Eigentlich möchten sich die meisten Leipzigerinnen und Leipziger, wenn sie an die Seen im Südraum fahren, nur erholen. Aber das ist an vielen Stellen gar nicht mehr möglich, weil es auch dort wieder nur laut und lärmend ist, wie Aaron Weinelt feststellen musste, als er am Nordstrand des Cospudener Sees ein bisschen Entspannung suchte. Auf seine Einwohneranfrage hin teilt ihm die Stadt nun mit, dass man den Lärm bis ins Technische Rathaus jedenfalls noch nicht gehört hat.
Denn dort sitzt das Amt für Stadtgrün und Gewässer, das auf die Einwohneranfrage geantwortet hat. Und zwar vom Schreibtisch aus, wie jede einzelne Antwort auf Aaron Weinelts Fragen merken lässt.
Wobei das Amt für Stadtgrün und Gewässer so nebenbei auch anmerkt, dass der Nordstrand nie als Partylocation vorgesehen war, sondern nur für niedrigschwellige Gastronomie, bei der sich die Badelustigen versorgen können.
Umwelt und Erholung bleiben auf der Strecke
Aber ein neuer Pächter scheint das etwas anders zu sehen, wie Weinelt feststellte: „Am nördlichen Ufer des Cospudener Sees wurde im letzten Jahr ein neuer Gastronomie-Betrieb eröffnet. Der gesamte Bereich von der Uferlinie bis hinauf zur Hütte für den Ausschank ist nun in Gebrauch für die fest installierten Hängematten, und Holzgestelle für Matratzen. Der gesamte Strandabschnitt wird davon dominiert und sogar der angestammte FKK- Hügel musste nun baulich abgetrennt werden, damit die verschiedenen Interessen nicht kollidieren. Die Betreiber des ‚Heiter, blau und sonnig‘ versuchen, mit facebook-Werbung die Plätze zu füllen.
Die Kapazitäten haben sie dafür extra noch einmal deutlich erhöht. Dafür wurde die Wiese mit Sand überschüttet (was an einem Baggersee, wo genügend Sand vorhanden ist, schon grotesk anmutet). Nicht nur, dass im letzten Jahr offensichtlich schon VOR Erteilung einer Baugenehmigung gebaut wurde; es stellen sich auch Fragen zum Umweltschutz und Erholungswert für die angrenzende Uferzone. Die beiden Halbinseln, zwischen denen der Strandclub nun liegt, sind ein Refugium für verschiedenste Vogelarten.“
Untätigkeit der Behörde
Auf seine wesentliche Frage zu den auffälligen baulichen Veränderungen bekam er schon mal gar keine Antwort. Das Amt, das hier Stellung nahm, wich einfach elegant aus: „Vor Neuerrichtung der Servicestation 2 wurde ein umfassendes Baugenehmigungsverfahren durchgeführt. Im Zuge dessen wurden sämtliche einschlägigen Vorschriften geprüft und berücksichtigt. Dies gilt auch und im besonderen Maße für artenschutzrechtlichen Bestimmungen. Über den gewöhnlichen Gebrauch hinausgehende Veranstaltungen werden individuell beantragt und deren (auch artenschutzrechtliche) Zulässigkeit einzelfallweise geprüft.
Sollte eine Vereinbarkeit mit den Schutzzwecken des Landschaftsschutzgebietes ‚Leipziger Auwald‘ und auch artenschutzrechtlichen Vorgaben nicht gegeben sein, so wird die Veranstaltung abgelehnt (wie z. B. dieses Jahr das ‚Burning Bird‘). Sollte eine Nutzung des Nordstrandes die Grenzen bereits genehmigter Veranstaltungen überschreiten und der Artenschutz gem. § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz betroffen sein, so wird eine ordnungsrechtliche Überprüfung eingeleitet.“
Was ja im Klartext heißt: Kein einziger Mitarbeiter des Amtes hat sich nach der Einwohneranfrage auch nur die Mühe gemacht, mal zum Nordstrand des Cospudener Ses zu fahren und die Sache zu prüfen.
Also wird auch nichts eingeleitet.
Wenn und falls, dann würden wir
Und auch die Auswirkungen der Veranstaltungen überprüft niemand. „Liegen hier explizite Genehmigungen für die ruhestörenden Aktivitäten vor? Werden diese im Einzelfall erteilt oder darf das Unternehmen nach eigenem Gusto jederzeit die Ruhe stören?“, hatte Weinelt gefragt.
