Wenn etwas zeigte, warum der ÖPNV in Sachsen und Deutschland nicht in die Gänge kommt, dann war es 2018 das krachende Scheitern von Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig beim Kampf um einen Sachsentarif. Die Fürsten in den Landkreisen ließen das Projekt scheitern, sodass Dulig nun, wo das 9-Euro-Ticket Furore macht, nur an den Bund appellieren kann, vielleicht mal eine Gesamtoffensive für den ÖPNV zu starten. Das wird genauso verwehen im Winde. So wie die Linie 9 nach Markkleeberg.
Denn die hat nicht unter Fahrgastmangel gelitten. Es war der Landkreis Leipzig, der sich aus der anteiligen Finanzierung zurückzog, weil die Stadt Markkleeberg eine innerstädtische Ost-West-Buslinie wichtiger fand. Dazu kam, dass man ziemlich bald auch die Gleise in der Friedrich-Ebert-Straße entfernte. Dort wird nie wieder eine Straßenbahn fahren. Womit aber auch die einzige Straßenbahnlinie gekappt wurde, mit der man von Leipzig aus relativ nah an den Cospudener See kam.
Im Grunde spiegelbildlich dazu ist die Weigerung des Markkleeberger Stadtrates, den LVB die Verlängerung der Linie 11 bis zum Markkleeberger See zu gewähren. Genau hier wird deutlich, warum ÖPNV in Sachsen immer wieder an Kreis- und Gemeindegrenzen scheitert und es keine übergreifenden Lösungen gibt. Auch nicht im Mitteldeutschen Verkehrsverbund, wo die Kleinkönige aus der Region alle beieinander sitzen und eifrigst über ihre kommunalen Grenzen wachen. Und damit über die lästigen grenzüberschreitenden ÖPNV-Nutzer.
ÖPNV scheitert an Gemeindegrenzen
Welches Potenzial in neuen Linien steckt oder gar im Niederreißen von Tarifgrenzen, begreifen die Meisten der dort Versammelten nicht. Jeder denkt nur an sein eigenes schmales Budget. Beim Thema „neue Angebote“ denkt man nur daran, was diese zusätzlich kosten würden, nicht daran, welche neuen Fahrgastpotenziale man damit tatsächlich erschließt.
Lieber kürzt und spart man, als auch nur punktuell das zu beseitigen, was den ÖPNV in Deutschland und Sachsen bis heute gegenüber dem motorisierten Individualverkehr benachteiligt: die Grenzen zwischen den Tarifgebieten.
Und das wird auf Jahre verhindern, dass man in Markkleeberg auch nur bereit ist, mit Leipzig über eine neue Verlängerung der Linie 9 zum Cospudener See zu verhandeln, diesmal über die Koburger Straße, wie es der Ökolöwe vorgeschlagen hat. Der Leipziger Stadtrat hat dazu schon 2016 beschlossen, dass auf dem Leipziger Teil der Koburger Straße die Möglichkeit erhalten bleiben soll, dort künftig wieder Straßenbahnen fahren zu lassen.
Das wurde auch am 13. Juli in der Ratsversammlung wieder Thema, wo es um die Informationsvorlage zum Planungsauftakt Ersatzneubau der Raschwitzer Brücke im Verlauf der Koburger Straße über die Pleiße ging. Das Bauwerk ist alt und schon ziemlich mürbe.
Brückenneubau für 15 Millionen Euro
In der Vorlage kann man dazu lesen: „Die vorhandene Raschwitzer Brücke (IV/21) wurde 1867 mit einer Breite von 6,65 m errichtet und 1930 um ein weiteres Teilbauwerk mit einer Breite von 11,35 m ergänzt. Es handelt sich bei beiden Teilbauwerken um Dreifeldbauwerke mit Einzelstützweiten von 17,42 m (Teilbauwerk II) bzw. 18,15 m (Teilbauwerk I) infolge unterschiedlicher Pfeilergeometrie. Beim Überbau des Teilbauwerkes I handelt es sich um einen siebenstegigen, gevouteten Trägerrost aus Stahlbeton. Das ältere Teilbauwerk II wurde seinerzeit als Gewölbebrücke aus Sandstein errichtet.
Beide Bauwerke weisen mit einer Zustandsnote von 2,9 für das Teilbauwerk II bzw. 3,0 für das Teilbauwerk I entsprechenden Handlungsbedarf auf. Beide Teilbauwerke werden in die Brückenklasse 30/30 nach DIN 1072 eingeordnet. Das Bauwerk weist zahlreiche, teils erhebliche, konstruktiv bedingte Schäden auf. Die Bewehrung des Trägerrostes liegt in Teilbereichen frei und weist bereichsweise bereits Querschnittsreduzierungen auf. Weiterhin sind wasserführende Risse vorhanden. Die Dauerhaftigkeit des Bestandsbauwerkes wird daher stark eingeschränkt.“
Die Zeit rennt also, die Planungen für den auf 15 Millionen Euro geschätzten Neubau der Brücke müssen folglich jetzt beginnen.
Unbedingt künftige Gleise mit einplanen
Aber beim Lesen der Vorlage stutzte man in der Linksfraktion. Denn die Vorlage benannte ja einerseits die komplette Demontage der alten Straßenbahngleise. Aber was die Sicherung eines künftigen Neuverlegens betrifft, drückte sich die Vorlage etwas schwammig aus.
