Eigentlich wollte Linke-Stadtrat Michael Neuhaus erst einmal nichts weiter unternehmen, denn an der Sachlage hat sich seit einem Jahr nichts geändert: Die Landestalsperrenverwaltung (LTV) hat eigenmächtig den Weg auf dem Ratsholzdeich gesperrt, nachdem sie 2019 bei der Landesdirektion die Entwidmung dieses Deiches beantragt hatte. Doch wo vorher nur Sperrgitter standen, stehen seit diesem Sommer sogar stabile Schranken: „Betriebsweg. Betreten und Befahren verboten!“
So leicht macht es sich eine Landesbehörde, die zwar beim Bäumefällen schnell dabei ist, aber wenn es um den Rückbau von Deichen geht, tut sie sich schwer. Denn der nördliche Ratsholzdeich wird nicht mehr gebraucht. Da sind sich Stadt und Landestalsperrenverwaltung einig. Er könnte jetzt einfach zurückgebaut werden und es ermöglichen, dass auch kleinere Hochwasser in die Probstei und in den Beipert fließen können.
Dazu müssten nur einige alte Fließe wieder gesäubert werden, damit das Wasser sich nicht staut, sondern tatsächlich der natürliche Aueneffekt entsteht, bei dem kurzzeitige Überflutungen eine ganze zentrale Rolle für den Baumbestand in der Aue haben.
Und so hat es Leipzigs Umweltverwaltung der Landestalsperrenverwaltung auch angetragen, als diese vor einem Jahr auf einmal meinte: Wenn der Deich schon mal entwidmet ist, geben wir ihn einfach der Stadt und haben dann damit nichts mehr zu tun.
Aber Leipzigs Verwaltung sträubte sich mit guten Gründen, den Weg einfach so zu übernehmen. Denn dann wäre sie gleich mal für die Wegesicherung zuständig – aber will den Deich gar nicht haben. Das Umweltdezernat sieht hier sogar eine einmalige Chance, dass die Landestalsperrenverwaltung wieder kompensiert, was sie 2011 mit ihren ausufernden Baumfällungen an den Deichen in der Elsteraue angerichtet hat.
Zur Erinnerung: An 23 Kilometer Deich in der Elsteraue hat die LTV damals die Bäume gefällt – darunter viele wertvolle Biotopbäume. Ein massiver Eingriff in den Auwald, den die LTV eigentlich kompensierten müsste durch neue Baumpflanzen.
Aber erst 40 Prozent der damals gefällten Bäume hat die LTV bis heute kompensiert. Was dafür gepflanzt wurde, ist in einer Antwort von 2018 an den damaligen Grünen-Abgeordneten Wolfram Günther aufgeführt.
Deichweg jetzt Betriebsgelände?
Der Rückbau des nördlichen Ratsholzdeiches und die Freilegung der Fließe im Ratsholz könnten aus Sicht des Leipziger Umweltdezernats den Rest der Kompensation abdecken.
Aber augenscheinlich sträubt sich die Landestalsperrenverwaltung, genau das zu tun. Das Ergebnis ist die geradezu obskure Sperrung des Deichweges.
Am Freitag, 2. September, nutzte Michael Neuhaus die Gelegenheit, nicht nur die schöne neue Schranke zu bewundern, die die LTV da aufgestellt hat (drei weitere finden sich im Südteil des Weges), sondern auch ein paar Schilder der Linksfraktion neben das Verbotsschild der LTV zu hängen, welches Radler, Jogger und Gassigeher genauso ignorieren wie zuvor die Bauzäune. Denn die Wegsperrung ergibt nur für einen Sinn: die LTV, die gern alle Verantwortung für Weg und Deich von sich weisen würde.
„Seit mehr als einem Jahr wundern sich die Leipzigerinnen und Leipziger über die Sperrung des Weges auf dem Ratsholzdeich am Elsterflutbett. Im Zuge der Flut von 2011/2012 hat die Sächsische Landestalsperrenverwaltung im südlichen Auwald hinter dem Deich, auf dem ihr steht, massive Abholzungen auf 23 Kilometern Länge vorgenommen. Mehr als die Hälfte des Ausgleichs durch das Land Sachsen steht noch aus“, fasst die Linksfraktion den Vorgang aus ihrer Sicht zusammen.
„Eine geeignete Ausgleichsmaßnahme wäre das Projekt ‚Dynamische Aue‘. Die Pläne dafür liegen bereits in der Schublade. Doch die LTV weigert sich, das Projekt umzusetzen. Sie will sich von den Ausgleichsmaßnahmen freikaufen. Die Stadt soll die Maßnahmen durchführen. Die Leipziger Stadtverwaltung lehnt das ab. Sie besteht darauf, dass der Ausgleich für die Baumfällungen vom Land durchgeführt werden.“
Auch in der Südaue vertrocknen Bäume
Wobei Neuhaus darauf hinweist, dass das Projekt „Dynamische Aue“ schon läuft und die Entfernung des Deiches noch gar nicht beinhaltet. Aber im Auenentwicklungskonzept für den südlichen Auwald wird es ganz bestimmt auftauchen. Denn erst, wenn der Deich hier komplett entfernt wurde, können auch kleinere Hochwässer in die Aue fließen und dort helfen, den Wasserhaushalt zu verbessern.
