Vielleicht hat Linke-Stadtrat Michael Neuhaus ja recht, wenn er meint, es brauche wohl erst zwei Beschlussfassungen im Stadtrat, bis die Verwaltung handelt. Auch wenn er am 13. April nicht selber sprach und Fraktionskollege Mathias Weber für ihn die Rede zu einem Antrag der Grünen vorlas, der im Grunde noch einmal aufnahm, was der Stadtrat im Dezember schon beschlossen hat.

Aber gerade wenn es um die Weiße Elster und das Elsterbecken geht, ist das Dranbleiben wahrscheinlich unerlässlich. Und zwar gerade jetzt, da die Stadt am (vom Stadtrat beauftragten) Auenentwicklungskonzept arbeitet und noch völlig offen ist, wie mutig und zukunftsfähig es ausfallen wird.

Denn darüber, dass das ganze Leipziger Auensystem wieder mehr Wasser braucht und in einen naturnahen Zustand versetzt werden muss, wird nun seit über zehn Jahren diskutiert. Und immer wieder versuchte Leipzigs Verwaltung auszuweichen und veraltete Konzepte zu verteidigen und den Stadtrat sogar dazu zu bringen, Beschlüsse zu fassen, die die Renaturierung der Aue ausbremsen und verhindern.

Dass das Elsterbecken zum Beispiel für Millionen Euro entschlammt und wieder zum Ruderbecken gemacht werden sollte, hat sich die Verwaltung erst mit dem letzten Sportprogramm wieder bestätigen lassen. Obwohl die dreistelligen Millionenbeträge für diese Schnapsidee auf Jahrzehnte nicht aufzubringen sind.

2019 noch vom Stadtrat abgelehnt

Während alle Beteiligten wissen, dass sich das Wasserregime im Gewässerknoten ändern muss, wenn der nördliche Auwald vor dem Austrocknen gerettet werden soll. Und dazu muss der Wasserspiegel im Elsterbecken abgesenkt werden, der Fluss dort wieder zu einem richtigen Fluss werden, der auch Sedimente abtransportieren kann, und mehr Wasser in die Nahle und die Luppen fließen muss.

Und so war dann auch der Linke-Antrag gefasst, der dann im Dezember zusammen mit dem Grünen-Antrag zum Cottaweg beschlossen wurde.

Da kann man jetzt fragen, ob der neue Antrag der Grünen extra zum Elsterbecken notwendig war. Aber die Geschichte geht ja schon länger.

Denn: „Die Grüne Ratsfraktion beantragte bereits im Februar 2019 zu prüfen, ob zwischen Palmengartenwehr und dem Luppewehr ein mäandrierender Flusslauf in einer Wiesenlandschaft angelegt werden kann. Der Antrag fand im Rat jedoch keine Mehrheit. Angesichts der verstärkten Aktivitäten von Stadt und Freistaat zur Wiederherstellung der natürlichen Auendynamik und der Notwendigkeit einer umfassenden Renaturierung der Fließgewässer ist auch die Perspektive des Elsterbeckens grundsätzlich zu klären.“

Gerade einmal drei Jahre bedeuten bei dem Thema nun einmal auch, dass es sogar in der Haltung der Verwaltung eine spürbare Veränderung gab, im Stadtrat sowieso. Denn damals folgte die Stadtratsmehrheit bereitwillig der Argumentation der Verwaltung, dass so ein Auftrag nicht sinnvoll wäre. Obwohl auch damals alle schon wussten, wie es um den Auwald stand und wie überholt das 2004 beschlossene Integrierte Gewässerkonzept war.

Künstliche Sedimentfalle: das Elsterbecken. Foto: Matthias Weidemann
Künstliche Sedimentfalle: das Elsterbecken. Foto: Matthias Weidemann

Aber mittlerweile macht auch das Sächsische Umweltministerium Druck, die Renaturierung der Elsteraue zu einem Pilotprojekt gelungener Auenrevitalisierung in Sachsen zu machen. Und das Elsterbecken ist dabei ein ganz zentrales Element.

Auch das IGK kann so nicht bleiben

Selbst das Amt für Stadtgrün und Gewässer schlug jetzt als Beschlusspunkt vor: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Freistaat Sachsen eine Renaturierung des Elsterbeckens hin zu einer natürlichen Flusslandschaft zu prüfen und dabei die Stärkung des Biotopverbunds zwischen nördlichen und südlichen Auwald zu betrachten.“

Das darf man getrost als kleine Revolution bezeichnen. Denn im Begründungstext macht das Amt noch einmal deutlich, wie schwer es dort einigen fällt, vom alten Integrierten Gewässerkonzept von 2004 Abschied zu nehmen: „Eine Umgestaltung des Elsterbeckens hätte zwangsläufig unmittelbaren Einfluss auf das per Stadtratsbeschluss vom 18.02.2004 (Nr. BRIII-1563/2004) beschlossenen Integrierte Gewässerkonzept (IGK) und somit auch auf den Sedimenthaushalt im Gewässerknoten.“

