Es wird ein Umgewöhnungsprozess, der nicht ohne Diskussionen ablaufen wird, das steht eigentlich seit 2018 fest, seit das Oberverwaltungsgericht in Bautzen das Radfahrverbot auf dem Leipziger Promenadenring für ungültig erklärt hat. Seit dem Frühjahr 2022 entstehen so die ersten Teile eines extra grün eingefärbten Radwegs auf dem westlichen Ring. Und die werden auch nicht wieder zurückgebaut, betont das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA).
Denn natürlich waren diese Radwege, die jeweils auch eine komplette Fahrspur einnehmen, nicht nur ungewohnt für viele Kraftfahrer, die für gewöhnlich ihre Route über den Ring nehmen. Sie sind ja auch nach wie vor unvollständig und lassen nur ahnen, wie ein komplettes Ringsystem für den Radverkehr 2025 einmal aussehen soll, wenn alles fertig ist. Bis dahin wird es noch viele offene Übergänge geben und für Kraftfahrer wird es ein langsamer Gewöhnungsprozess daran, dass der Promenadenring künftig keine mehrspurige Schnellstraße mehr sein wird, auf der die Kraftfahrer allein unter sich sind.
„Meine Nachbarn schütteln nur den Kopf über diesen Fahrradweg“
Und wie ist das mit Radfahrern?
„Grundsätzlich befürworte ich Fahrradstraßen sehr. Aber mir scheint diese konkrete Umsetzung nicht besonders gut durchdacht zu sein“, meldete sich Robert Loos mit einer dies betreffenden Einwohneranfrage zu Wort.
„Als Fahrradfahrer sollte eigentlich der Mehrnutzen zu spüren sein. Bei diesem konkreten Fahrradweg sehe ich diesen jedoch leider nicht. Es führen mich alle Wege in das Zentrum hinein, oder daraus hinaus. Wenn mich mein Weg um das Zentrum herumführt, gibt es ca. 10 Meter weiter eine Fahrradstraße, die eine viel kürzere und besser Strecke darstellt als der Fahrradweg auf dem Ring.
Für Autofahrer braucht man vermutlich gar nicht darüber reden, dass es sich seit dem Umbau auf dem Dittrichring staut und es leider kaum eine alternative Strecke gibt.
Was für mich als Fußgänger und Fahrradfahrer jedoch besonders unangenehm auffällt ist, dass sich dieses Stauen der Autos darauf auswirkt, dass ich viel länger warten muss, um die Straße ins Zentrum ohne Ampel überqueren zu können. Die Autos fahren sehr langsam aber stetig, sodass es keine wirklichen Ampel-Pausen gibt, in denen ich den Ring normal überqueren kann. Nach meinen persönlichen Beobachtungen sehe ich kaum Fahrräder, die diesen Fahrradweg nutzen. Und wenn dieser benutzt wird, verlassen die Räder den Ring nach kürzester Strecke wieder. Meine Nachbarn, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, schütteln ebenfalls nur den Kopf über diesen Fahrradweg.“
Auf seine Frage „Wäre es möglich, den Fahrradweg auf dem Dittrichring zurückzubauen?“ bekam er jetzt eine ausführliche Antwort aus dem Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA).
Die Antwort des VTA
Sehr geehrter Herr Loos,
in der Vergangenheit bestand – und in Teilen besteht noch – ein Radfahrverbot für die Fahrbahnen des Innenstadtrings. Dagegen wurde Klage erhoben und entsprechend des Urteils des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen muss das Verbot auf größeren Teilen des Innenstadtrings durch die Stadt aufgehoben werden. Eine Radfahrmöglichkeit auf dem oberen Dittrichring ist dabei vom Gericht bereits mitbetrachtet und als nicht relevant für die Frage der Zulässigkeit des Radverkehrs auf der Ringfahrbahn bewertet worden.
Die Zulassung des Radverkehrs auf der Fahrbahn verpflichtet die Stadt als Straßenverkehrsbehörde wiederum, hierfür eine sichere Abwicklung zu gestalten. Dies wird bei den gegebenen Verkehrsbedingungen mit der vorgenommenen Markierung von Radfahrstreifen umgesetzt. Es gibt daher bereits aus der Perspektive des zwingend umzusetzenden Gerichtsurteils keine Wahlmöglichkeit und der Radverkehr muss auf bestimmten Teilen des Innenstadtrings verkehrssicher gestaltet werden.
