Am Ende ließ Thomas Nörlich vom Stadtbezirksbeirat Leipzig-Mitte zwar den Verwaltungsstandpunkt abstimmen. Aber vorher las er Leipzigs Verkehrsverwaltung noch einmal die Leviten am Mittwoch, dem 12. Oktober, als es im Stadtrat um ein kurzes Stück Radweg an der Eutritzscher Straße ging. 150 Meter lang, eigentlich ohne viel Aufwand in einen Pop-up-Radweg zu verwandeln.

Doch genau das erschien Leipzigs Verkehrsplanern zu aufwendig. Obwohl das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) dem Antrag des Stadtbezirksbeirates völlig zustimmte: „Die Verwaltung teilt die Auffassung der Antragsteller, dass der vorhandene bauliche Radweg in der Eutritzscher Straße in seiner Netzfunktion und seiner tatsächlichen Nutzung weder den Anforderungen an die aktuellen verkehrsrechtlichen Anforderungen der StVO, noch denen einer modernen, anforderungsgerechten Radverkehrsplanung entspricht.

Die Radwegbenutzungspflicht für die baulich vorhandenen Radwege kann daher nicht aufrechterhalten werden und es sind Änderungen erforderlich. Allerdings bedarf die Radverkehrsführung in der Eutritzscher Straße zusammen mit der Weiterführung in der Gerberstraße einer Gesamtbetrachtung, die bereits in Arbeit ist.“

Vorbild beim westlichen Nachbarn

Der vorhandene Radweg ist zu schmal. Und damit zu gefährlich. Der Radverkehr gehört zwischen Pinkertstraße und Berliner Straße auf die Fahrbahn.

Aber hier erlebte der Stadtbezirksbeirat Mitte, was auch andere Antragsteller schon erlebt haben: So einfach wie in Paris geht das in Leipzig nicht.

Paris führte Nörlich in seiner kurzen Rede am 12. Oktober als Beispiel an. Denn die Hauptstadt von Frankreich hat es in der Corona-Zeit vorgemacht und nicht nur ein paar Pop-up-Radwege eingerichtet, damit die Bürger schnell mal aufs Fahrrad wechseln können. Sondern 650 Kilometer Radwege in der Innenstadt neu ausgewiesen. Nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft. Tausende Pariser sind aufs Rad umgestiegen. Und sie honorieren das auch noch. 2020 wurde die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die Paris seit 2014 umkrempelt, in ihrem Amt bestätigt.

Natürlich hat sie begriffen, dass man Veränderungen erst einmal umsetzen muss, damit die Bürger erleben, wie sich dann die Dinge verändern. Wenn man zögert und zaudert und ständig andere Ausreden vorbringt, werden auch die Bürger verunsichert und all jene gestärkt, die alles beim Alten lassen wollen. Also in diesem Fall bei der Mehrspurigkeit für den motorisierten Verkehr auf der Eutritzscher und zu wenig Platz für den Radverkehr.

Oder doch nicht?

„Schritt in die richtige Richtung“

Nörlich jedenfalls warf der Verwaltung abstrakte und theoretische Ausflüchte vor, mit denen sie eine sofortige Anlage eines Radstreifens auf der Fahrbahn ablehnte. So großartig, wie im Verwaltungsstandpunkt erklärt, würde sich an der Ampelschaltung nichts ändern. Er wünschte sich in seiner kurzen und knackigen Rede von Leipzigs Verwaltung „mehr Mut zu grundlegenden Veränderungen“. Auch wenn er den Verwaltungsvorschlag als „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnete.

Ein Ton, der dann im Lauf der Ratsversammlung auch noch in anderen Reden anklingen würde. Irgendwie verliert sich die Verwaltung gerade in der Verkehrspolitik in lauter Klein-klein, während der große Atem, das Verkehrssystem tatsächlich einmal umweltfreundlich umzukrempeln, fehlt.

Wie sieht der „Schritt in die richtige Richtung“ aus?

„Ohne Überarbeitung der Lichtsignalanlage und Berücksichtigung des Radverkehrs in der Steuerung und in den Zwischenzeiten kann die Verkehrssicherheit für den Radverkehr nicht gewährleistet werden. Der Entfall einer Kfz-Fahrspur zugunsten eines stadteinwärtigen Radfahrstreifens erfordert eine Neuberechnung dieser Zwischenzeiten, da sich die Lage der Konfliktpunkte zum Rechtsabbiegeverkehr in die Parthenstraße ändert. Diese neuen Zwischenzeiten haben wiederum Auswirkungen auf die gesamte Steuerung der Lichtsignalanlage, die wie ausgeführt in diesem Zusammenhang zu überarbeiten wäre“, schildert es der Verwaltungsvorschlag.

„Die Lichtsignalanlage Berliner Straße/Gerberstraße ist zur Überarbeitung vorgesehen. Wie oben beschrieben ist dabei neben der Einordnung eines durchgehenden stadteinwärtigen Radfahrstreifens auch die Einordnung eines durchgehenden stadtauswärtigen Radfahrstreifens sowie die Änderung der Fahrspuraufteilung in der Berliner Straße zur Schaffung von durchgehenden Radverkehrsanlagen beabsichtigt. Wie ebenfalls oben beschrieben ist zur Einordnung des stadtauswärtigen Radfahrstreifens im Vorfeld eine Verkehrsuntersuchung erforderlich, in der der Entfall einer Rechtsabbiegespur oder einer Geradeausfahrspur in der Gerberstraße zu prüfen ist und die Auswirkungen auf den Gesamtablauf der Lichtsignalanlage ermittelt werden. Die Verkehrsuntersuchung ist für 2022 vorgesehen, daran anschließend dann die Umprogrammierung der LSA.“

Die kuriose Enthaltung der CDU

Und das Ganze soll dann irgendwann umgesetzt werden: „Verkehrsuntersuchung und Erarbeitung der Radverkehrsführung 2022/23 sowie zeitliche Einordnung der Umsetzung über das in Fortschreibung befindliche Aktionsprogramm Radverkehr 2023/24“, heißt es höchst schwammig in der Stellungnahme aus dem VTA. Während dort gleichzeitig als Beschlussvorschlag zu lesen steht: „Der Alternativvorschlag der Verwaltung empfiehlt die Realisierung eines verkehrssicheren permanenten Radfahrstreifens in 2023.“

Also doch schon 2023?

Da kann man jetzt gespannt sein. Denn tapfer empfahl Thomas Nörlich den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung. Das Ergebnis war eindeutig: 35 Stadträtinnen und Stadträte stimmten dafür, neun stimmten dagegen. Die CDU-Fraktion enthielt sich mit einer kuriosen Begründung der Stimme. Denn sie wollte lieber eine Radverkehrslösung über die Kurt-Schumacher-Straße, wie CDU-Stadträtin Sabine Heymann vorschlug. Was nun tatsächlich nicht der direkte Weg in die City ist. Auch nicht aus Radfahrersicht.

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