Rund 120 Jahre, nachdem Leipzig sein damaliges Eisenbahnkonzept bekommen hat, geraten jetzt die damals gebauten Brücken allesamt ans Ende ihrer Lebenszeit. Das betrifft im Leipziger Norden nicht nur die Brücke über die Bahnanlagen in der Wiederitzscher Straße. Das betrifft auch die Brücke in der Sasstraße, die die Stadt möglichst schon ab 2028 neu bauen will.
„Aufgrund des Bauwerkszustandes ist die Brücke Sasstraße im Zeitraum von 2028–2030 durch einen Neubau zu ersetzen“, schreibt das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) in einer Vorlage, die am 9. November auch die Ratsversammlung passieren soll.
„Dieser Sachverhalt bedarf eines zeitnahen Planungsauftaktes durch Vergabe der Planungsleistungen in 2022. Mit der Vorlage wird der Stadtrat über den avisierten Planungsbeginn und den Planungsumfang informiert.“
Die Uhr tickt, denn das Bauwerk weist schon erhebliche Schäden auf, die Tonnage der Fahrzeuge, die die Brücke queren wollen, ist schon deutlich reduziert.
„Die zuletzt in 2021 durchgeführte Hauptprüfung ergab eine Zustandsnote von 3,3 für das Bauwerk. Das Bauwerk weist zahlreiche, teils erhebliche konstruktiv bedingte Schäden auf und die Bauteile zeigen ein ausgeprägtes Rissbild“, so das VTA.
„Erkennbare Aussinterungen im Bereich der Längs- und Querrisse lassen auf Wasserführung rückschließen. Auch im Bereich der Widerlager sind entsprechende Durchfeuchtungen ersichtlich. Infolge von Betonabplatzungen liegt die Bewehrung in Teilbereichen frei. Die Dauerhaftigkeit des Bestandsbauwerkes wird daher stark eingeschränkt.“
Was braucht man eigentlich 2030
In der Planung soll dann auch geklärt werden, in welcher Variante die Brücke neu gebaut werden soll. Ob mit Parkstreifen für die Fahrzeuge, die jetzt auch auf der Brücke parken. Oder schmaler und dann ohne Parkstreifen. Eine zumindest erstaunliche Sorge in einer Zeit, in der Leipzig eigentlich die Mobilitätswende hinbekommen will. Die Überlegungen in der Vorlage klingen eigentlich, dass man im VTA fest davon ausgeht, dass auch 2030 noch alles bei Alten ist.
„Der bauliche Zustand der Brücke Sasstraße macht einen zeitnahen Auftakt der Planung in 2022 erforderlich, um planungsseitig den Baubeginn spätestens in 2028 zu ermöglichen. Aufgrund der zu erwartenden Baukosten von ca. 5,5 Mio. Euro einschließlich erforderlicher Maßnahmen zur Umverlegung des vorhandenen Medienbestandes und baubedingter Eingriffskompensation, wird für die Vergabe der Planungsleistungen ein europaweites Vergabeverfahren nach der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) erforderlich. Ein Gestaltungswettbewerb wird in das Verfahren integriert“, so das VTA.
Die Gesamtinvestitionskosten von 2022 bis 2030 werden zum jetzigen Zeitpunkt mit 6,5 Millionen Euro angenommen. Davon entfallen ca. 1.000.000 Euro auf Planungs- bzw. Baunebenkosten.
Die Geschichte der Brücke
„Die vorhandene Brücke Sasstraße (II/R09) wurde bereits in Plänen von 1904 dargestellt. Es ist aufgrund der Datenlage davon auszugehen, dass das Bauwerk in den Folgejahren als Zweifeldbauwerk errichtet wurde. Es weist als Balkenbrücke eine Breite von 17,60 m und eine Länge von 25,91 m auf und überführt die Sasstraße über Anlagen der Deutschen Bahn“, so die Vorlage.
Aber es gibt noch einen Punkt, der verstört und daran erinnert, dass in den Planungsabteilungen der Stadt noch das alte Denken dominiert.
„Im HauptNetzRad erfüllt die Sasstraße aktuell keine Funktion“, kann man da lesen. „Aufgrund der Einordnung als Tempo-30-Zone sind keine separaten Radverkehrsanlagen vorhanden und erforderlich. Eine Berührung der Brücke durch die Planung zum Bau der Radschnellwegverbindung Halle-Leipzig ist gegenwärtig nicht erkennbar.“
Nur gibt es im Bereich der Sasstraße gleich zwei Schulen, die die Schulkinder heute schon – wenn sie nicht von Helikoptereltern hingebracht werden – oft mit dem Fahrrad ansteuern. Nur geraten sie dabei auf der Sasstraße und auch auf der kreuzenden Blumenstraße in das Gedränge mit den Helikoptereltern, eiligen Berufspendlern und Lieferfahrzeugen.
Dass rund um Leipziger Schulen eigentlich sichere Radverkehrsanlagen existieren müssten, ist noch längst nicht Teil der Leipziger Verkehrsstrategie. Und müsste eigentlich bei Straßen- und Brückenplanungen für 2030 eine grundlegende Rolle spielen.
Ein Fortschritt ist – auf den ersten Blick, dass man die Gehwege auf der Brücke künftig drei Meter breit bauen will und damit wenigstens beim Fußverkehr den heutigen Standards entsprechen will. Nur mit der seltsamen Lösung, die Brücke dabei auf der Ostseite schmaler zu machen und den Fußweg zu verschwenken.
Man spart zwar so Stellplätze ein, nimmt aber auch den Platz, der für Radstreifen genutzt werden könnte. Radstreifen, die auch nötig werden, wenn die Stadt auch den Teil der Sasstraße zwischen Daumierstraße und Coppistraße endlich saniert. Den Kfz fahren hier derzeit nur deshalb vorsichtig, weil das Pflaster 100 Jahre alt ist und auch genauso desolat aussieht.
Denn bei den Fußwegen denkt die Vorlage schon so weit. Die Wegeführung soll sich auch in Nachbarschaft der Brücke verbessern:
„Angedacht sind zur Querungsoptimierung insbesondere im Bereich der Max-Metzger-Straße eine Querungshilfe/Gehbahnnase auf der Südseite sowie eine mögliche Platzgestaltung mit Stadtausstattung und Baumstandorten auf der Nordseite. Der Einmündungsbereich der Daumierstraße kann durch Gehbahnnasen für die Fußverkehrsführung optimiert werden.
In diesem Zusammenhang wird zudem die Parkraumaufteilung nördlich des Brückenbauwerks in der Sasstraße betrachtet. Mit einer Anpassung der Parkanordnung am nördlichen Fahrbahnrand wird die Anpassung der vorhandenen Gehwegvorstreckung in der Coppistraße erforderlich.“
Noch bleibt Zeit, die Planungen für den Brückenbau tatsächlich zukunftsfähig zu machen.
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