Die Zulassung des Radverkehrs ist zudem auch Anliegen des Leipziger Stadtrates, der die Umsetzung des Urteils von der Verwaltung erwartet und dafür Haushaltsmittel bereitgestellt hat. Auch in vielen anderen Beschlüssen hat der Stadtrat festgelegt, dass die Verkehrsmittel des Umweltverbundes – ÖPNV, Fuß und Rad – besonders gefördert werden. Dafür sprechen von der Klimafreundlichkeit, der Lärm- und Luftschadstoffproblematik bis zur Verkehrssicherheit und Flächeninanspruchnahme auch sehr viele gute Gründe. Nicht zuletzt: Nur wenn wir, wo es möglich ist, den Umweltverbund nutzen, kann der Anteil des Kfz-Verkehrs, der auch weiterhin notwendig ist, funktionieren und bleibt nicht im Stau stecken.
Und wir sind in Leipzig auf einem guten Weg – allein der Anteil des Radverkehrs stieg von nur 6 % in 1991 auf fast 20 %. Es bestreiten immer mehr Bürgerinnen und Bürger – nicht zuletzt viele Kinder und Jugendliche – ihre täglichen Wege großenteils mit dem Fahrrad und wir müssen auf diese Entwicklung weiter reagieren. Das Fahrrad ist auch nach der Straßenverkehrsordnung entsprechend zu berücksichtigen und bedarf bei größeren Kfz-Verkehrsstärken einer eigenen Verkehrsführung. Die Infrastruktur für den Radverkehr ist in weiten Teilen heute nicht mehr ausreichend und muss entsprechend ausgebaut werden.
Dies spiegelt auch das Ergebnis der kommunalen Bürgerumfrage 2020:
74 % der Haushalte besitzen ein Fahrrad (damit ist das Rad das am häufigsten vorhandene Verkehrsmittel);
der Weg in die Innenstadt wird zu 84 % mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes zurückgelegt (dieser Trend ist seit Jahren zunehmend);
auch die Wege zum Einkauf werden nun erstmals mehr mit dem Rad oder zu Fuß erledigt (zu 49 %), während die Nutzung des Kfz dafür auf 41 % zurückgegangen ist;
62 % würden zudem häufiger das Rad nutzen, wenn die Fahrradwege besser ausgebaut wären
und 55 % wünschen sich mehr Anstrengungen der Stadt für den Radverkehr.
Ebenso gibt es viele Radfahrerinnen und Radfahrer, die den Ring auch von anderen Teilen der Stadt anfahren und das neue Angebot daher auch nutzen. Mit der Weiterführung des Radfahrstreifens über die Harkortstraße und den Lückenschluss über die weiteren Ringanlagen komplettieren wir das Angebot und gehen ebenfalls von einer vermehrten Nutzung der Radverkehrsanlagen aus.
Die Lichtsignalanlagen an den Knotenpunkten Martin-Luther-Ring/Rudolphstraße und Dittrichring/ Gottschedstraße dienen der sicheren Überquerung über den Martin-Luther- und den Dittrichring. Vor der Markierung der Radverkehrsanlage und dem Wegfall einer Kfz-Spur war die Überquerung über vier Spuren und der Gleisanlagen ebenfalls keine optimale Lösung. Die Verwaltung erarbeitet derzeit in einem „Stadtraumkonzept erweiterte Innenstadt“ Lösungsansätze für eine sichere Querung des westlichen Ringabschnitts, hier mit Fokus auf die Otto-Schill-Straße und die Bosestraße. Ergebnisse sind 2025 zu erwarten.
Es gibt 6 Kommentare
@Steffen: Die Weiterführung, zu der die Stadt nicht gerichtlich verpflichtet wurde, hat aber der Stadtbezirksbeirat Mitte trotzdem beantragt. War hier vor paar Wochen so zu lesen.
Finde ich Klasse.