Denn Fakt ist auch – da genügt der regelmäßige Blick nach oben – dass auch der Auwald längst massiv unter Wassermangel leidet. Auch im Beipert und in der Probstei sieht man die vertrockneten Bäume. Nichts ist so dringend wie die Wiederherstellung einer offenen Aue, wenn Sachsens Auwälder noch gerettet werden sollen.
Mit Genehmigung der Landesdirektion hat die LTV zwar den Deich entwidmet. Aber dann wollte sie den nächsten Schritt nicht tun.
„Der Weg wurde mit Bauzäunen versperrt. Nachdem Bürger/-innen ihn immer wieder zur Seite geräumt hatten, folgte eine Schranke“, stellt die Linksfraktion fest, die auf ihren roten Warnschildern an der Schranke die berechtigte Frage stellt: „Realer Irrsinn?“.
Die berechtigte Frage nach den Ausgleichsmaßnahmen
Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hat auch eine Anfrage gestellt, wie es mit den Ausgleichsmaßnahmen der LTV inzwischen eigentlich aussieht.
„In den Jahren 2011/2012 wurden im Leipziger Auensystem auf einer Länge von 23 Kilometern hinter dem Ratsholzdeich hunderte Bäume als ‚Gefahrenabwehrmaßnahme‘ von der Landestalsperrenverwaltung (LTV) gefällt. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage des heutigen Staatsministers Günther (6/14482) heißt es dazu, dass Ausgleichsmaßnahmen in Höhe von mehr als 7 Millionen Wertpunkten zu erbringen sind. Von diesen waren 2018 gerade einmal 2,79 Millionen erbracht“, heißt es darin.
„Auch heute besteht laut Stadt Leipzig noch ein Defizit von ca. 4,4 Millionen Wertpunkten. Doch über die dafür umzusetzenden Maßnahmen besteht zwischen dem Freistaat und der Stadt Leipzig Uneinigkeit.“
Gebaut wurde am Ratsholzdeich aber nur ein Deichdurchlass: „Der Freistaat errichtete einen Deichdurchlass für ein Hochwasser, wie es im Schnitt alle 25 Jahre vorkommt. Die Stadt fordert hingegen Maßnahmen auch für das einjährige Hochwasser. Im April letzten Jahres erreichte der Streit einen neuen Höhepunkt als die LTV den beliebten Weg auf dem Deich nach dessen Entwidmung für die Allgemeinheit mit Baustellenzäunen sperren ließ, da dieser nun nicht mehr betriebsnotwendig sei. Inzwischen sind diese Zäune durch festinstallierte Schranken ersetzt. Die Stadt Leipzig verweist hingegen darauf, dass der Weg sich noch immer im Eigentum der LTV befindet. Mit dem Beschluss ‚Startschuss für Jogger und Naturschutz!‘(VII-A-02676-NF-02) stärkte der Stadtrat der Stadt den Rücken.“
Eine ähnliche Anfrage hat die Linksfraktion auch im Sächsischen Landtag gestellt.
Doch statt mit der Stadt den Rückbau des Deiches einzuleiten, hat die LTV lieber vier feste Schranken aufgebaut, um den Spaziergängern, Joggern und Radfahrern zu signalisieren, dass sie ihre Verantwortung für den Weg erledigt sieht, es aber trotzdem noch „Betriebsgelände“ ist, jeder Passant also scheinbar den Betriebshof der LTV betritt. Ein in sich geradezu widersprüchliches Bild, das aber deutlich anerkennt, dass die Stadt Leipzig recht hat mit ihrer Haltung, dass der Deich samt Weg immer noch der LTV gehört.
Mit den am Freitag angebrachten Hinweistafeln will die Linksfraktion „die Bürger/-innen zusätzlich auf die Problematik an der beliebten Joggingstrecke hinweisen.“ Außerdem hat die Fraktion noch einen Antrag eingereicht mit der Forderung, dass das Land seiner Ausgleichspflicht nachkommt.
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Das ist wirklich eine ebenso nervige wie unwirksame Sperrung. Aber als Alternative Rückbau des ehemaligen Deiches inkl. der darauf befindlichen Großbäume? Und das als Ausgleichsmaßnahme? Scheint mir auch nicht so schlüssig. Und wenn der ehemalige Deich entfernt wird, ist ja der Weg dann auch weg. Warum übernimmt nicht die Stadt den Weg? Oder habe ich etwas falsch verstanden?