Heiß diskutiert wurden ja auch seit Monaten die Abrisse am Plagwitzer Bahnhof, wo zwar der „Bürgerbahnhof Plagwitz“ floriert und die von der Stadt erworbenen Grundstücke so langsam begrünt werden. Aber die Teile mit den Güterschuppen hat die Bahn ja an privat verkauft und auch die Linksfraktion befürchtet, dass hier mehr versiegelt wird als gewünscht.
Die Bürger vor Ort – insbesondere die Bürgerinitiative Bürgerbahnhof Plagwitz – kämpfen vehement darum, mehr Freiflächen auch im Bebauungsplanverfahren zu sichern, haben aber Angst, dass das B-Planverfahren scheitert. Und dann?
Noch am 11. Oktober wandte sich die Bürgerinitiative direkt mit einem Schreiben (siehe unterm Text) an alle Fraktionen und untermauerte das Anliegen, das die Linksfraktion mit einem Antrag in die Ratsversammlung gebracht hatte.
„Der Oberbürgermeister legt dem Stadtrat bis Ende des 3. Quartals 2022 eine Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht für das Gebiet der nichtstädtischen Flächen des Bebauungsplans 380.1 ‚Grüner Bahnhof Plagwitz, Nordteil‘ vor“, hatte die Linksfraktion beantragt.
Und es so begründet: „Die Diskussion um den durch die Verwaltung avisierten gewerblichen Teil des B-Plans 380.1 des Grünen Bahnhofs Plagwitz führt dazu, mögliche kommunale Flächenbedarfe zu sichern. Um etwaige benötigte Flächen zu sichern, soll dem Stadtrat eine Vorkaufsrechtvorlage zur Beschlussfassung vorgelegt werden.“
Auf Nummer sicher?
Für den Antrag warb an diesem 12. Oktober Linke-Stadtrat Matthias Weber. Immerhin hat die Stadt bei anderen wertvollen Flächen im Stadtgebiet schon viele negative Erfahrungen gesammelt.
Da wurden zäh ausgehandelte Verträge zur Gestaltung der Flächen mit ihren Eigentümern einfach dadurch schon wertlos, dass die Eigentümer gar nicht bauen wollten, sondern die Flächen einfach weiterverkauften, sodass die Stadt wieder von vorn verhandeln musste, um öffentliche Freiflächen zu sichern.
Das vermutet Weber zwar für Plagwitz nicht. Aber ein Vorkaufsrecht wäre auch kein Handicap, betonte er. Denn wenn Stadt und Eigentümer im B-Planverfahren zu einem Ergebnis kommen, das beide akzeptieren können, braucht es ja kein Vorkaufsrecht.
Die Grünen sahen den Vorstoß der Linksfraktion durchaus positiv. Aber das Vorkaufsrecht könne man auch im B-Planverfahren sichern und festschreiben, erklärte Grünen-Stadträtin Kristina Weyh.
Weshalb den Grünen auch die Stellungnahme der Stadt akzeptabel erschien. Das Stadtplanungsamt hatte darin geschrieben:
„Die Aufstellung der im Antrag geforderten Satzung wird abgelehnt, da das Vorkaufsrecht mangels konkreter städtebaulicher Maßnahmen voraussichtlich nicht ausgeübt werden könnte. Die angestrebte Flächensicherung für mögliche kommunalen Bedarfe (z. B. Erweiterung der öffentlichen Grünflächen) ist jedoch Gegenstand der mit dem Grundstückseigentümer zu führenden Verhandlungen zur Fortsetzung des B-Planverfahrens Nr. 380.1 (s.a. VII-A-06731).“
Just darauf wollten sich ja die Linken nicht verlassen. Die Skepsis bleibt, auch wenn die Stadtratsmehrheit an diesem Tag sehr viel Vertrauen darein zeigte, dass die Stadt mit dem Eigentümer tatsächlich zu einem akzeptablen Bebauungsplan kommt, in dem die für den öffentlichen Bedarf benötigten Flächen und das nötige Grün gesichert sind.
Der Linke-Antrag jedenfalls bekam mit 16:26 Stimmen keine Mehrheit. Die Grünen hatten schon vorher angekündigt, dass sie sich enthalten wollten.
Das Schreiben der Bürgerinitiative Bürgerbahnhof Plagwitz vom 1. Oktober an die Stadtratsfraktionen geben wir hier noch in voller Länge zum Lesen.
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Stellungnahme der Bürger/-inneninitiative „Bürgerbahnhof Plagwitz erhalten“
Liebe Stadträtin, lieber Stadtrat der Stadtratsfraktionen
der „Fraktion Die Linke“, „Fraktion Bündnis 90/Die Grünen“ und der „SPD-Fraktion“,
in der Ratsversammlung am Mittwoch, dem 12.10.22 haben Sie den Antrag „Vorkaufsrecht für den Bahnhof Plagwitz“ auf der Tagesordnung.
Wir, die Bürger:inneninitiative „Bürgerbahnhof Plagwitz erhalten“, befürworten den Antrag und wollen hiermit kurz zum Verwaltungsstandpunkt Stellung beziehen, in der Hoffnung, dass Sie dies in Ihrer Entscheidung berücksichtigen werden.
