Im Juni sorgte eine dicke Vorlage fรผr den Stadtrat fรผr Aufregung: Sowohl Musikschule als auch Volkshochschule brauchen eine neue Unterkunft. Und die soll auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz entstehen, schรถn zentral, auf dem Grundstรผck, das fรผr die Markthalle vorgesehen war. Und die Vorlage war so seltsam formuliert, dass CDU- und Grรผnen-Fraktion sofort alarmiert waren: Soll die Markthalle jetzt doch klammheimlich gestrichen werden?

Es war die CDU-Fraktion, die sehr detailliert nachgefragt hatte. Und auch eine sehr detaillierte Antwort aus dem Kulturdezernat bekam. Doch genau bei den entscheidenden Punkten wich die Antwort wieder aus. Nicht nur CDU-Stadtrat Michael Weickert konnte aus der entsprechenden Antwort kein klares โ€žJaโ€œ herauslesen, obwohl eine deutliche Mehrheit des Stadtrates seit Jahren hinter der Entscheidung steht, am Wilhelm-Leuschner-Platz eine neue Markthalle zu errichten.

Nur eine Minderheit war skeptisch oder lieรŸ sich von der Skepsis der Verwaltung anstecken, die ausgerechnet fรผr die neue Markthalle auf Wirtschaftlichkeitsgutachten besteht.

Frage und Antwort

Die entsprechende Frage der CDU-Fraktion lautete: โ€žWann werden die Errichtung und der Betrieb einer Markthalle ausgeschrieben, im Sinne einer Angebotsabfrage, um endlich einen tatsรคchlichen Anhaltspunkt zum Vergleich unterschiedlicher Nutzungen fรผr das Grundstรผck zu haben?โ€œ

Doch als Antwort gab es eine mehr als ausweichende Formulierung: โ€žMit den Fragen zum Ausschreibungsprozess, Gestaltungswettbewerb etc. soll sich intensiv im Rahmen der Erarbeitung des Planungsbeschlusses fรผr das gemeinsame Neubauvorhaben beschรคftigt werden. Mit dem Planungsbeschluss begonnen werden soll nach der Beschlussfassung des Grundsatzbeschlusses VII-DS-06484 im Stadtrat.

Vor dem Beschluss zur รถffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes im April 2021 wurde im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau, im Stadtbezirksbeirat Mitte und in der AG Wilhelm-Leuschner-Platz รผber die Zielstellung der Entwicklung einer Markthalle diskutiert. Die Verwaltung war bestrebt, den Fraktionen eine sachliche Bewertungsgrundlage zur Verfรผgung zu stellen.

Das Stadtplanungsamt hat deshalb die Gutachter Standort und Kommune Beratungs GmbH und Steinbauer Strategie mit der Erstellung einer vertiefenden Tragfรคhigkeitsanalyse fรผr den Neubau einer Markthalle am Wilhelm-Leuschner-Platz beauftragt. Das Gutachten lag im Mรคrz 2021 als Endbericht vor und wurde den Gremien vorgestellt.

Der Stadtratsbeschluss mit der planerischen Festlegung fรผr das Baufeld als โ€šSondergebiet รผberbaute Markthalleโ€˜ erfolgte durch den Stadtrat im April 2021 und in Kenntnis der Gutachterempfehlung.โ€œ

Ein Gutachten aus Supermarkt-Perspektive

Was fรผr ein windelweiches Papier dieses Gutachten war, haben wir im entsprechenden Artikel zur Stadtratsentscheidung im April 2921 erlรคutert.

Anstecken lassen von der Angst, die Markthalle kรถnnte nicht funktionieren oder nur mit einem groรŸen Supermarkt darin, hatte sich vor allem die SPD-Fraktion. Und das alles vor dem Hintergrund der Corona-Einschnitte, die auch den Handel in der Innenstadt lahmlegten.

Und da stieรŸ es in fast allen Fraktionen jetzt sauer auf, dass die Verwaltung ganz selbstverstรคndlich schon eine Vorlage schreibt, dass Musikschule und Volkshochschule auf dem Grundstรผck entstehen sollen, der Bau der Markthalle aber noch einmal geprรผft werden soll.