@ Sebastian
Über https://unfallatlas.statistikportal.de/ können Sie sich das Unfallgeschehen der letzten Jahre detailiert ansehen. Es gab kein Jahr ohne mehrere verletzte Radfahrer auf dieser Strecke. Wie es sich auf dem Ring entwickelt, wird die Zeit zeigen.
Am Ende ist es doch einfach schön, dass es jetzt mehrere Angebote für Radfahrende gibt. Wer sich von den von mir aufgezählten Widrigkeiten nicht stören lässt, kann gemütlich in der Innenstadt herumfahren (und belästigt dabei hoffentlich keine Fußgänger), wer es schnell und sicher haben möchte, fährt auf dem Ring.
“Aber: Bleibt das denn so? Wird diese Ampel nicht durch den weiteren Ausbau des Weges doch zu einem Argument, oder bleibt die Wegführung auf dem Gehweg? Zum Gerichtsurteil würde es nicht passen, und schon hab ich ein weiteres Hindernis für mich als Radler.”
Das Gerichtsurteil spricht explizit davon, dass auf diesem Teilbereich der aktuelle gemeinsame Fuß- und Radweg ausreicht, weitere Radinfrastruktur wird im Bereich Goerdelerring nicht kommen. Nur die Furt zur Pfaffendorfer Straße soll umgebaut werden, aber das ist ein anderes Thema.
@einzigeanderePersonhier
Ich habs verkürzt, weil ich mich versuche auf die Kernaussage zu konzentrieren. Das aufregerische Beiwerk tat mir da nichts zur Sache. Ansonsten hab ich nicht “einiges” verkürzt, sondern bin im Gegenteil doch auf fast jede Aussage in Ihrem Kommentar eingegangen.
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Und ich brauche, trotz Zugehörigkeit zum akademischen Umfeld, auch kein “Narrativ”, um die simplen Feststellungen zu treffen, die viele andere Leute auch sehen:
– den benannten Weg nutzt kaum jemand
– die Radstraße wird rege genutzt, in beiden Richtungen
– das “Fehlverhalten” der Autofahrer, auf das Sie großen Wert in Ihrem Kommentar legen, stört in Wirklichkeit kaum (sonst gäbe es häufiger Artikel, Meldungen, Unfälle, man hätte einfach schon davon gehört)
– auch auf dem grünen tollen Weg direkt auf der Straße sind Sie mit anderen Verkehrsteilnehmern konfrontiert, die unachtsam sein könnten
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Aktuell mag das sein, dass an der Runden Ecke der Radverkehr auf den Gehweg geführt wird. Offenbar vor der Ampel, sonst wären Sie sich nicht so sicher darüber. Muss ich mich an der Stelle zurücknehmen, ich komme da wirklich nur mit dem Auto vorbei, mit dem Rad nutzt mir der Umweg gar nichts.
Aber: Bleibt das denn so? Wird diese Ampel nicht durch den weiteren Ausbau des Weges doch zu einem Argument, oder bleibt die Wegführung auf dem Gehweg? Zum Gerichtsurteil würde es nicht passen, und schon hab ich ein weiteres Hindernis für mich als Radler.
@ Sebastian
Da musste aber einiges verkürzt werden, damit es ins Narrativ passt. Schneller trotz weiter Teile Schrittgeschwindigkeit? Wenn man sich nicht daran hält, dann sicherlich, aber das sollte nicht die Grundlage der Diskussion sein. Baustellenampel, aber das Warten hinter dem Parksuchverkehr ignorieren? “Illegal” extra wegzitiert, um sich nicht mit Fehlverhalten von Autofahrenden auseinandersetzen zu müssen? Falschparker und Nahüberholer bestreiten? Kann man vor Ort sicher besser beurteilen. Eine Ampel vor der Runden Ecke erfinden? Dort wird man vor der Ampel auf den gemeinsamen Fuß- und Radweg geleitet.
Einigen wir uns darauf, dass wir diese Route anders wahrnehmen. Sie müssen dafür Falschparker, Nahüberholer, Schrittgeschwindigkeit, Staus und Geisterfahrer ignorieren, aber dadurch wird der Weg tatsächlich besser. Und alles nur, weil Ihnen scheinbar nicht bekannt ist, dass Radverkehrsanlagen gemäß ERA 2010 nicht vom Fahrradaufkommen abhängig sind, sondern das Kraftverkehrsaufkommen vorgibt, wo Schutzeinrichtungen für Radler angeordnet werden müssen, egal ob für einen oder tausende.
