Manchmal braucht es vier Jahre, bis die Sicherheitsexperten in Sachsen einsehen, dass ihre gewählten Instrumente nicht so funktionieren, wie sie sich das gedacht haben. So wie bei der Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße, die seinerzeit Innenminister Markus Ulbig unbedingt durchdrücken wollte. Am Dienstag, 21. Juni, gaben nun Stadt und Polizei bekannt, dass die Waffenverbotszone aufgehoben wird. Die Probleme bekommt man so nicht gelöst.
Künftig soll dafür ein Paket an Maßnahmen durch die Stadtverwaltung und Polizeidirektion Leipzig umgesetzt werden. Damit werde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Freistaat Sachsen die seit 5. November 2018 bestehende Anordnung einer Waffenverbotszone aufheben kann.
Eingegangen wurde auch auf die vor einem Jahr vorgestellte Evaluation der Waffenverbotszone.
Schöne Worte und die Problematik des Generalverdachts
„Die Evaluierung hat gezeigt, dass die Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße zwar als zusätzliches Instrument zur Senkung bewaffneter Angriffe beitrug, aber dennoch kaum positive Auswirkungen auf das übrige Kriminalitätsgeschehen hat“, sagt Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal.
„Mit dem neuen Maßnahmenpaket sollen die tatsächliche Sicherheitslage und das subjektive Sicherheitsgefühl verbessert werden. Darüber hinaus wollen wir die Entwicklung der sozialen Strukturen in den Leipziger Stadtteilen Volkmarsdorf und Neustadt-Neuschönefeld positiv beeinflussen.“
Das klingt schön positiv. Aber die Evaluation hat eben auch deutlich gemacht, dass das Instrument Waffenverbotszone von vielen Betroffenen auch als zutiefst diskriminierend empfunden wurde. Und damit auch gleichzeitig die auch in Leipzig existierenden ausländerfeindlichen und rassistischen Vorurteile bediente. Dass es in einem Ortsteil, in dem Menschen mit Herkunft aus den verschiedensten Ländern der Welt zu Hause sind, auch zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Gruppen kommt, ist ja nichts Neues. Aber das klärt man nicht, indem man über ein ganzes Viertel einen Generalverdacht verhängt.
Polizei und Ordnungsdienst müssen internationaler werden
Dazu braucht es im Gegenteil ausgebildetes Personal, das mit den Konflikten und unterschiedlichen Problemen auch umgehen kann. Möglichst mit Menschen, die auch aus den hier heimischen Communities stammen. Denn da hat das Leipziger Ordnungsamt genauso Nachholbedarf wie die Leipziger Polizei.
Künftig soll nun ein fester Polizeistandort im Gebiet etabliert werden. Darüber hinaus sollen die Kontroll- und Verfolgungstätigkeiten sowie die Informations- und Präventionskampagnen intensiviert werden. Was aber alles nichts nützt, wenn man keine kompetenten Ansprechpartner im Einsatz hat. Also wird eine viel wichtigere Maßnahme die Personalgewinnungs- und Ausbildungsoffensive für den Ordnungs- und Polizeidienst zur Ausrichtung auf die multikulturelle Ausprägung der beiden Stadtteile.
Die Ratsversammlung hatte sich im Februar 2021 infolge der wie geplant nach einem Jahr von der Polizeihochschule und der Universität Leipzig durchgeführten Evaluierung zur Wirkung der Waffenverbotszone mehrheitlich für eine Abschaffung dieser ausgesprochen. In der Befragung hatten die Anwohnerinnen und Anwohner stattdessen den Wunsch nach einer bürgernahen und regelmäßigen Präsenz von Polizei und Ordnungsdiensten geäußert.
Verkehrsrowdytum, offener Drogenkonsum beziehungsweise -handel, sowie Lärm und insbesondere illegal entsorgter Müll wurden von vielen Befragten als Probleme in den Ortsteilen genannt. Aus der Befragung ging aber auch hervor, dass die Waffenverbotszone keinen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl hat. Auch deshalb lehnen viele Befragte die Waffenverbotszone als flankierende Maßnahme zur Reduzierung der Kriminalität ab.
Die Geschichte der Waffenverbotszone
Am 5. November 2018 war im Bereich der Eisenbahnstraße die erste Waffenverbotszone im Freistaat Sachsen eingerichtet worden. In einem rund 70 Fußballfelder großen Areal wurde das Mitführen von Schusswaffen, Messern, Reizstoffsprühgeräten sowie anderen gefährlichen Gegenständen wie Elektroschockgeräten oder Baseballschlägern verboten.
Als Rechtsgrundlage diente eine Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern. Sie wurde am 19. Oktober 2018 im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Im März 2021 erklärte das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Normenkontrollurteil (Az.: 6 C 22/19) die Polizeiverordnung des Innenministeriums über das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände im Umfeld der Eisenbahnstraße in Leipzig für unwirksam. Damit ist aktuell nur noch jener Teil der Mantelverordnung zur Waffenverbotszone in Kraft, der das Mitführen von Gegenständen untersagt, die unter das Waffengesetz fallen.
Seit Juli 2021 hatte eine Arbeitsgruppe auf Ebene des Kommunalen Präventionsrates Leipzig über geeignete Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung und Erhöhung des Sicherheitsgefühls beraten, um somit letztlich das Instrument Waffenverbotszone obsolet zu machen.
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