Die Antwort vom sicheren Schreibtisch aus: „Für Lärmimmissionen in einem Landschaftsschutzgebiet sind keine gesonderten Lärmpegel / Immissionsrichtwerte festgelegt. Als unverbindlicher Anhaltspunkt bzw. im Rahmen einer Planung können die Orientierungswerte der DIN 18005 für Parkanlagen analog herangezogen werden. Auf dieser Grundlage erfolgt auch die Kommunikation mit der Pächterin und der Unterpächterin.“
Und auch auf die nächste Frage von Aaron Weinelt gibt es nur ausweichende Floskeln. Gefragt hatte Weinelt: „Wie ist es zu rechtfertigen, dass ein einzelnes Unternehmen mit Lärm und baulichen Eingriffen in die Uferzone Werbung für seine Geschäftstätigkeiten machen darf, ohne dass hier ein gesamtgesellschaftlicher Mehrwert jenseits der Umsatzgenerierung für die Betreibergesellschaft zu erwarten ist?“
So etwas nennt man dann wohl die Kommerzialisierung eines Allgemeingutes, eines öffentlichen Strandes in diesem Fall.
Aber im Amt sieht man gar keinen Grund dafür, sich um die Sache zu kümmern: „Für den gesamten Bereich des Nordstrandes Cospuden wurde im Rahmen der Expo 2000 ein Gesamtkonzept vorgelegt, welches verteilt auf insgesamt sechs Servicestationen die Vorhaltung eines niedrigschwelligen gastronomischen Angebotes vorsieht, um die Attraktivität der Landschaft – auch zur Steigerung einer touristischen Nutzung – zu erhöhen. Für eine naturnahe Erholung sind die vorrangig die Bereiche des West- und des Südstrandes vorbehalten. Die Lenkung von Besucherströmen ist bis heute ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzeptes am Cospudener See.“
Das mit der „naturnahen Erholung“ ist schlichtweg Ablenkung, denn sowohl West- wie Südstrand sind für Badelustige gar nicht zugänglich. Dafür ist der Nordstrand da. Aber der wird jetzt augenscheinlich stückweise kommerzialisiert.
Sollte es Belege geben, dann …
Und so fragte Weinelt noch: „Ist es angedacht, den Betrieb an dieser Stelle zu überprüfen und ggf. zu einzuschränken oder zu untersagen, falls artenschutzrechtliche Bestimmungen bzw. gemeinwohlrelevante Erfordernisse verletzt werden?“
Aber das wäre wohl zu viel verlangt. Da müsste man ja mal vom Schreibtisch aufstehen und rausfahren.
Also antwortet das Amt trocken und in großem Bogen ausweichend: „Sollte es Belege dafür geben, dass eine Verletzung von Artenschutzrecht nach § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz droht oder bereits eingetreten ist und sollten anerkannte Schutzmaßnahmen eine solche Verletzung nicht abwenden können, so werden geeignete Maßnahmen getroffen oder ggf. angeordnet, die das verhindern.“
Da muss dann wohl erst ein Rechtsanwalt mit einem Stapel beglaubigter Beweise ins Technische Rathaus spazieren, bis sich der zuständige Sachbearbeiter bemüßigt fühlt, „geeignete Maßnahmen zu treffen oder anzuordnen“.
Es gab ja schon einige tollkühne Antworten auf Anfragen der Leipziger. Aber diese hier sucht an bürokratischer Unlust wohl ihresgleichen.
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Es ist tatsächlich so: Der Cossi war immer ein Ort, um in der Natur und am schönen See zu entspannen. Inzwischen ist die Lärmbelästigung so hoch, dass ich mich wirklich gestört fühle. Da fährt ein irre lautes Partyboot vorbei, hält am Steg, fährt weiter und man hört es ewig. “Blau und heiter” bespielt den gesamten Strand als hätten sie den gepachtet. Wieso muss man das aushalten? Die Kids mit ihren Boxen kommen und gehen und die habe ich noch nie als störend erlebt, aber die feste Infrastruktur nervt wirklich. Auch die Strandbetten und Hängematten nehmen soviel von der natürlichen Landschaft weg, warum ist das erlaubt? An dieser Stelle sind vor allem Eltern mit ihren Kindern, weil es dort Sand zum buddeln gibt. Die Installationen stören eigentlich nur und sollten auf das Bargelände beschränkt werden.