Inzwischen sieht man schon, wie groß das Hafenbecken für Leipzigs Stadthafen sein wird. Im Herbst 2021 begannen dafür am Elstermühlgraben die bauvorbereitenden Maßnahmen. Aber der im November angekündigte Bau des Hafens hat nicht nur Begeisterung ausgelöst, sondern auch Befürchtungen geweckt.
Die formulierten Falk Buder und Isa Isensee in einer gemeinsamen Einwohneranfrage:
„Das Bauvorhaben ‚Stadthafen Leipzig‘, dessen Baubeginn am 04.11.21 medial vorgestellt wurde, befürworten wir nur bedingt. Dass z. B. das ‚Containerdasein‘ der Stadthafen GmbH ein Ende hat und neue, leistungsfähige Gastronomie- und Servicegebäude in Gewässernähe errichtet werden, begrüßen wir. Auch freuen wir uns, dass durch die parallele Fertigstellung des Elstermühlgrabens eine Alternativstrecke in Richtung des Leipziger Nordens geschaffen wird“, schrieben sie in ihrer Anfrage.
„Wir befürchten aber, dass durch die wachsende Dichte an Verleihbooten (muskelbetrieben und motorisiert) und neuen Fahrgastschiffen die touristische Qualität der Leipziger Stadtgewässer leiden wird. Eine steigende Überlastung der Gewässer wird zu kostenintensiven Schäden an Ufern und Umwelt und neuen, noch nicht abschätzbaren, Gefahren führen. Außerdem sehen wir die etablierte und wichtige Nutzung der stadtnahen Gewässer für Trainingszwecke im Kinder-, Jugend- und Leistungssport bedroht.“
Nutzungsdichten sind jetzt schon erreicht
Sie erinnerten auch daran, dass es überhaupt kein aktuelles Monitoring zur Gewässernutzung gab: „Das letzte Monitoring von 2016 ist durch die gestiegene Beliebtheit der Leipziger Gewässer in den letzten Jahren (mehr Verleihboote, mehr private Motorboote, mehr Fahrgastschiffe …) restlos veraltet und muss mit belastbaren Zahlen auf den neuesten Stand gebracht werden.
Daraus lässt sich dann besser abschätzen, wann eine Übernutzung der Leipziger Stadtgewässer erreicht ist oder ob sie schon überschritten wurde. Zitat aus dem Monitoring von 2016 (S. 6, Abschnitt 8): Festzuhalten ist, dass mit der weiteren Zunahme der Befahrung der Stadtgewässer dort die maximal für den Wassersport verträglichen Nutzungsdichten nahezu erreicht scheinen.“
Sie machten auch gleich noch Vorschläge, wie das nutzbare Gewässernetz ohne große Investitionen erweitert werden könnte.
Eigentlich lauter Fragen zum Sinn und Unsinn des Wassertouristischen Nutzungskonzepts (WTNK), in dem einige teure Bauprojekte ja derzeit feststecken oder kaum noch umsetzbar sind – man denke nur an den Harthkanal oder die „Markkleebeger Wasserschlange“.
Und wie belastbar das neue WTNK wird, steht auch noch in den Sternen, nachdem sämtliche Umweltschutzvereine ihre Mitarbeit aufgekündigt haben.
Nutzungsmonitoring ist 2022 geplant
Aber das Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer arbeitet weiter an seinem Lieblingsprojekt: „Ein Nutzungsmonitoring, welches die Bootsbewegungen auf den Fließgewässern des Touristischen Gewässerverbundes an mehreren Tagen erfasst, ist für das Jahr 2022 geplant“, schreibt es in seiner Antwort auf die Einwohneranfrage.
„Inwieweit das Nutzungsmonitoring durch die vorgeschlagene Frage zur ‚Qualität der Leipziger Gewässer für Nutzer/-innen und Anwohner/-innen‘ erweitert werden kann, muss im Rahmen der Erstellung der Aufgabenstellung detailliert geprüft werden. Die Datenerhebung erfolgte bisher in erster Linie quantitativ durch Zählungen. Für eine qualitative Einschätzung ist eine methodische Anpassung notwendig.
Die Notwendigkeit einer Kontingentierung von Motor- und Verleihbooten (muskel- und motorbetriebene Boote) am Stadthafen bzw. im Gewässersystem wird vornehmlich aus den Ergebnissen des WTNK zu ermitteln sein. Das Nutzungsmonitoring kann hierbei aktuellste Daten beisteuern.“
Wobei das Problem dabei ist, dass der Hafen schon entsteht, bevor ein neuer Wasserkurs eine mögliche Entlastung für das bestehende Gewässernetz bringt.
„Grundsätzlich ist die Nutzung des Elstermühlgrabens im Bereich des Stadthafens durch Boote auch während der Bauzeit möglich. Die Verlagerung eines Teils des Steges der Außenmole auf die gegenüberliegende Uferseite ermöglicht dies. Ein massives Ausweichen der Nutzer auf andere Gewässerabschnitte aufgrund der Bauarbeiten ist daher nicht zu erwarten“, schätzt das Amt für Stadtgrün und Gewässer ein.
„Mit Fertigstellung des letzten Bauabschnittes zur Öffnung des Elstermühlgrabens wird der Kurs 3 ab der Saison 2025 vom Stadthafen aus Richtung Auensee für muskelbetriebene Boote befahrbar sein. So wird die bisherige Sackgassen-Situation des Stadthafens aufgehoben und eine Verteilung der Bootsnutzung ermöglicht.“
Entlastung über Pleiße und „Wasserschlange“?
