Der Ratsholzdeich in der Leipziger Südaue ist ein schönes Beispiel dafür, wie Ämter und Behörden in Sachsen miteinander pokern, jeder und jedes bemüht, ja nichts aus der Hand zu geben. Obwohl eigentlich Konsens sein müsste, dass sich in der Leipziger Aue gewaltig etwas ändern muss, wenn der Auwald gerettet werden soll. Eine Antwort im Leipziger Stadtrat unterscheidet sich ein wenig von einer aus dem Sächsischen Landtag.
Im Leipziger Stadtrat hatte die Linksfraktion angefragt, wie es um die Ausgleichsmaßnahmen im südlichen Auwald steht. Denn dort steht ja der Ratsholzdeich, der auf Antrag der Landestalsperrenverwaltung (LTV) in seinem nördlichen Teil entwidmet wurde, also nicht mehr als Deich zählt.
Trotzdem ist er seitdem gesperrt für Fußgänger, Radler und Jogger. „Betreten verboten!“, steht auf einem Schild an der Schranke, die inzwischen die provisorischen Bauzäune abgelöst hat.
In der Antwort im Landtag hatte Umweltminister Wolfram Günther auch den Grund genannt, warum die LTV hier absperrt: das alte Obere Paußnitzsiel, das nicht mehr sicher sei und eigentlich zurückgebaut werden soll.
Aber Aktivitäten, es tatsächlich zurückzubauen, sind nicht in Sicht.
Und den Rückbau des nördlichen Ratsholzdeiches bietet die LTV auch nicht an als Ausgleichsmaßnahme für die 2011 und 2012 gefällten Bäume im Auensystem.
Stadtratsbeschluss noch ohne Folgen
In ihrer Anfrage im Leipziger Stadtrat war die Linksfraktion darauf noch einmal eingegangen.
„In den Jahren 2011/2012 wurden im Leipziger Auensystem auf einer Länge von 23 Kilometern hinter dem Ratsholzdeich hunderte Bäume als ‚Gefahrenabwehrmaßnahme‘ von der Landestalsperrenverwaltung (LTV) gefällt. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage des heutigen Staatsministers Günther (6/14482) heißt es dazu, dass Ausgleichsmaßnahmen in Höhe von mehr als 7 Millionen Wertpunkten zu erbringen sind. Von diesen waren 2018 gerade einmal 2,79 Millionen erbracht. Auch heute besteht laut Stadt Leipzig noch ein Defizit von ca. 4,4 Millionen Wertpunkten. Doch über die dafür umzusetzenden Maßnahmen besteht zwischen dem Freistaat und der Stadt Leipzig Uneinigkeit“, kann man darin lesen.
„Der Freistaat errichtete einen Deichdurchlass für ein Hochwasser, wie es im Schnitt alle 25 Jahre vorkommt. Die Stadt fordert hingegen Maßnahmen auch für das einjährige Hochwasser. Im April letzten Jahres erreichte der Streit einen neuen Höhepunkt, als die LTV den beliebten Weg auf dem Deich nach dessen Entwidmung für die Allgemeinheit mit Baustellenzäunen sperren ließ, da dieser nun nicht mehr betriebsnotwendig sei. Inzwischen sind diese Zäune durch festinstallierte Schranken ersetzt.
Die Stadt Leipzig verweist hingegen darauf, dass der Weg sich noch immer im Eigentum der LTV befindet. Mit dem Beschluss ‚Startschuss für Jogger und Naturschutz!‘ (VII-A-02676-NF-02) stärkte der Stadtrat der Stadt den Rücken.“
Die Stadt verhandelt trotzdem
Nur scheint zumindest auf Landesebene gerade alles zum Stillstand gekommen zu sein. Aber vielleicht trügt das auch. Denn das Amt für Umweltschutz gibt zwar dieselbe Liste an Ausgleichsmaßnahmen heraus, die auch das Umweltministerium ausgegeben hat.
Aber da ist noch ein Passus, der eine neue Geschichte erzählt.
„Das Amt für Umweltschutz (in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer und dem Liegenschaftsamt) und die LTV vereinbarten Anfang 2022 eine Fokussierung auf eine Umsetzung der ‚großen‘ Kompensationsmaßnahmen, um möglichst zügig einen möglichst umfassenden Durchbruch zu erzielen“, schreibt das Amt für Umweltschutz in Antwort auf die Linke-Anfrage im Leipziger Stadtrat.
„Hierbei handelt es sich um die Maßnahmen ‚Dynamische Aue Ratsholz (Au 1 S)‘, ‚Redynamisierung Möckernscher Winkel (Au 1)‘ und ‚Grünlandentwicklung Pfingstanger (Grün 1.1)‘.“
Alle drei Maßnahmen nennt auch das Umweltministerium.
Aber was dann folgt, wollte die Staatsregierung dann vielleicht doch nicht verraten: „Darüber hinaus laufen Abstimmungen mit der LTV über eine von diesem Maßnahmenpaket unabhängige Umsetzung einer weiteren (Ökokonto-)Maßnahme durch die LTV: ein Wegerückbau samt Waldmantelentwicklung im Bereich des Ratsholzdeiches (Neuplanung).“
Also genau das, was hier wirklich wieder mehr Wasser in die Südaue bringen kann – bei jedem Hochwasser. Und das müsste dann natürlich zwangsläufig im zweiten Teil des Auenentwicklungskonzepts auftauchen, der sich der Südaue widmen soll.
Zum Jahreswechsel 2022 / 2023 soll ja der erste Teil zur Nordwestaue fertig sein, in welchem die beiden Maßnahmen „Redynamisierung Möckernscher Winkel“ und „Grünlandentwicklung Pfingstanger“ nur den Anfang darstellen können.
Keine Kommentare bisher