Wenn es nach einer durchaus vorhandenen Minderheit in Leipzig ginge, würde sich die Stadt nur ganz allmählich verändern. Schrittchenweise, sodass sich niemand umstellen und umgewöhnen muss. Auch nicht in Lindenau, wo doch augenscheinlich Leute wohnen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass man auf sein Auto nicht verzichten kann. Aber das sah schon der Stadtbezirksbeirat Altwest anders, der eine Umwidmung der Erich-Köhn-Straße zur Fahrradstraße beantragte.

„Menschenfreundliche Mobilität“

„Bisher ist die Erich-Köhn-Straße zusammen mit der Angerstraße eine Hauptverkehrsstraße der Kategorie III. Deswegen sind diese beiden Straßen auch nicht in die Tempo 30 Zone nordwestlich des Lindenauer Marktes integriert. Das steht jedoch prinzipiell nicht einer Widmung als Fahrradstraße entgegen. Nach RASt 06 (Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen) Kapitel 6.1.1.7 sollte jedoch eine alternative Verkehrsführung für den MIV ausgewiesen werden. Dies ist hier einerseits über den Cottaweg, andererseits über die Bowmanstraße/Lützner Straße bereits gegeben“, hatte der Stadtbezirksbeirat in seinem Antrag konstatiert.

„Die Länge der auszuweisenden Fahrradstraße sollte mindestens bis zur Rietschelstraße sein, besser noch zur William-Zipperer-Straße, da hier Anschluss an die bestehenden Radverkehrsanlagen in der William-Zipperer-Straße geschaffen wird. Aus Sicht des SBB Altwest sollte die Fahrradstraße allerdings bis zur Merseburger Straße geführt werden, um auch die dort anschließenden Radverkehrsanlagen zu erreichen.“

Es standen noch ein paar mehr Prüfpunkte drin, denn eine umfassende Umgestaltung würde genau das in Altlindenau sichtbar machen, was der Antrag als „menschenfreundliche Mobilität“ bezeichnete.

Leipzigs Verkehrsverwaltung wollte im Grunde nur eine kleine Änderung im Antrag, was Volker Holzendorf als Sprecher für den Stadtbezirksbeirat sogar verblüffte. Denn dass die Verwaltung den Antrag im Grunde übernahm und prüfen will, hat der Stadtbezirksbeirat so noch nicht erlebt.

Aus „wie“ wird „ob“

Die kleine Änderung betrifft vor allem ein Wörtchen: „Dem Prüfantrag kann im Grunde zugestimmt werden, mit wenigen Anpassungen: Der Prüfauftrag kann nur ein ‚ob‘ und kein ‚wie‘ beinhalten, da ein ‚wie‘ bereits die Zulässigkeit einer verkehrsrechtlichen Anordnung voraussetzt, was aber erst Gegenstand der Prüfung ist und sein kann. Daher wurden in den Beschlusspunkten 1 und 4 entsprechende Anpassungen vorgenommen. Zudem kann für Punkt 7 des Antrags nur ein Zeitpunkt zur Vorlage der Prüfergebnisse benannt werden. Die bei positivem Prüfergebnis weitere Verfahrens- und Umsetzungsdauer hängt von vielen Rahmenbedingungen ab, die noch nicht zu bewerten sind und zu denen die ausgesprochen angespannten Ressourcen der Verwaltung gehören.“

Wobei das mit den angespannten Ressourcen kein wirkliches Argument sein dürfte, denn weder das Verhängen von Tempo 30 noch das Auftragen von Fahrradstraßen-Signets würde erhebliche Kosten verursachen. Und die Prüfergebnisse will das Verkehrsdezernat sogar noch in diesem Jahr vorlegen.

Prüfergebnisse, um deren Bekanntgabe im Stadtbezirksbeirat Volker Holzendorf dringend bat. Denn nur wenn man sie dort auch kennt, kann man sich eine Meinung bilden, ob die Schritte der Stadt genügen oder noch einmal nachgelegt werden muss. Aus Fahrradfahrersicht ist hier jedenfalls dringend eine Verbesserung angeraten.

Aus Autofahrersicht vielleicht nicht. Obwohl letztlich unklar blieb, warum CDU-Stadtrat Michael Weickert gegen den Antrag und auch den Verwaltungsstandpunkt polemisierte und darin gar eine „Anti-Auto-Haltung“ entdecken wollte.

Da musste ihn erst SPD-Stadtrat Christian Schulze darüber aufklären, dass eine Fahrradstraße keinen Autoverkehr untersagt. Autofahrer müssen dann nur Radfahrern mal die Vorfahrt lassen. Also Rücksicht nehmen. Was sie in der Erich-Köhn-Straße sowieso tun sollten, da es hier auch eine Kindertagesstätte gibt. Und nicht alle Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto in die Kita. Auch in Lindenau kommen die meisten mit Fahrrad und Anhänger. Noch ein Grund, die Straße zur Fahrradstraße zu machen.

Klare Mehrheit: Idee kommt auf den Prüfstand

Das von Michael Weickert beschworene Verkehrschaos sahen dann die meisten Stadträt/-innen in der Ratsversammlung vom 9. November einfach nicht. Und da Holzendorf gleich den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung stellen ließ, kann man davon ausgehen, dass Leipzigs Verkehrsbehörde sehr gründlich prüfen wird, was verkehrstechnisch rund um die Erich-Köhn-Straße tatsächlich verändert werden kann.

Möglicherweise nicht alles, was sich der Stadtbezirksbeirat gewünscht hat. Aber da sollten schon sehr treffliche Gründe auf den Tisch kommen, die in der Erich-Köhn-Straße die Schaffung einer Fahrradstraße unmöglich machen.

Der Verwaltungsstandpunkt bekam mit 42:18 Stimmen eine klare Mehrheit.

Jetzt kann man gespannt sein, was im Prüfbericht des Verkehrsdezernats stehen wird.

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Keine Kommentare bisher

Das von Herrm Weickert (ich nehme an, er ist von der CDU?) beschworene Verkehrschaos ist doch auf der Erich-Köhn-Straße längst da. Sollte er eigentlich wissen, wenn er seine “Hood” kennt. Die Erich-Köhn-Straße ist nämlich seit Jahren nur noch zwischen Merseburger und Wilhelm-Zipperer-Straße zwei-spurig befahrbar. Zwischen Wilhelm-Zipperer und Angerstraße – also auf dem längeren Stück der Straße parken die Leute Ihre Autos doch längst so, dass nur noch ein Auto durchkommt. Fahrrad-Fahrende werden dort gern überholt, obwohl ein Sicherheitsabstand von 1,50 überhaupt nicht möglich ist. Letztens ist meine Freundin dort fast angefahren wurden und ich finde es immer stressig, wenn ich an den Meyerschen Häusern an den auf der Straße geparten Autos langradeln muss und von hinten ein Auto “schiebt”.

Herr Weickert, bitte nachsitzen! Gern auch mal auf dem Fahrrad!

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