Im November preschte das Jugendparlament vor und beantragte eine Revitalisierung des Großen Bürgermeisters. Das ist die unterirdische Toilettenanlage am Martin-Luther-Ring kurt vorm Neuen Rathaus, erkennbar an mit Platen zugepflasterten Zäunen, die den Abstieg in die gekachelte Unterwelt den Blicken der Passanten entziehen.
„Die Stadt Leipzig wird bis zum Ende des 3. Quartals 2023 beauftragt, für die 1905 errichtete öffentliche (Toilettenanlage an der) Hugo-Licht-Straße und dem Martin-Luther-Ring ein Bestandsgutachten zu erstellen und mögliche zukünftige Nutzungen darzulegen.
Ein Erhalt des baulichen Ensembles ist anzustreben“, hatte das Jugendparlament beantragt. Denn natürlich wirkt das seltsam, wenn an einem so prominenten Ort seit Jahrzehnten ein regelrechte Lost Place zu sehen ist, für den augenscheinlich niemand eine Lösung hat.
Und auch wenn die CDU-Fraktion gleich noch einen eigenen Antrag nachschob, den Großen Bürgermeister unbedingt als öffentliche Toilette weiterzunutzen, sieht es für solche Ideen denkbar ungünstig aus.
Denn was 1905 noch wie selbstverständlich möglich war – solche nicht barrierefreien Toiletten einfach unter den Rasen zu verlegen – verstößt im 21. Jahrhundert gegen alle möglichen Bauvorschriften und die Besitzer des Großen Bürgermeisters suchen schon seit Jahren nach einer genehmigungsfähigen Lösung, die es aber einfach nicht gibt.
„Seit über 20 Jahren wurden wiederholt ergebnislose Anläufe zur Wiedererschließung bzw. Wiedernutzbarmachung des in Privatbesitz befindlichen Baudenkmals ‚Großer Bürgermeister‘ unternommen“, schildert jetzt das Liegenschaftsamt die verfahrene Situation.
„Inspektion und Begutachtung der unterirdischen baulichen Anlagen sowie die Erarbeitung möglicher Nutzungskonzepte oder die Integration in das städtische Toilettenkonzept sind der Stadtverwaltung aufgrund der privaten Eigentümersituation bislang nicht möglich. Vor dem Hintergrund einer neu eingetretenen Sachlage kann das Liegenschaftsamt nach bereits mehrfach vergeblich durchgeführten Versuchen die Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 12.11.1999 erneut anbahnen. Die einvernehmliche Rückabwicklung des Kaufvertrages ist Voraussetzung für die Erstellung eines Bestandsgutachtens und eines Nutzungskonzeptes durch die Stadt Leipzig.“
Und an eine Inbetriebnahme der unterirdischen Toilette denkt die Stadt dabei ganz bestimmt nicht. „Da mit einer Wiedererschließung bzw. Instandsetzung der unterirdischen baulichen Anlagen zum jetzigen Zeitpunkt unwägbare finanzielle Risiken für die Stadt Leipzig verbunden sind, soll im Falle einer erfolgreichen Rückabwicklung des Kaufvertrages zunächst eine Eingliederung des Grundstücks in die Grünanlage geprüft werden“, betont das Liegenschaftsamt.
20 Jahre vergebliche Suche nach einer Lösung
Was da in den vergangenen 23 Jahren alles versucht wurde, schildert das Liegenschaftsamt in seiner Stellungnahme zu Antrag des Jugendparlaments recht ausführlich.
„Das antragsgegenständliche Baudenkmal wurde 1999 an den derzeitigen Privateigentümer mit Investitionsverpflichtung veräußert. Wiederholt wurde dem Antragssteller vornehmlich aus Gründen des Denkmalschutzes keine Baugenehmigung erteilt. Zuletzt wurden die Eigentümer im Frühjahr 2018 dahingehend beraten, einen neuen Projektentwurf zur Bebauung (zu) entwickeln und vor(zu)stellen, da noch im Frühjahr 2018 weiterhin ein großes Interesse der Eigentümer an der Nutzung des Toilettengrundstücks bestand, legten diese dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege einen neuen Projektentwurf für die Bebauung vor.
Verwaltungsintern ergab sich daraufhin, dass auch ein neuer Bauantrag für eine gastronomische Einrichtung keine Genehmigung erreichen würde. Den Eigentümern wurde deshalb empfohlen, über ihren Widerspruch zum alten Bauantrag durch die Landesdirektion Sachsen entscheiden zu lassen. Die Entscheidung der Landesdirektion Sachsen liegt seit 2020 vor. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen.“
Rückabwicklung scheint einzige Lösung zu sein
Eigentlich ist das ganze Bauwerk nichts mehr wert, teilt das Liegenschaftsamt mit. Es steht zwar unter Denkmalschutz – aber heutige Nutzungen sind darin eigentlich nicht unterzubringen.
„Vor Aufnahme erneuter Verhandlungsgespräche mit dem Eigentümer, kann der potenzielle finanzielle Aufwand für eine einvernehmliche Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht abschließend bemessen werden“, erläutert das Liegenschaftsamt.
„Nach §10 Ziffer 5 des Kaufvertrags steht dem Käufer im Fall einer Rückabwicklung lediglich ein Anspruch auf zinslose Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer etwaigen am Kaufgrundstück eingetretenen Wertminderung und aller der Verkäuferin entstandenen Kosten zur Durchsetzung der Rückübertragung zu. Darüber hinaus liegt eine interne Wertermittlung des Amtes für Geoinformation und Bodenordnung, städtische Bewertungsstelle vom 11.02.2016 vor. Die kommunale Bewertungsstelle kam seinerzeit zu der Ansicht, dass dem antragsgegenständlichen Grundstück lediglich noch ein symbolischer Wert von 1,- Euro zuerkannt werden konnte.“
Wobei ja noch völlig ungeklärt ist, ob die Wiedereinrichtung einer Toilettennutzung durch die Stadt überhaupt finanziell darstellbar ist.
„Grundsätzlich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt der finanzielle Aufwand für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht abschließend bemessen werden. Diesbezüglich ist die Wertminderung durch einen öffentlichen Sachverständigen nachzuweisen“, erklärt das Liegenschaftsamt.
„Die Anlage ist seit mindestens 20 Jahren nicht mehr in Betrieb. Die Höhe der potenziellen Folgekosten bzw. erforderlichen Investitionsmittel für eine Instandhaltung oder Wiedererschließung des Baudenkmals kann ohne Bestandsgutachten ebenfalls nicht bemessen werden.“
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