Es ist nicht nur die Holbeinstraße, in der noch das ursprünglich – wahrscheinlich sogar 1892 schon – eingebaute Kopfsteinpflaster liegt. Es gibt noch etliche andere Straßen in Leipzig, die – wie Grünen-Stadtrat Michael Schmidt es ausdrückte – so aussehen, „als wenn hier schon der Kaiser drübergeritten ist.“ Nach 130 Jahren ist so eine Straße rumpelig und buckelig und fürs Fahrradfahren eine Katastrophe.
Das war im Fall der Holbeinstraße schon 2020 Thema, als der Stadtrat hier den Bau einer Kindertagesstätte beschloss – der ersten in Schleußig. Entsprechend beliebt ist diese im Oktober 2022 eröffnete Kita. Die Eltern kommen direkt aus dem Ortsteil und das logischerweise vor allem mit dem Rad.
Dass der Gehweg direkt vor der Kita inzwischen mit Sand geschlämmt wurde, hilft ihnen dabei nicht die Bohne, denn um bis zur Kita zu gelangen, müssen sie entweder über den Fußweg fahren, was auch in Schleußig nicht StVO-konform ist. Oder eben über die Straßen, die bis heute noch ihr altes „Kaiser“-Pflaster haben.
Bis auf ein Stück in der Oeserstraße, das vor sieben Jahren mal als Umleitungsstrecke für die Baustelle Könneritzstraße genutzt wurde und deshalb eine Asphaltschicht auf das Steinpflaster bekam. Die bis heute hält. Was dann eine kleine Diskussion in der Ratsversammlung am 9. November ad absurdum führt, so ein Asphaltbelag auf Steinpflaster wäre schon nach zwei Jahren wieder kaputtgefahren.
Die Linksfraktion lag also gar nicht so weit daneben, als sie beantragte, den südlichen Teil der Holbeinstraße genau so zu asphaltieren.
Auch eine Hauptradverbindung befindet sich hier
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den letzten Abschnitt der Holbeinstraße zwischen Schnorrstraße und Oeserstraße bis spätestens Ende des II. Quartals 2023 gleichfalls als Hocheinbau zu asphaltieren“, hatte die Fraktion beantragt. Linke-Stadtrat Sebastian Weber stellte das Anliegen in der Ratssitzung vor.
„Aufgrund des alten Kopfsteinpflasters in der hinteren Holbeinstraße nutzt der gesamte Radverkehr die Gehwege. Die Gehwege sind jedoch oberflächlich lediglich gefasst, aber nicht (mehr) befestigt“, kann man im Antrag der Linken nachlesen. „Mit dem Kitaneubau in der Holbeinstraße ist mit einer deutlichen Erhöhung der (Rad-)Verkehrszahlen zu rechnen. Gleichzeitig befindet sich auf der Holbeinstraße in Höhe der Kita eine IRIII-Radverbindung.
Allein aus diesen zwei Aspekten ist aus Sicht des Antragsstellers eine mittelfristige Verbesserung der Fahrbahnoberfläche angezeigt. Die anderen Abschnitte der Holbeinstraße wurden im Zuge der Umleitungskonzeption bei der Sanierung der Könneritzstraße als Hocheinbau asphaltiert. Auf ähnliche Art und Weise könnte jetzt der hintere Abschnitt kostenarm in Bezug auf eine grundhafte Sanierung verkehrlich ertüchtigt werden.“
Eigentlich ein klares Anliegen, das nichts zu tun hat mit den geplanten Komplexmaßnahmen der Stadt. Die stehen alle in einer Prioritätenliste. Und an die sollte man sich eigentlich halten, meinte CDU-Stadträtin Sigrun Seidel. Und stellte deshalb den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung, der eben das zum Inhalt hatte: Lieber gar nichts machen und erst mal prüfen, wann die Holbeinstraße in diese Prioritätenliste eingeordnet werden kann.
Klares Votum für Asphaltierung der Holsteinstraße
So richtig war auch Baubürgermeister Thomas Dienberg nicht dafür, jetzt Asphalt auf die alten Pflastersteine zu legen.