Und dann gibt man sich ganz optimistisch und meint: „Eine Entlastung des Kurs 1 (Stadthafen – Floßgraben – Cospudener See – zukünftig Zwenkauer See) südlich der Schleuse Connewitz kann maßgeblich durch die Realisierung weiterer wassertouristischer Infrastruktur im Bereich der Pleiße (Kurse 5/6) erreicht werden. Als Beispiele können der Bootsanleger auf Höhe der Parkgaststätte und Umtrageeinrichtungen für die Wehre (agra, Großdeuben, Gaulis, Trachenau) genannt werden, mit deren Umsetzung derzeit jedoch nicht vor 2027 zu rechnen ist.“
Die Umtrageeinrichtung gelte für den Kurs 6, der auf der kanalisierten Pleiße bis zum Hainer See führt. Eine nicht wirklich attraktive Route für Paddler, die hier über viele Kilometer zwischen hohen geraden Deichen unterwegs sind. Und Kurs 5 ist die legendäre „Wasserschlange“, deren erstes Umsetzungskonzept auch von der Landesdirektion abgelehnt wurde. An einer möglichen Folgevariante wird gearbeitet. Ob die dann freilich wasserrechtlich umsetzbar ist, steht in den Sternen.
Denn die Probleme sowohl am Störmthaler Kanal als auch am Hartkanal zeigen, dass die Umsetzung der Pläne aus dem ersten WTNK von 2005 so einfach nicht ist. Ob der Kurs 6 da als Entlastung funktioniert, ist fraglich, wenn die meisten Paddler dann doch lieber durch den Floßgraben zum Cospudener See wollen.
Die Kleine Luppe, wie von Buder und Isensee vorgeschlagen, ist wiederum kein Teil des WTNK, als Paddelstrecke also auch nicht vorgesehen. Die Befahrung des südlichen Cospudener Sees ist untersagt. Aber ein Vorschlag zur Nutzung der südlichen Weißen Elster werde derzeit tatsächlich geprüft, so das Amt für Stadtgrün und Gewässer:
„Für die Einsetzstelle Ritter-Pflugk-Straße und die Umtrageeinrichtung am Wehr Großzschocher werden derzeit die Planungsunterlagen erarbeitet. Die Realisierung ist bis 2023 vorgesehen. Die Umtrageeinrichtung an der Gefällestufe Hartmannsdorf soll bis spät. 2025 geplant und umgesetzt werden.“
Nach dem letzten Ratsbeschluss sollte der Stadthafen ja schon 2021 fertig werden. 2019 jedenfalls stimmten 49 Stadträt/-innen der Vorlage zu, nur vier enthielten sich der Stimme. Vielleicht, weil der Freistaat satte 90 Prozent der geplanten 7,2 Millionen Euro zu fördern versprach.
Schön viel Platz für Elektroboote
Aber mit keinem Wort ging die Antwort der Verwaltung auf die zentrale Befürchtung von Buder und Isensee ein: dass der Stadthafen noch viel mehr Bootsverkehr mit sich bringt. Und zwar nicht nur von Paddlern, sondern von großen Booten, die überhaupt nicht über den Elstermühlgraben Richtung Auensee fahren dürfen.
In der Vorlage von 2019 heißt es dazu:
„Der Stadthafen soll mit seinen Kernfunktionen des Wassersports und -tourismus betrieben werden. Kernpunkte bilden der Betrieb des gewerblichen Anlegeverkehrs mit den sogenannten LeipzigBooten sowie von privaten Bootsfahrern und Kanuten, die Bereitstellung von Liegeplätzen für das Aufladen von Elektrobooten sowie das Bereitstellen von Liegeplätzen für private Boote und Kanus.
Zu diesem Zwecke werden innerhalb des Hafenbeckens öffentlich nutzbare Bootsanleger für gewässerangepasste Boote (z. B. LeipzigBoote) und die gewerbliche Bootsfahrt sowie eine Bootsein- und -aussetzstelle entstehen.
Künftig werden insgesamt neun größere Mehrpersonenboote für bis zu 20 Personen gleichzeitig im Hafen festmachen können. Des Weiteren sind bis zu 40 Liegeplätze für Sport- und Familienboote im Hafenbecken vorgesehen. Die Fahrgastschifffahrt wird hierbei im Bereich der Mole (Außen- und Innenmole) abgewickelt werden.
Die privaten Nutzer der gewässerangepassten Boote haben ihre Anleger im süd-südöstlichen Hafenbereich. Schwerpunkte der Kanunutzung werden im nordöstlichen Teil des Hafens liegen. Im Bereich des Schreberwehres besteht die Möglichkeit zur Nutzung des Fisch-Kanu-Passes und zum Umtragen der Boote für Kanuten und Paddler und somit perspektivisch die Anbindung des Elstermühlgrabens an die untere Weiße Elster.“
Man plant also schon deutlich mehr motorisierte Boote, obwohl der Leipziger Gewässerknoten an seiner Leistungsgrenze angelangt ist. Die Ausweichrouten, die die Verwaltung genannt hat, liegen sämtlich außerhalb dieses Gewässerknotens. Die Verteilungskämpfe werden dann wohl 2025 beginnen, wenn der Hafen feierlich eröffnet wird und das Monitoring feststellt, dass für mehr motorisierte Boote im Gewässerknoten eigentlich kein Platz ist.
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