Ich wollte auf den Artikel eigentlich nicht kommentieren, um nicht überall Senf los zu werden. Aber Ihr Kommentar reizt mich dann doch.
Mein Gedanke zur Einwohneranfrage war sofort “schön, dass man nicht alleine ist mit seinen Gedanken”, denn auch ich sehe dort auf dem benannten Stück kaum Radler. Auch ich gehe dieser Strecke aus dem Weg, wenn ich Rad fahre. Auch ich kenne im Kollegen- und Freundeskreis ausschließlich Leute, darunter auch ambitioniertere Radfahrer, die dieses Stück Radweg sinnlos finden (oder den Kopf darüber schütteln).
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> und dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden
Ich finde daran nichts verwerfliches. Allemal direkter und schneller, als außen um die Runde Ecke zu fahren.
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> oder wartet an der Baustellenampel.
…die ja irgendwann auch wieder weg ist. Außerdem warte ich auf der schönen, grünen neuen Route an der Ampel Thomaskirche und der vor der Runden Ecke. Was auf der Fahrradstraße nicht der Fall ist.
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> Vor der Thomaskriche kommen einem […] Autos auf der “Fahrradstraße” entgegen.
Es ist eine Stadt. Im Normalfall gibt es überall Verkehrsteilnehmer, die Ihnen entgegenkommen. Und das im allermeisten Fall ganz ohne, dass Sie bremsen müssen. Mich als Radfahrer bremsen die entgegenkommende Autos dort jedenfalls nicht.
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> Ständig sind Wege durch Falschparker versperrt und man wird trotz Tempo 20-Zone zu eng überholt.
Ich kann Ihre Erfahrungen nicht teilen, schon gar kein “ständig” bejahren, obwohl ich seit 2009 dort lang fahre. Was es dort wirklich regelmäßig gibt, das sind viele Radfahrer, die rechts-vor-links nicht beachten, aber das ist im Musikviertel und anderswo nicht anders. Da wird man auch schon mal angeschnauzt, wenn man an der Kreuzung “plötzlich” bremst und der Hintermann dann ausweichen muss, weil er eben nicht Vorfahrt gewähren will.
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> Niemand, der diese Route schon mal mit dem Fahrrad gefahren ist, würde sie als “kürzere und besser Strecke” bezeichnen.
Das ist wirklich nur in Ihrer Welt so. Ich will Ihnen ja nicht Ihre Wahrnehmung rauben, aber wie kann man sich denn, erst Recht unter einem solchen Artikel, hinstellen und so eine Aussage treffen?
“Wenn mich mein Weg um das Zentrum herumführt, gibt es ca. 10 Meter weiter eine Fahrradstraße, die eine viel kürzere und besser Strecke darstellt als der Fahrradweg auf dem Ring.”
Da fährt wohl jemand nicht mit dem Fahrrad, will aber Fahrradinfrastruktur bewerten. Teile dieser “Fahrradstraße” sind Fußgängerzonen (Bereich Burgplatz, Schillerstraße, Richard-Wagner-Platz) und dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden. In der Großen Fleischergasse steht man entweder mit den parkplatzsuchenden Autofahrern im Stau, muss sich gefährlich vorbeischleichen oder wartet an der Baustellenampel. Auf dem Richard-Wagner-Platz blockieren Veranstaltungen und Wochenmärkte den Weg. Die Kreuzung Dittrichring-Thomaskirchhof muss nachrangig und teilweise waghalsig überwunden werden. Vor der Thomaskriche kommen einem im Minutentakt illegal dort fahrende Autos auf der “Fahrradstraße” entgegen. Ständig sind Wege durch Falschparker versperrt und man wird trotz Tempo 20-Zone zu eng überholt.
Niemand, der diese Route schon mal mit dem Fahrrad gefahren ist, würde sie als “kürzere und besser Strecke” bezeichnen. Auch nicht Herrn Loos’ Nachbarn.