aus dem Bereich der Jugendhilfe
„Ich bin dafür, dass wir ganz dringend eine Attraktivität für die pädagogischen Berufe erlangen müssen“, erklärt Lydia Feindura, Mitarbeiterin des Städtischen Eigenbetriebs stationäre Jugendhilfe, ihre Motivation zum heutigen Warnstreik gegenüber der LZ.
Das bedeute konkret vor allem mehr Geld, weil durch den erheblichen Krankenstand und die massive Fluktuation ständig Kolleginnen und Kollegen ersetzt werden müssen – dieses dramatische Bild zeichnet Feindura vom aktuellen Zustand in ihrem Arbeitsbereich. Die oft ohnehin durch Bindungsstörungen und Traumata gezeichneten Jugendlichen erlebten nun zusätzliche Belastungen durch Beziehungsabbrüche zu den Mitarbeitern, wenn diese ihre Stellen wechseln. Der Wunsch von Feindura: mehr Geld und mehr Stabilität.
13:45 Uhr: Impressionen vom Lindenauer Bushof
Unser Kollege ist im Westen der Stadt unterwegs und hat dort ein paar weitere Eindrücke vom Arbeitskampf aufgefangen.
Auch der Lindenauer Bushof gehört seit drei Uhr zu den bestreikten Posten in Leipzig.
Offiziell endet der Ausstand am Samstagmorgen, dem 18. Februar, um fünf Uhr. Die nächste Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst ist für die kommende Woche am Mittwoch und Donnerstag angesetzt.
14:15 Uhr: Wir beenden den Liveticker
Mit diesen Eindrücken schließen wir den Liveticker. Wie sich die Lage noch bis zum offiziellen Ende des Streiks entwickelt, behalten wir im Auge. Schon jetzt können wir zumindest konstatieren, dass kein großes Chaos in Leipzig ausgebrochen ist, wohl auch wegen der Ankündigung des Streiks einige Tage im Voraus.
Einen guten Start ins Wochenende und bis bald! Ihre/Eure
Michael Freitag, Lucas Böhme, Sabine Eicker, Steffen Peschel, Gregor Wünsch, Tom Richter, Jan Kaefer und Ferdinand Uhl
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