Es war zwar keine Sternstunde, was da am 14. April in der Ratsversammlung zu erleben war, denn eine Stunde brauchte FDP-Stadtrat Sven Morlok nicht, um der Leipziger Verwaltung so richtig die Leviten zu lesen. Aber eine Stern-Viertelstunde war es schon. Auch weil sie einen kurzen Blick in eine Verwaltung freigab, der sonst für die Öffentlichkeit so nicht zu haben ist.
Es ging – wieder – um die Shakespearestraße, deren Umbau der Stadtrat ja schon im März beschlossen hatte. Mit einigen Auflagen, insbesondere aus der Grünen-Fraktion.
Und jetzt gab es eine neue Beschlussfassung, die sich auf den ersten Blick dadurch unterschied, dass sich die geplanten Baukosten von 1,26 auf 1,86 Millionen Euro erhöht hatten. Was auch Sven Morlok verblüffte. Denn die Änderungen, die aufgrund des Grünen-Antrages vorgenommen worden waren, machten tatsächlich nur einen Bruchteil der zusätzlichen Summe aus.
Der größte Teil der zusätzlichen Kosten war schon vorher in den Planungen sichtbar geworden. Aber im März stand er nicht in der Beschlussvorlage. Eine Stelle, an der Morlok ein bisschen plauderte, denn nach seinen Informationen wussten die Mitarbeiter/-innen in der zuständigen Planungsabteilung schon von diesen Zusatzkosten – hatten sie aber nicht mehr in die Vorlage geschrieben, obwohl klar war, dass diese Kosten auf jeden Fall noch anfallen würden.
Nach Morloks Informationen waren weder OBM noch Baubürgermeister informiert, konnten also auch nicht mehr eingreifen. Was Morlok dann zu einer kleinen österlichen Predigt veranlasste, die Mitarbeiter der entsprechenden Abteilung dann doch ein bisschen zu schulen, damit sie beim nächsten Mal entweder eine Neufassung vorlegen oder ein Austauschblatt mit den aktuellen Zahlen mitgeben. Dann weiß die Ratsversammlung, worum es geht und welche Summen wirklich dastehen.
Eine Woche: rekordverdächtig
Und weil er gerade dabei war, lobte er die Verwaltung auch noch, denn die neue Vorlage schaffte wohl so etwas wie einen neuen Rekord: Innerhalb einer Woche durchlief sie das Abstimmungsverfahren. Und das in einer Verwaltung, die es durchaus fertigbringt, mit Vorlagen regelrecht Pingpong zu spielen und die Ratsfraktionen monatelang darauf warten zu lassen.
In diesem Fall, so betonte Baubürgermeister Thomas Dienberg, war aber noch zusätzlicher Druck dabei, denn die einsetzbaren Gelder für den Umbau der Shakespearestraße verfallen, wenn die Stadt nicht in diesem Sommer baut. Weshalb die neue Vorlage dann auch „ein bisschen im Hauruckverfahren“ entstand, so Dienberg. Das würde so schnell wohl nicht wieder passieren.
Aber seinen Mitarbeiter/-innen habe er auch schon eine erste Fortbildungsmaßnahme aufs Auge gedrückt. Dass da einiges unnötig auf den Ämterwegen vertrödelt wird, ist ihm sehr wohl bewusst.
Wer trödelt da eigentlich?
Die Bürger der Stadt sehen immer nur die Effekte, aber nicht, wer und was da in der Verwaltung wirklich für so viele Vertrödelungen verantwortlich ist.
Und dass sich das ändern müsste, ist auch OBM Burkhard Jung durchaus bewusst, der am Ende die Lacher auf seiner Seite hatte, als er an Sven Morlok gewandt sagte: „Manchmal wedelt der Schwanz doch mit dem Hund. – Ist so. – Müssen Sie doch wissen.“
Denn wie man sich fühlt, wenn eine Verwaltung wichtige Entscheidungen vertrödelt, hat Sven Morlok von 2009 bis 2014 ja als sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr bestimmt auch erleben können.
Aber recht hat er: Wenn das Zusammenspiel in der Verwaltung besser läuft, dürften wichtige Vorlagen nicht mehr viele Monate irgendwo im Ämterumlauf festhängen. Dann wären vier Wochen bis zur Abstimmung ein sportliches, aber sinnvolles Ziel.
Am Ende wurde es dann trotzdem noch einmal knapp, obwohl eine Ablehnung der Vorlage aus dem Baudezernat bedeutet hätte, dass die Shakespearestraße gar nicht umgebaut werden kann. Immerhin 20 Stadträt/-innen enthielten sich der Stimme. 19 stimmten dafür und 7 dagegen, was trotzdem bedeutet: Die Vorlage wurde angenommen. Die Straße kann gebaut werden.
Die Debatte vom 14. April 2022 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Keine Kommentare bisher