Ein Problem, das viele Leipziger haben, die zur Arbeit fahren müssen, ist das Fehlen sinnvoller ÖPNV-Anbindungen zu ihrem Arbeitsplatz. Manchmal fehlen sie komplett. Manchmal gibt es sie nur mit viel zu langen Umwegen, manchmal mit unzumutbaren Umsteigebeziehungen. Der größte Problemfall ist ausgerechnet der Leipziger Norden, wo Leipzig seine wichtigsten Unternehmensansiedlungen hat. Auch das ist ein Fall für den Energie- und Klimaschutzplan.

Denn wie soll sich Mobilität umweltgerecht ändern, wenn man mit Bus und Bahn nicht vernünftig zur Arbeit kommt? Schon seit 2017 bastelt die Stadt an einem Mobilitätskonzept für den Nordraum Leipzig. Sogar unter dem Stichwort „Low Carb“. Änderungen gebracht hat es noch keine, weil augenscheinlich der Masterplan nicht rechtzeitig fertig wurde.

Nun scheint er in irgendeinem Amt in umsetzbarer Form zu existieren und zu skizzieren, wie man künftig klimafreundlich und ohne eigenes Auto in die Betriebe im Norden kommt. Es ist Maßnahme Nr. IV.22 „Umsetzung Masterplan ‚Mobilität Nordraum Leipzig‘“ zum Energie- und Klimaschutzplan (EKSP).

„Mit der Umsetzung des fertiggestellten Masterplans werden die Standortfaktoren des Wirtschaftsraums gestärkt, die Attraktivität und Rentabilität des öffentlichen Personennahverkehrs im Nordraum erhöht und zur verstärkten Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel beigetragen. Dadurch wird ein bedeutender Beitrag zur Realisierung der ‚Mobilitätsstrategie 2030‘ der Stadt Leipzig geleistet“, heißt es zu diesem Maßnahmenpunkt.

Ein bunter Blumenstrauß, aber noch kein Konzept

Als Maßnahmen freilich listet er so einiges auf, was noch geprüft werden muss. So sind als prioritäre Maßnahmen aufgeführt der Wahren4Link, die Verkehrsstation GV/Radefeld und der Mobilitätshub S-Bahnhof Messe.

Zum Wahren4Link gibt es noch nicht einmal eine Machbarkeitsstudie, sodass auf Jahre hinaus auch nicht damit zu rechnen ist, dass Straßenbahngleise in der Linkelstraße bis zum S-Bahnhof-Wahren gelegt werden, um dort Straßenbahn und S-Bahn sinnvoll zu verknüpfen.

Ein S-Bahn-Haltepunkt am Güterverkehrszentrum Radefeld ist genauso noch Zukunftsmusik. Und ein Mobilitätshub am S-Bahnhof Messe würde vielleicht den Norden besser erschließen, die Pendler aber zum Umsteigen zwingen und Zeit kosten.

Umsteigen könnten sie dort irgendwann natürlich in den autonom fahrenden Bus-Shuttle zum BMW-Werk, der neben dem autonomen Zubringerbus FLASH ebenfalls unter dieser Maßnahme aufgelistet ist: „Nächste Ausbaustufen von ABSOLUT und FLASH“.

Dass die Planer vom fossilen Denken noch immer nicht Abschied nehmen wollen, zeigt das Vorhaben „4-streifiger Ausbau der Radefelder Allee“.

Je mehr man dieses Maßnahmenpaket auseinandernimmt, umso mehr merkt man, dass es irgendwie wieder nur vom Reißbrett her gedacht ist, nicht vom täglichen Pendler, der einfach schnell und ohne Umsteigen an seinen Arbeitsplatz kommen will.

Aber das einzige, was hier leichte Verbesserungen verspricht, ist die „Verbesserung der Busangebote im Leipziger Nordraum“. Denn um die zu nutzen, muss man derzeit in der Regel auch erst mal Straßenbahn fahren und dann zum Beispiel in Wahren umsteigen.

21,8 Millionen Euro Investition pro Jahr – aber wofür?

Mancher wird natürlich mit dem Rad fahren. Was in dieser Maßnahme steckt: „Radschnellweg Halle-Leipzig“. Aber auch da gibt es noch keine belastbaren Planungen. Die Umsetzung wird Jahre dauern. Und die größten Probleme hat dieser Schnellweg im Stadtgebiet, wo bislang nicht mehr als Stückwerk zu sehen ist.

Was steckt noch drin in diesem Paket?

Ein „Kümmerer“ für den Leipziger Nordraum „zur Bündelung von Interessen der Stakeholder und zur Umsetzung des Masterplans“ soll etabliert werden.

Für die Planungen sind 2023 100.000 Euro vorgesehen und 2024 dann 250.000. Und dann fängt das große Rätselraten an, denn die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sollen 21,8 Millionen Euro/Jahr einsetzen, ohne dass ersichtlich wird, wofür eigentlich. Es sei denn, sie schaffen tatsächlich ein Netz attraktiver E-Bus-Linien, die den Norden erschließen und die es den dort Arbeitenden leicht machen, aufs Auto zu verzichten.

Da der Masterplan selbst noch nicht öffentlich ist, lässt sich noch nicht abschätzen, was alles in den 21,8 Millionen Euro steckt und wer den LVB dieses Geld eigentlich zuschießen soll.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

Den Leipziger Nordraum gibt es so nicht. Bischen mehr sollte man im Norden auseinanderhalten – den Flughafen in Schkeuditz mit den Lieferfirmen, – das GVZ bei Radefeld mit den vielen Speditionen und das Porsche Werk, – den Bereich um das BMW-Werk im Nordosten.
Schkeuditz ist erreichbar mit der S-Bahn alle 30 Min. und Straßenbahnlinie 11 im 20 Minuten Takt.
Zum GVZ + Porsche kommt man nur mit der Strbahn bis Wahren und umsteigen in einen Bus oder mit dem Pkw.
BMW ist auch nur mit einem Bus angebunden.
Es fehlt ein durchgehender Radweg von der Innenstadt – Gohlis bis Schkeuditz. Es fehlt ebenso eine attraktive Busverbindung. Also bleibt oft nur noch der Pkw für die Arbeitenden im Schichtsystem.

Über 20 Jahre nach der ersten Großansiedlung soll mal was passieren…
Wer’s glaubt. Bin gespannt wie lange es noch dauert. 20 Jahre würden mich nicht wundern.

Schreiben Sie einen Kommentar