Aber Grüne-Stadtrat Michael Schmidt bezweifelte wohl berechtigterweise, dass die Holbeinstraße in den nächsten zehn Jahren als Komplexbaumaßnahme terminiert werden könnte. Dazu gibt es viel zu viele dringendere Straßenbaumaßnahmen in der Stadt. Das aber wäre den Eltern und Kindern auf ihrem täglichen Weg zur Kita so nicht zuzumuten. Asphalt wäre als kurzfristige Lösung leicht umsetzbar. Und Ängste, dass das nur zwei Jahre halten würde, wären auch nicht angebracht.
Die Linke hätte außerdem einen Haushaltsantrag eingebracht, sodass die Asphaltierung bezahlt werden könnte. Zwar nicht gleich im Frühjahr 2023, wie es im Antrag stand. Denn da wird Leipzigs Doppelhaushalt ja noch gar nicht genehmigt sein. Deswegen hatte Weber eine Änderung der Jahreszahl in 2024 erbeten.
Und dann war die Frage, wie die Stadtratsmehrheit die Sache sieht. Und sehr knapp, mit 28:29 Stimmen, wurde der Verwaltungsstandpunkt, der nur eine Prüfung für die Komplexmaßnahme Holbeinstraße vorschlug, abgelehnt. Während die Zustimmung zum Antrag der Linksfraktion mit 41:13 Stimmen dann sehr deutlich war.
Denn wenn vor 2030 mit einer Komplexsanierung der Holbeinstraße nicht zu rechnen ist, ergibt eine Asphaltierung Sinn. Auch in Bezug auf Klima und Nachhaltigkeit. Wo nämlich in Leipzig solche alten Buckelpisten mit Asphalt geglättet werden, steigt ziemlich schnell und unübersehbar das Aufkommen an Radfahrern.
Die fahren ja auf vielen Strecken deshalb nicht, weil das bucklige Pflaster nicht nur eine Zumutung, sondern auch hochgefährlich ist.
Es gibt 10 Kommentare
Wir sind ja nah beinander. Klar ist Kopfsteinpflaster schön und es gibt tatsächlich noch viel schlimmere Pflasterstraßen. Hier ist es halt ein Abschnitt, der jetzt schon als Zubringer zur “Entenbrücke” sehr stark frequentiert ist, leider eben meist aus beschriebenen Gründen auf dem Fußweg. Und mit der neuen Kita mit 200 Kindern wird das eher noch mehr. Die Aufheizung ist sicher nicht so das Problem, da viele dicht stehende und großkronige Bäume vorhanden sind. Also in diesem Fall überwiegt aus meiner Sicht der Sicherheitsaspekt den anderen, dem Grunde nach tatsächlich berechtigten Argumenten.
Nichts für ungut – ich war länger nicht vor Ort und bezog mich auf das Bild.
Und meine Erinnerung – und da ist das ein eher ebenes Pflaster.
Fragende Thesen:
* Es gibt in Leipzig viele wesentlich schlechtere Pflasterecken – die sollen also zugunsten der Holbeinstraße noch länger warten?
* Das Aufheizen von Asphalt – danke für den Hinweis – wird hier auch im Zuge des Klimanotstandes öfter bemängelt; der um die Holbeinstraße einen Bogen macht?
* Stört es tatsächlich niemanden, wenn die letzten schönen Gründerzeitstraßenzeilen durch plumpen Asphalt entwertet werden? Ein Pflaster hält mit 130 Jahren auch “ewig”; man könnte das ja auch erneuern.
Ich finde, alles muss verhältnismäßig sein.
>Das Bild zeigt – nach meiner Sicht – Pflasterjammern auf hohem Niveau<
Vielleicht besser mal vor Ort sichten. Das Bild ist eben nicht beispielhaft für den Straßenzustand im benannten Abschnitt. Allein mit dem Rad nur sehr schlecht und mit Kind drauf nahezu gar nicht zu befahren.
Was ist denn gegen die Asphaltierung zu sagen?
Ist leiser, fährt sich besser (egal, womit), lässt sich besser säubern / räumen.
Einzig, dass es sich im Sommer sehr aufheizt, ist negativ. Da nehmen sich Schlackesteine aber auch nicht viel (da müsste man dann Bäume zur Verschattung pflanzen).
