Am 13. Juli kam auch das Thema Gutshofstraße in der Ratsversammlung zum Aufruf. Eigentlich ein schönes Thema: Für 735.000 Euro soll die Anliegerstraße in Böhlitz-Ehrenberg ausgebaut werden. Aufgrund des defekten Pflasters und ungepflasterter Gehwege hatte der Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg die Straße mit Priorität bei der Stadt angemeldet. Aber dann schrieb René Lorenz eine Petition.

Denn mit dem Ausbau plante das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) natürlich mit der bundesweit vorgeschriebenen Gehwegbreite von 2,50 Meter. Das heißt auch hier: Die Gehwege werden breiter, die Fahrbahn wird schmaler. Damit entfallen ein paar Stellplätze, was dann auch den Ortschaftsrat auf den Plan rief, der die Petition und ihr Anliegen befürwortete.

Während die Petition von René Lorenz und der seltsame Verwaltungsstandpunkt aus dem VTA im Petitionsausschuss des Stadtrates abgelehnt wurden. Nur zu verständlich. Auch wenn dem Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg natürlich etwas Grundsätzliches fehlte: die vom VTA versprochene Stellplatzanalyse.

Keine Argumentationsbasis für Stellplätze

Das VTA stand in dieser Situation ziemlich bekleckert da. Denn wie konnte das Amt, das eigentlich im Juli schon mit dem Umbau beginnen wollte, einfach auf die Diskussion im Ortschaftsrat hin seine kompletten Planungen für die Straße über den Haufen werfen?

Auch im Protokoll der Ortschaftsratssitzung ist kein belastbares Argument zu finden, das in irgendeiner Weise begründen würde, dass hier doch wieder eine Ausnahme gemacht und die Fußwege schmaler gebaut werden, damit die Anlieger weiterhin ihre Autos auf der Straße stehen lassen können.

Denn die dem Ortschaftsrat versprochene Parkraumanalyse hat das VTA ja bis heute nicht vorgelegt. Das kritisierte in der Ratsversammlung am 13. Juli auch Ortsvorsteher Dennis Achtner. Denn nur, wenn das VTA tatsächlich Parkraumknappheit ermittelt hätte, hätte das Umschwenken des Amtes bei der Planung irgendeinen Sinn ergeben.

Was dann freilich am 13. Juli so nicht diskutiert wurde. Nicht von Dennis Achtner, der hier seltsamerweise von einer „Ideologie“ sprach, als wären Straßenbauvorschriften in Deutschland eine ideologische Angelegenheit und keine des Gesetzgebers. Und der auch noch meinte, hier würde mal wieder die Denkweise der Innenstadt unpassenderweise auf eine Ortschaft wie Böhlitz-Ehrenberg angewendet.

Nicht viel anders klang die anschließende Rede von AfD-Stadtrat Udo Bütow, der gar von „Dogmatismus“ sprach.
Obwohl eigentlich eine Kopfwäsche fürs VTA dran gewesen wäre oder dessen Abteilung, die für die Planung dieser Straße zuständig ist.

Denn das Amt hatte überhaupt kein Recht, von den ursprünglichen Planungen abzuweichen. Denn die 2,50 Meter Gehwegbreite sind in der Bundesrepublik längst Norm.

„Gehwege sollen grundsätzlich mit dem Regelmaß von 2,50 Meter Breite geplant werden. Die veraltete Vorgabe eines Mindestmaßes von 1,50 Meter existiert schon lange nicht mehr – weder im aktuellen Regelwerk noch in der Straßenverkehrs-Ordnung und der entsprechenden Verwaltungsvorschrift“, schreibt die Bundesregierung dazu.

Und es ist egal, zu welcher Einschätzung diverse die Straße begutachtende Stadträte und Ortschaftsräte kommen in Bezug auf Passantenfrequenzen und künftigen Fußverkehr: Gehwegbreiten sind normiert und schon gar nicht gegenzurechnen gegen Stellplätze im öffentlichen Raum, die von Autofahrern gern als Gewohnheitsrecht betrachtet werden.

Fußwegbreiten sind keine Verhandlungssache

So hatte es auch der Petitionsausschuss gemeint, als er in seinem ablehnenden Beschlussvorschlag formulierte:

„Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 14.10.2021 die Fußverkehrsstrategie der Stadt Leipzig beschlossen (Beschluss VII-DS-06011). Im Kapitel 3 – Leitbild und Ziele – wird unter dem Ziel Nummer 3.1 aufgeführt, dass eine Breite von 2,50 m auf Gehwegen nicht zu unterschreiten ist, um den Begegnungsfall von einem Fußgängerpaar, von Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen zu gewährleisten.

Würde die von der Verwaltung mit dem Verwaltungsstandpunkt VII-P-07059-VSP-01 vorgeschlagene durchgängige Fahrbahnbreite von 5,55 m umgesetzt, verblieben für die Gehwege Breiten von 2,15 m bis 2,27 m. Somit würde das Ziel Nummer 3.1 der vom Stadtrat beschlossenen Fußverkehrsstrategie der Stadt Leipzig verletzt werden. Der Petition kann somit nicht abgeholfen werden.“

Vielleicht etwas irreführend, weil es eine Bundesvorschrift ist und es die Leipziger Fußverkehrsstrategie dazu gar nicht braucht, auch wenn es sinnvollerweise drinsteht.

Aber die Gegenrede fehlte am 13. Juli dann leider, sodass die Positionen von Achtner und Bütow ziemlich allein im Raum stehen blieben, auch wenn der von Bütow zur Abstimmung gestellte Verwaltungsstandpunkt mit 18:28 Stimmen durchfiel. Denn Unterstützung bekam er quasi nur durch die beiden Autofahrerfraktionen.

Während die Ablehnung durch den Petitionsausschuss eine klare Mehrheit von 30:17:2 Stimmen bekam. Womit freilich auch ein anderes Thema wieder im Raum steht: Wie werden die Ortschaften am Stadtrand künftig besser mit ÖPNV, Rad- und Fußwegen erschlossen, sodass auch deren Bewohner Mobilität anders denken können?

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