Sechsmal sei der Bau einer Markthalle im Stadtrat inzwischen beschlossen worden, sagte auch OBM Burkhard Jung, sah aber Missverstรคndnisse auf beiden Seiten. Die aber in dieser Fragestunde am 13. Juli in der Ratsversammlung sichtlich nicht ausgerรคumt werden konnten. Denn bevor auch nur der Sonderausschuss Leuschnerplatz Kenntnis von den Plรคnen zu Musikschule und Volkshochschule erhielt, hatte die Verwaltung schon die Presse informiert.

Die dicke Vorlage zu diesem neuen Bildungscampus ging erst danach ins Verfahren und wird erst im Herbst zur Beschlussfassung stehen. Aber natรผrlich stimmt es, dass die Verwaltung hier vorgeprescht ist. Und zwar bei einer wichtigen strategischen Entscheidung, bei der es um Investitionskosten von 125 Millionen Euro geht. Ohne vorher auch nur die entscheidenden Ausschรผsse informiert zu haben.

Ein klares โ€žJaโ€œ klingt anders

Was an diesem Tag Stadrรคt/-innen aus mehreren Fraktionen auf die Palme brachte, die โ€“ wie Grรผnen-Stadtrat Norman Volger es formulierte โ€“ ihr berechtigtes Misstrauen in Verwaltungshandeln bei solchen Entscheidungen bestรคtigt sahen. Denn auch wenn Jung sich noch einmal zur Markthalle bekannte, war es kein klares โ€žJaโ€œ und blieb die Reihenfolge der Entscheidung auf den Kopf gestellt: Volkshochschule und Musikschule sind sicher und stehen zumindest aus Sicht der Verwaltung nicht infrage, aber die Markthalle soll weiter von einem neuen wirtschaftlichen Gutachten abhรคngig sein.

Die Fragerunde drohte also ganz offensichtlich in eine herzhafte Debatte abzugleiten, die eigentlich in den Fachausschusssitzungen passieren sollte. Aber die hatten noch gar nicht stattfinden kรถnnen.

Womit jetzt schon absehbar ist, dass diese Diskussion wieder in der Ratsversammlung aufschlagen wird, wenn aus dem bedingten โ€žJaโ€œ zur Markthalle kein klares โ€žJaโ€œ wird. Ohne Verweis auf ein Gutachten, das noch immer im Supermarkt-Denken des 20. Jahrhunderts steckt und sich die Rolle einer Markthalle im Zeitalter der Re-Regionalisierung einfach nicht vorstellen kann.

Leipzig hat jetzt 30 Jahre lang Supermarkt gelernt und die Verwaltung hat ihre gesamte Zentrenpolitik auf Supermรคrkte ausgerichtet. Aber dieses Zeitalter geht gerade zu Ende und rings um Leipzig entstehen immer neue Betriebe, die wieder regional produzieren und dringend eine echte Plattform brauchen, wo sie dauerhaft ihre Produkte anbieten kรถnnen.

Noch einmal prรผfen und untersuchen

Aber genau das blieb selbst am Ende dieser etwas sehr emotionalen Fragerunde offen. Denn in der Vorlage zum Bildungscampus ist es genauso schwammig zu lesen:

โ€žAls zentrale Rahmenbedingungen fรผr den Planungsbeschluss werden festgelegt:
a) maximale Bruttogeschossflรคche von 25.000 mยฒ fรผr Volkshochschule und Musikschule
b) Prรผfung und Untersuchung des Themas Markthalle am Standort samt Entwicklung eines Entscheidungsvorschlages hinsichtlich Potenzial und Betreibermodell bis zum Planungsbeschlussโ€œ

Da fragten sich die deutlich misstrauischen Stadtrรคt/-innen wohl zu Recht: warum noch โ€žPrรผfung und Untersuchung des Themas Markthalleโ€œ? Ein klares โ€žJaโ€œ zur Markthalle sieht anders aus.

Und wahrscheinlich geht es dabei auch gar nicht nur um den an diesem Tag abwesenden Baubรผrgermeister Thomas Dienberg, denn am Erstellen der Vorlage waren auch das Finanz- und das Wirtschaftsdezernat (das Kulturdezernat sowieso) beteiligt. Und die Zeit zur Entscheidung drรคngt.

Denn fรผr den Bildungscampus soll der Planungsbeschluss schon zum zweiten Quartal 2023 vorliegen. Wenn die Verwaltung ihr โ€žJaโ€œ zur Markthalle ernst nimmt, muss deren Planungsbeschluss auch dann schon vorliegen.

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