In den vergangenen Jahren war es meist CDU-Stadtrat Konrad Riedel, der das Thema öffentlich machte und sein Unverständnis dafür äußerte, dass die Buden des Leipziger Weihnachtsmarktes die Blindenleitstreifen in der Leipziger Innenstadt zugestellt haben. Diesmal war es die Linksfraktion, die das Thema in einer Anfrage an die Verwaltung aufgriff. Und erstmals erklärte die Stadt ausführlich, warum das so ist.

Und warum dahinter auch keine böse Absicht steckt. Sondern eher eine Fehlplanung beim Bau der beiden Fußgängerzonen in der Grimmaischen und der Petersstraße. Und in der Ratsversammlung am 14. Dezember äußerte Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke zumindest ihre Hoffnung, dass beim Neubau der Petersstraße 2023 der Fehler von 2006 korrigiert wird.

Nachgefragt hatte Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt, dem die sehr ausführliche Erklärung der Verwaltung ja verständlich war. Aber für ihn war die Frage, ob die Verwaltung das Dilemma eben doch mal aufzulösen versucht.

Warum die Blindenleitstreifen jedes Mal zugebaut werden

Dass die Buden in den beiden Fußgängerzonen, die ja einst mit großem Tamtam auch durchgehende Blindenleitsysteme bekommen haben, mindestens seit 2015 auf den Blindenleitstreifen stehen dürfen, erläuterte die Antwort aus dem Kulturdezernat so:

„Das Blindenleitsystem darf auf ca. 100 m der Grimmaischen Str. im Rahmen des Sicherheits- und Planungskonzeptes für den Weihnachtsmarkt mit Ausnahmegenehmigung überbaut werden. Dies wird seit 2015 jährlich entsprechend mit allen Beteiligten abgestimmt, dokumentiert und kommuniziert.“

Und das sei, so die Stadt, auch mit den Betroffenenverbänden so abgestimmt:

„Das Beteiligungsverfahren auch in 2022 hat das Marktamt wie jedes Jahr genauso durchgeführt. Auch die Beauftragte der Stadt Leipzig für Menschen mit Behinderungen ist in jedem Verteiler mit einbezogen worden, alle aktuellen Pläne wurden übermittelt. Es gab keine Anmerkungen dazu.

Das Marktamt verweist auch auf die Aussage der Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Leipzig, die ausdrücklich einer solchen temporären Überbauung zustimmt und keine Einwände gegen die Fortführung der Maßnahme hat. Sie verweist darauf, dass (seh-)behinderte Menschen die zur Weihnachtszeit dicht gefüllten Fußgängerzonen und Gassen generell meiden oder sich in Begleitung auf den Weg machen. Durch die dichtgedrängten Besucherströme ist auch aus unserer Sicht die Nutzung des Blindenleitsystems in der Innenstadt nur stark eingeschränkt möglich.“

In der Grimmaischen Straße sind mehrere Stände des Weihnachtsmarktes zu sehen. Dazwischen spazieren dutzende Menschen in zum Teil weihnachtlicher Kleidung.
Der Leipziger Weihnachtsmarkt 2022. Foto: Tom Richter

Zumindest in der Petersstraße deutet die Antwort künftig eine Veränderung an: „Telefonisch hat sich das Marktamt mit der Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Leipzig bereits abgestimmt, für laufende Planungen und Baumaßnahmen 2023 (Umbau Petersstr. etc.) frühzeitig in die gemeinsame Vorbereitung zu gehen.“

Dann wäre es zumindest wieder ein Schildbürgerstreich, wenn die Blindenleitstreifen genau da verlaufen, wo auch zu künftigen Weihnachten wieder die Buden stehen.

Wie kommen alle unter einen Hut?

Dass der große Teile der Innenstadt umfassende Weihnachtsmarkt eine Herausforderung ist, stellt die Antwort der Verwaltung ebenfalls fest. Immerhin muss ja selbst die Buslinie 89 für die komplette Zeit des Weihnachtsmarktes auf die Innenstadtroute verzichten. Aber auch andere Kompromisse müssen geschlossen werden, um den besucherstarken Markt überhaupt zu ermöglichen.

„Das Marktamt beginnt bereits im März mit den verbindlichen Aufplanungen für die Markt-Standorte, bezieht in die Aufplanung und die parallele Erstellung des Sicherheitskonzeptes alle zu beteiligenden Ämter, Verbände und andere Vertreter ein (Tiefgaragen-Betreiber, LVB, DB, Rettungsdienste, Security-Unternehmen etc.)“, erläutert das Kulturdezernat die Abstimmungen.

„Regelmäßig ist auch die Beauftragte der Stadt Leipzig für Menschen mit Behinderungen zu allen vorbereitenden Sitzungen eingeladen, alle Pläne der Veranstaltungsflächen erhält sie natürlich ebenfalls. Darüber hinaus erfolgte dann auch die Kommunikation mit den Vertretern des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Leipzig. e. V.

Mit dem Einvernehmen zum Sicherheitskonzept und den darin erstellten Bebauungsplänen erklären alle Beteiligten dem Marktamt im Rahmen des einvernehmlichen Sicherheitskonzeptes die Ausnahme-Erlaubnis zur teilweisen Überbauung des Blindenleitsystems in der Grimmaischen Str., die aufgrund der geforderten Durchfahrtswege der Rettungs- und Feuerwehrkräfte notwendig wurde.“

Was eben auch heißt, dass auch die Grimmaische Straße eine Fehlplanung ist, mit ihren tief in die Straße ragenden Brunnen- und Sitzelementen. Es bleibt, wenn man eine Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge offen lassen will, gar nichts anderes übrig, als die Buden auf den Blindenleitstreifen zu setzen.

Wie weiter mit dem Blindenleitsystem?

Aber das kann natürlich keine dauerhafte Lösung sein, denn das Blindenleitsystem ist ja nicht aus lauter Jux und Tollerei geschaffen worden, sondern ein ganz zentraler Bestandteil der herzustellenden Barrierefreiheit in der Stadt. Aber inzwischen ist es auch dringend reparaturbedürftig, wie das Kulturdezernat feststellt.

„Das Blindenleitsystem ist bedauerlicherweise in einigen Bereichen der Innenstadt (Petersstr./Markt/Grimmaische Str.) auch im regulären, alltäglichen Betrieb nicht durchgängig nutzbar“, teilt es mit.

„So befindet sich seit ca. 10 Jahren genau in der eingefrästen Spur (vor McDonalds) eine mittlerweile defekte, 6 m lange Brunnenanlage, ebenso ein Kanaldeckel. Das System endet am Alten Rathaus vor einer 20 cm hohen Stufe, viele Steine sind lose.“

Aber im Kulturdezernat ist man zuversichtlich: „Das Marktamt unterstützt aktuelle Bemühungen, die hier schrittweise Abhilfe schaffen können und beteiligt sich mit der Kostenübernahme i. H. v. ca. 100.000 € am Einbau von vier Senkelektranten (am Umbau der Petersstraße). In diesem Bereich wird es dann ab 2023/24 nahezu vollständige Barrierefreiheit, d. h. auch keine Kabelbrücken, mehr geben.“

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