Auch Leipzigs Ratsversammlung kennt das Staunen darüber, wie lang Prozesse in der Verwaltung so dauern können. Sieben Jahre von Antrag bis Umsetzung sind dabei sogar noch sportlich, wie man am 13. Juli in der Ratsversammlung erleben durfte. Da kam zum Abschluss, was mit einem CDU-Antrag im Jahr 2014 begonnen hatte.
Da ging es um den nutzerfreundlichen Umbau der LVB-Haltestelle Gorkistraße / Ossietzkystraße. Der dann im Haushalt 2015 keinen Platz mehr fand, weil die Verwaltung feststellte, dass hier der komplette Straßenraum umgebaut werden musste. Die Leitungen im Untergrund waren genauso fällig wie Fahrbahn und Fußwege. Und in der Kurve bleiben konnte die Haltestelle auch nicht. Hier musste also eine Komplexmaßnahme geplant werden, die die Stadt dann dem Stadtrat für 2017 in Aussicht stellte.
Projekt immer wieder verschoben
Das klang durchaus machbar. Aber 2017 erfuhren dann die Ratsfraktionen, dass das Jahr 2017 doch zu kühn gedacht war und an eine Umsetzung der Baumaßnahme frühestens 2019 zu denken wäre. Man merkte schon, welche Freude Linke-Stadtrat Steffen Wehmann am 13. Juli am Rednerpult hatte, die Warte-noch-ein-Weilchen-Geschichte für diesen Abschnitt der Gorkistraße zu erzählen. Denn auch 2019 erwies sich dann als nicht realistisch. Die Stadt kündigte also eine Umsetzung frühestens für 2022 an.
Und zumindest das haben die Planer geschafft: Der Bau- und Finanzierungsbeschluss Gorkistraße zwischen Kohlweg und Ossietzkystraße liegt vor und die Ratsversammlung durfte am 13. Juli zustimmen zu diesem 10-Millionen-Euro-Projekt – oder auch dagegen stimmen, mit dem Risiko, dass es dann noch einmal zehn Jahre dauert, bis der Straßenumbau passieren kann.
Denn dass die Planungen irgendwie aus den 1990er Jahren zu stammen scheinen und nicht wirklich den Ansprüchen für den Straßenbau im 21. Jahrhundert genügen, machte dann wieder SPD-Stadtrat Christopher Zenker deutlich, der die Planungsfehler an der Gorkistraße mit denen an der Shakespearestraße verglich. Als hätten Leipzigs Planer nicht mitbekommen, dass Leipzig eine neue Mobilitätsstrategie hat und auch nicht, wie sehr die klimabedingte Erhitzung die Stadt schon jetzt belastet. Zumindest machte das seine Kritik an den Eingriffen in den Altbaumbestand deutlich.
Auch wenn der SPD-Antrag eher das Thema Mobilität benannte. Denn sehr problematisch ist die Radverkehrsführung aus der Gorkistraße in die Ossietzkystraße.
Mehrere Faktoren der Unsicherheit
„Die der Vorlage zugrunde liegende Entwurfsplanung sieht eine Radverkehrsführung auf der Straße zwischen Kfz- und Straßenbahnverkehr vor, die wahrscheinlich subjektiv wie objektiv als unsicher zu bezeichnen ist. Auch die AG Rad hat die hier fehlenden separaten Radverkehrsanlagen beanstandet“, heißt es im Änderungsantrag der SPD-Fraktion.
Was in die Forderung mündete: „Die Stadtverwaltung prüft, wie im Bereich der Gleiskurve Gorki-/Ossietzkystraße eine sichere Radverkehrsführung ermöglicht werden kann. Die Absenkung der Bordsteinkanten und ein gemeinsamer Fuß-/Radweg bzw. die Freigabe des Fußweges auch für Radfahrende in diesem Bereich soll dabei insbesondere geprüft werden.“
Und noch zwei andere Mobilitätsthemen sah die Fraktion hier ungenügend umgesetzt: „Im Zuge der Einrichtung von Parkflächen an der Gorkistraße, zwischen Kohlweg und Ossietzkystraße, werden im Bereich der Volksgartenstraße/Bautzner Straße oder im Bereich Löbauer Straße/Volksgartenstraße mindestens eine öffentliche Schnellladesäule für Elektrofahrzeuge sowie mindestens eine Stellfläche für das Carsharing eingerichtet.“
Straßenplanungen aus dem letzten Jahrhundert – und kleine Seitenhiebe
Man merkte schon, dass sich hier insbesondere SPD-Stadträtin Anja Feichtinger, die den Änderungsantrag der SPD-Fraktion formuliert hatte, zurückgehalten hat, die Vorlage der Verwaltung nicht allzu sehr umzukrempeln. Das deutete Christopher Zenker in seiner Rede an. Denn das hätte durchaus bedeuten können, dass die ganze Vorlage zurück ins Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) gemusst hätte, um sie komplett zu überarbeiten. Sie atmet nun einmal den Geist des vergangenen Jahrhunderts und ist ganz bestimmt keine Lösung, die der Gegenwart genügt.