„Straßen- und Brückenbauprojekte dürfen aus Sicht der Antragstellerin nicht als Gelegenheit zur ersatzlosen Entfernung von Gleisanlagen genutzt werden“, formulierte die Linksfraktion ihr Unbehagen mit dieser schwammigen Ansage. In der Ratsversammlung formulierte Linke-Stadträtin Franziska Riekewald das Problem.
Denn auch Markkleeberg wird irgendwann umdenken müssen in Mobilitätsfragen. Auch wenn sich die kleine Stadt mit ihrem Faible für Eigenheime noch sichtlich schwer damit tut. Denn es geht auch bei einer Linie 9 nicht nur um Badegäste für den Cospudener See (wo die Stadt Markkleeberg lieber auf überdimensionierte Parkplätze setzt), sondern auch um täglichen Pendlerverkehr. Wer zur Arbeit nach Leipzig pendeln muss, braucht mehrere, möglichst gut erreichbare ÖPNV-Angebote. Und die Linie 9 würde – besser als die aktuelle Buslinie 70 – den Markkleeberger Westen erschließen.
Das Anliegen, das Franziska Riekewald vorgetragen hat, fand OBM Burkhard Jung nur zu verständlich.
„Um einen Ersatzneubau der Raschwitzer Brücke herstellen zu können, müssen die vorhandenen Gleisanlagen rückgebaut werden“, hieß es zuvor in der Vorlage. „Im Zuge der Planung werden Varianten geprüft, welche den nachträglichen Einbau von Straßenbahngleisen ermöglichen, sollte die Linienführung durch die LVB wieder aufgenommen werden.“
Das sind dann doch viel zu viele Wenn und Aber. Das sah auch Burkhard Jung so und schlug als Änderungsformulierung vor, dass die Brücke so zu bauen sei, dass der nachträgliche Einbau von Gleisen gewährleistet ist. Wenn die Markkleeberger schneller sind mit dem Umdenken, könnten die Gleise ja sogar gleich wieder mit eingebaut werden. Geplant ist der Brückenbau jetzt für die Jahre 2028 bis 2030.
Es gibt 4 Kommentare
Leider wurde es damals versäumt, auch Markleeberg einzugemeinden.
Dann hätten wir solche Machtspielchen nicht.
Nicht falsch verstehen: es läuft vieles nicht rund in Leipzig. Ich habe aber das Gefühl, dass die Markleeberger gern alle Vorteile des nahen Leipzig “mitnehmen”, aber wenig zurückgeben.
Ein existierender Parkplatz und hohe Baukosten (aufgrund baulicher Situation) sind also schon eine “komplexe” Faktenlage? Ist das Satire? LOL
@Thomas Als Markkleeberger muss ich Ihnen widersprechen, die Linie 70 fährt genauso wie vorher die Linie 9. Natürlich ohne die ganzen Abgase. Weiterhin sind die Seitenhiebe gegen den Stadtrat völlig gerechtfertigt. Sehr viele Markkleeberger haben für den Erhalt der Linie 9 gekämpft, die wurden mit der Aufschrift “Tram” auf der 106 nach der Abschaffung der Linie 9 noch verhöhnt. Was den Kommentar mit den Einfamilienhäusern angeht ist der mit Hinblick auf das Gelände hinter der Aral Tankstelle völlig gerechtfertigt. Laut gemeinsamer Planungen (Markkleeberg/Leipzig) aus den 90ziger sollten da der Ahornweg und die Spinnereistraße mit den Planstraßen A und B verbunden werden. Diese sollten dann in Blockrandbebauung mit Mietshäusern bebaut werden. Leipzig hat seinen Teil davon errichtet (Als Stummel auf Google Maps ersichtlich), nur Markkleeberg hat das ganze wieder gekippt und dafür lieber Besserverdiener mit Stadthäusern geködert.
Was den existenten Parkplatz angeht ist die Erweiterung ja zum Glück von der unteren Naturschutzbehörde gekippt worden, da der jetzige Parkplatz sich schon im Landschaftsschutzgebiet befindet. Natürlich könnte man wie den Golfplatz auch diesen Bereich aus dem Landschaftsschutzgebiet nehmen, da würde mich mal interessieren wo die Ausgleichsplanzungen getätigt wurden.
Zum Glück haben sich Ihre Parteikollegen in Leipzig für den Erhalt der Linie 9 ausgesprochen.
Ich für meinen Teil bin für Verlegung der Linie 9 nach Connewitz-Süd und dann für die Einstellung der Linie 70, damit die ständige Luftverschmutzung durch die Dieselbusse aufhört (in der Bürgerinformation haben wir ja gehört das alles von der S-Bahn geschultert wird und wir ja dann auch noch E-Busse bekommen).
P.S. Auch die Strecke über die Koburger Straße ist komplex. Die Busse werden aktuell gut genutzt und fahren dichter zum Strand.
Wir können uns gern über das Thema unterhalten.
Sorry, Herr Juhlke, der Seitenhieb auf Markkleeberg geht ins Leere. Die Entscheidung fiel wegen der extrem hohen Baukosten für die kurze Strecke, die baulich verhindernde Situation der Straße und natürlich auch wegen der Gegebenheiten – dem existenten dominierenden riesigen Parkplatz – der aber auch Geld für die Bewirtschaftung des Sees einspielt. Ich mag Auto ebenso wenig wie Sie, entscheide aber als Markkleeberger Stadtrat auf komplexer Faktenlage.
Thomas Marx