@TLpz
Na klar, ich bin heute früh Rad gefahren.
Sehr vorsichtig, weil die Verhältnisse auf Pflaster UND Asphalt schlecht waren.
Vor allem landet beim Asphalt der ganze PKW-Schneeschlamm auf dem Radweg.
(Eine beheizte Variante beider Oberflächen wird wohl in absehbarer Zeit nicht kommen.)
Ich bin auch für die Beseitigung von Gefahrenstellen, aber verhältnismäßig und wo wirklich sinnvoll.
Wir können und sollten deswegen nicht unsere ganze Stadt asphaltieren!
Das konterkariert übrigens das Ziel, was man auch mit Fahrradfahren erreichen möchte.
Vergleichen Sie mal die unterschiedlichen Qualitäten von Pflaster in der Stadt.
Das Bild zeigt – nach meiner Sicht – Pflasterjammern auf hohem Niveau.
@Christian
> Das “wackelt” zwar mit dem Rad etwas, aber man wird nicht hin- und hergeworfen oder das Rad droht zu verrutschen.
Heute früh Fahrrad gefahren? Kopfsteinpflaster ist grundsätzlich rutschiger und bei gewissen Wetterlagen unsicherer zu befahren. Zum Beispiel auch mit Kindersitzen und darin sitzenden Kindern. Man muss doch nicht absichtlich Gefahren bestehen lassen!
@Phipz
Also der Ausschnitt auf dem Bild – dort liegen die Pflastersteine in ihrer Oberfläche alle recht eben.
Das “wackelt” zwar mit dem Rad etwas, aber man wird nicht hin- und hergeworfen oder das Rad droht zu verrutschen. Natürlich kann man nicht ganz so schnell fahren wie auf einer Rennstrecke mit Asphalt.
Ich betrachte das aus der erfahrenen Sicht eines Rad- und Autofahrers.
Schauen Sie mal in andere Straßen in Leipzig; z.B. Beuchaer Straße in Reudnitz.
DAS ist schlechtes Pflaster fürs Radfahren!
ABER – es passt zum Stil der Häuserzeilen…
Der Gehweg ist ein zweites / anderes Thema.
@Christian das BeispielBild stellt leider kein Gutes der dortigen Fahrbahnqualität dar…
Eine vernünftige Asphalt-Decke und eine Neugestaltung des Gehweges auf der Seite der Kita ist mMn zwingend notwendig
Prinzipiell und aus ästhetischer Sicht finde ich Pflaster in Gründerzeitvierteln gar nicht so schlecht. Wenngleich man sehr unterscheiden muss, in welchem Zustand sich dieses befindet.
Asphalt ist zwar fein eben, aber der Charme einer Straße verliert dadurch, für immer.
Es gibt recht ebenes, teils rauhes Pflaster, auf dem man sehr gut auch mit dem Fahrrad fahren kann. Das gibt es in verschiedenen Stadtteilen (natürlich äußerst gut und wahrscheinlich neu vor dem neuen Rathaus); das müsste Schlackepflaster sein.
Wiederum gibt es sehr holpriges Pflaster, wo man noch die brechenden Holzräder von Kutschen ahnen kann und man mit dem Fahrrad wirklich nicht gut unterwegs ist.
Hier müsste man handeln.
Das Pflaster oben im Artikelbild würde ich optisch aber eher gut erhaltenem Pflaster zuordnen, so schlimm ist Radfahren dort nicht.
Was mich nun interessieren würde: kann man so holpriges Pflaster gerade abschleifen, sodass es wieder vernünftig befahrbar ist? (Ähnlich Parkettabschleifen, weil es genug Materialstärke gibt).
Leider ein wenig spät, nachdem der Adler nun erst einmal fertig ist. Holbeinstr. – Limburger Steg wäre eine ordentliche Alternative zum Stau in der Erich-Ziegner-Allee gewesen.
Aber die Asphaltierung muss schon einmal im Gespräch gewesen sein, so Ende der 90er Jahre. Ich erinnere mich an eine Unterschriftensammlung der Anwohner dagegen. Hatten Bedenken, dass dann zu viele Autos dort lang fahren würden.