Was eben auch daran liegt, dass es keine wirklich tragfähige Bürgerbeteiligung gegeben hat. Und Zenker verband seine Rede auch mit der Aufforderung an die Stadt, in ihren Planungen künftig eine Phase 0 einzuführen und den Stadtrat viel früher einzubeziehen, bevor die Entwürfe so weit gediehen sind, dass kaum noch Spielraum für Änderungen bleibt. Das war dann eine freundliche Doppelkritik – an der Altertümlichkeit der Straßenlösungen, die man im VTA immer noch plant, und an dem Widerwillen der Verwaltung, die gewählten Stadträt/-innen frühzeitig einzubeziehen in solche Straßenprojekte.
Am Ende darf der Stadtrat dann nur noch kosmetische Korrekturen vornehmen, so wie das auch in der Shakespearestraße der Fall war. Das frustriert natürlich, wenn auch die nächste Straßenplanung wieder keine Aufenthaltsqualität aufweist. Und es führt zu Straßenbauwerken, die dann tatsächlich die Verkehrspolitik der 1990er Jahre fortsetzen, aber den Raum für ein verändertes Mobilitätsverhalten fressen.
Einbahnstraßenregelung in der Löbauer wird aufgehoben
Für eine andere Änderung stritt am 13. Juli noch CDU-Stadtrat Falk Dossin, denn seine Fraktion hatte beantragt: „Der Abschnitt der Löbauer Straße zwischen Schmidt-Rühl-Straße und Gorkistraße bleibt Einbahnstraße und mit Ausnahme des Radverkehrs nur aus östlicher Richtung befahrbar. Die aktuelle Parkordnung bleib bestehen.“
Seine Befürchtung: Wenn die Einbahnstraßenregelung aufgehoben wird, entsteht hier motorisierter Schleichverkehr mitten im Wohngebiet.
OBM Burkhard Jung freilich wies darauf hin, dass die Aufhebung der Einbahnstraßenregelung erst 2019 vom Stadtrat beschlossen worden war. Die müsste also per Beschluss wieder aufgehoben werden
Aber das geschah an diesem Tag nicht. Eine knappe Mehrheit von 21:26 stimmte gegen den Änderungsantrag der CDU-Fraktion, drei Stimmberechtigte enthielten sich der Stimme.
Anders erging es dem Antrag der SPD-Fraktion (nachdem Burkhard Jung dessen ersten Antragspunkt schon übernommen hatte), der tatsächlich volle Zustimmung in dieser Ratsversammlung fand. So langsam scheint sich das Bewusstsein für ein anderes Mobilitätsverhalten durchzusetzen. Zumindest in der Ratsversammlung. Die Planer der Stadt brauchen wohl noch eine Weile.
Und am Ende ging auch die Vorlage zum Bau und zur Finanzierung der Gorkistraße mit einhelliger Zustimmung des Stadtrates durch, sodass jetzt ab März 2023 gebaut werden und Falk Dossin sich vielleicht tatsächlich freuen kann, dass das Ganze zehn Jahre nach der ersten Antragstellung im Dezember 2024 fertig wird. Nur die Baumneupflanzungen dauern dann noch bis 2025.
Keine Kommentare bisher
@Ralf Julke:
“Die Kurve der Gorkistraße zur Ossietzkystraße: Hier werden die Haltestellen verschwinden.”
Da müssen Sie irgendetwas verwechselt haben. An dieser Stelle gibt es schon heute keine Haltestellen. Die Haltestelle “Ossietzky-/Gorkistraße” befindet sich in beide Richtungen in der Ossietzkystraße.