Als wenn dort zwei Sachbearbeiter nebeneinander sitzen, die sich regelrecht befehden. Denn der andere Sachbearbeiter weiß ganz genau, dass das Elsterbecken so nicht bleiben kann – und das IGK erst recht nicht:

„Da das IGK und damit auch die zukünftige Gestaltung des Elsterbeckens einen maßgeblichen Faktor für die zukünftige Auenentwicklung der Nordwestaue darstellt, wird die Gestaltung des Elsterbeckens aus auenökologischer Sicht bei der Erstellung des integrierten Auenentwicklungskonzeptes grundsätzlich mit einbezogen. Die wasserwirtschaftlichen und auenökologischen Belange sowie die Belange der Wasserrahmenrichtlinie sind zu harmonisieren.

Aufbauend darauf erscheint eine vertiefende Betrachtung der Entwicklungsperspektiven des Elsterbeckens insbesondere auch aus Gründen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie/ Schwerpunkt Sedimenthaushalt, des Klimaschutzes, der Klimaanpassung sowie der Auenökologie unter der aufgezeigten Federführung des Freistaates durchaus sinnvoll, bedarf aber eines umfassenden Abstimmungsprozesses, der nicht innerhalb eines Jahres zu leisten sein wird.“

Ein deutlich formuliertes Stöhnen, das aber eben auch verrät, wie bitter notwendig der Grünen-Antrag trotzdem war. Denn wenn diese Arbeit „innerhalb eines Jahres“ nicht zu leisten ist – was steht dann eigentlich im Auenentwicklungskonzept, das das Umweltdezernat Ende 2022 / Anfang 2023 vorlegen will?

Ein Konzept, das ohne eine Renaturierung des Elsterbeckens und einer Veränderung im Gewässerknoten nicht funktionieren kann? Das weiß man doch im Amt für Stadtgrün und Gewässer alles?

Wann verzichtet die Stadt auf die Alte Elster?

Warum da einige Leute im Umweltdezernat unbedingt am Elsterbecken und dem alten IGK festhalten wollen, hatten die Grünen in ihrem Antrag deutlich mit angemerkt:

„Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie sollte eine Renaturierung des Elsterbeckens im Hinblick auf die wasserrechtlichen, technischen und städtebaulichen Aspekte geprüft werden. Dabei ist im Rahmen einer Überarbeitung des Integrierten Gewässerkonzepts die Relevanz des Elsterbeckens für den Hochwasserschutz in Leipzig und Möglichkeit für die Umplanung der Hochwasserschutzanlage zur Ermöglichung einer natürlichen Auendynamik bei gleichzeitigem Ausschluss einer Öffnung der Alten Elster zu betrachten.“

Denn natürlich ist, wenn das Elsterbecken wieder ein natürlicher Fluss werden soll, das künstliche Projekt Alte Elster hinfällig. Überflüssig war es von Anfang an.

Aber da das Amt für Stadtgrün und Gewässer so dringend um mehr Zeit bat, ließ Grünen-Stadtrat Dr. Tobias Peter, der den Antrag in der Ratsversammlung vorgestellt hatte, den Umsetzungszeitpunkt für die Machbarkeitsstudie ins Jahr 2023 verlegen.

Dass es hier um mehr geht als das einfache Umschalten von Wehranlagen, betonte die Grünen-Vorlage ebenfalls: „Eine erweiterte Wirtschaftlichkeitsanalyse sollte lebenszyklusbezogene Kosten-Nutzen-Untersuchungen inkl. sozialen und ökologischen Aspekten sowie der Identifikation von Fördermöglichkeiten untersuchen. Schließlich sind Zuständigkeiten, Befugnisse und notwendige Schnittstellen der Zusammenarbeit der Entscheider/-innen und anderen am Projekt Beteiligten auf kommunaler Ebene und Landesebene zu klären.“

Denn umsetzen muss das Projekt letztlich die Landestalsperrenverwaltung, die dem Freistaat untersteht. Wobei dort das Projekt eines Flusslaufs im Elsterbecken ebenfalls schon seit über zehn Jahren bekannt ist.

Da AfD-Stadtrat Udo Bütow dann die Abstimmung des Verwaltungsstandpunktes beantragte, der auch ein wenig nach „machen wir doch schon“ klang, kam dieser zuerst zur Abstimmung, bekam aber erwartbar nur die Stimmen von CDU und AfD und war damit mit 22:33 Stimmen abgelehnt.

Der deutlich umfassendere Beschlussvorschlag der Grünen-Fraktion bekam dafür 37:20 Stimmen.

2023 sollten wir also endlich erfahren, wie das vor 100 Jahren künstlich geschaffene Elsterbecken endlich wieder in eine natürliche Flusslandschaft verwandelt werden kann.

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