1. Vorkausfrecht != Vorkaufspflicht
Zuallererst die Frage: Wem würde ein Vorkaufsrecht an dieser Stelle schaden? Der Verwaltungsstandpunkt beschreibt die Situation so, dass die Stadt mit einem Vorkaufsrecht nun dazu verpflichtet wäre, das Gebiet zu erwerben. Das ist nicht der Fall: Die Stadt würde sich aber eine zusätzliche Handlungsmöglichkeit schaffen.
Die Gespräche mit der derzeitigen Eigentümerin Lewo können trotzdem weiter geführt werden. In der Vergangenheit wurden jedoch Grundstücke (mit oder ohne Wissen der Stadtverwaltung?) in Leipzig oft weiter verkauft – ohne, dass die Stadt aktiv geworden wäre. Wir haben den Wunsch, diese Praxis z. B. durch ein Vorkaufsrecht unterbunden zu wissen.
2. Schutz von Eigentum
Vonseiten der Stadtverwaltung hören wir immer wieder das Argument des Eigentumsrechts. Sie kennen das zur Genüge! Dieses mag hierzulande hohe Priorität haben, jedoch sollte man bedenken, dass immer weniger Menschen immer mehr besitzen und man nicht davon ausgehen kann, dass die Eigentümer:innen im Sinne der Bürger:innen dieser Stadt agieren, sondern Eigentum primär mit rentablen Geschäften verwechseln.
Das „Privatinteresse“ einer Investorin steht in diesem Fall den Interessen von tausenden Nutzer:innen des Geländes gegenüber! Die hohe Anzahl an Stellungnahmen (laut Aussage einer Verwaltungsangestellten gab es in der neueren Geschichte lediglich mehr Stellungnahmen zu einem B-Plan zum Flughafen) spiegelt das öffentliche Interesse wider!
Die ebenfalls schwerwiegenden ökologische Interessen wurden mittels der Ihnen bekannten Petition von BUND sowie in der Stellungnahme des Ökolöwen ausführlich dargestellt.
3. Stadtgesellschaftliche Bedürfnisse
Im 2. Absatz des Verwaltungsstandpunktes fragt das Dezernat „Stadtentwicklung und Bau“ nach den „tatsächlichen Bedürfnissen“ der Stadt. Dies fühlt sich für die Bürger:inneninitiative wie ein Schlag ins Gesicht an! Wir möchten an den *Klimanotstand Leipzig* erinnern.
Dazu suchen Sie bitte in der Übersichtskarte der „Stadtklimaanalyse Leipzig“ das Gebiet des ehemaligen Güterbahnhofs Plagwitz. Sie werden entdecken, dass schon jetzt im betroffenen Gebiet extreme Temperaturen gemessen werden, was sich durch eine Bebauung verschlimmern würde.
Weitere Bedürfnisse betreffen Versickerungsflächen, Grünflächenbestand, Bedarf nach öffentlichen Freiflächen und Parks, den Abgleich mit den Zielen des „INSEK Leipzig 2030“ und neu geschaffenen städtebaulichen Instrumenten wie z.B. dem „Konzeptvergabeverfahren“.
4. Wettstreit zwischen privaten Entwicklungszielen und öffentlichen Interessen
Auf Seite 5 des Verwaltungsstandpunktes steht: „Denn letztlich ist das die Ausübung des Vorkaufsrechtes rechtfertigende ‚Wohl der Allgemeinheit‘ ein qualifiziertes objektives Interesse (der planenden Stadt) als das Ergebnis einer Abwägung der miteinander in ‚Wettstreit‘ stehenden privaten Entwicklungsziele und öffentlichen Interessen.“
Das Ziel der Bürgerinitiative ist es, dem schwindenden Öffentlichen Raum – in diesem Fall in Plagwitz – etwas entgegenzusetzen. Uns ist bewusst, dass auf dem Gesamtareal bis nach Kleinzschocher in den letzten Jahren viel geschaffen wurde. Aber
1. sollte man diese zusätzlichen Flächen mindestens ins Verhältnis setzen zu den schwindenden Freiflächen in den angrenzenden Bezirken Plagwitz, Kleinzschocher und Lindenau.
2. empfinden wir es als verzerrte Darstellung, dass ehemalige Flächen der „Deutschen Bahn“, die durchaus als bereits öffentliche Flächen betrachtet werden könnten, nun als „neue“ öffentliche Flächen dargestellt werden.
Uns geht es um die Schaffung von tatsächlichem öffentlichen Raum und nicht um eine nur 60%ige Bebauung einer Fläche.
5. Vorkaufsrecht als Exitstrategie für die Eigentümerin
Zu guter Letzt kann man ein Vorkaufsrecht auf der Fläche auch als Vorteil für die jetzige Eigentümerin betrachten. Falls ein B-Planverfahren auf dem Teilgebiet scheitert, dürfte die Lewo nie bauen. Ein Vorkaufsrecht der Stadt Leipzig könnte sie dann nutzen, um ein Verlustgeschäft auszugleichen.
*Melden Sie sich (vor oder nach der Ratsversammlung) gerne bei uns mit weiteren Fragen!* Wir wünschen Ihnen eine interessante, kurzweilige Ratsversammlung und hoffen, dass Sie diese Argumente und Bedürfnisse der Bürger:innen vor Ort berücksichtigen werden. Wir verfolgen die Versammlung mit großem Interesse!
Herzliche Grüße
Bürger/-innen aus dem Leipziger Südwesten und angrenzenden Stadtbezirken
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