Irgendetwas lรคuft da in der CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat derzeit nicht mehr rund. Das wurde am 13. April sichtbar, als eigentlich ein Antrag der Grรผnen-Fraktion auf der Tagesordnung stand, in dem es um das โErinnern an das ehemalige Durchgangsheim Leipzig-Connewitz bzw. Heiterblickโ ging. Ein Antrag, der in allen vorberatenden Gremien Zustimmung fand.
Aber im letzten Augenblick, nachdem alle Beratungen abgeschlossen waren, schickte die CDU-Fraktion doch noch einen รnderungsantrag ins Rennen, der den Grรผnen-Antrag vรถllig ausgehebelt hรคtte, wรคre er so beschlossen worden. Dann hรคtte es keine wissenschaftliche Aufarbeitung dessen gegeben, was in den beiden in der DDR betriebenen Durchgangsheimen tatsรคchlich geschehen ist und welche Folgen das fรผr die betroffenen Kinder hatte.
Selbst die Stadtverwaltung hatte den Grรผnen-Antrag vollumfรคnglich bestรคtigt und war bereit, ihn zum eigenen Handeln zu machen.
โIn der Neudorfgasse 1 in Leipzig-Connewitz (bis 1977) und spรคter in der Torgauer Straรe 351 (ab 1977 im bzw. ab 1982 benachbart zum Spezialkinderheim) existierte ein Durchgangsheim der DDR. Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteur/-innen und Zeitzeug/-innen soll eine Auseinandersetzung mit der Arbeit des frรผheren Durchgangsheims stattfinden und ein Ort des Gedenkens in Standortnรคhe errichtet werden. Auรerdem soll das Gedenken an das ehemalige Durchgangsheim in das Konzept Erinnerungskultur der Stadt Leipzig aufgenommen werdenโ, schrieb das Kulturamt in seiner Stellungnahme.
Und machte auch gleich noch eine Liste von Vorschlรคgen, welche Institutionen in das Forschungsprojekt mit eingebunden werden sollten. Denn das Wissen darum, dass in den Durchgangsheimen inakzeptable Zustรคnde zu verzeichnen waren, allein genรผgt nicht. Auch die Zeit lรคuft davon, wenn man รผberhaupt noch mit Betroffenen sprechen mรถchte.
Es ist also hรถchste Zeit, dieses dunkle Thema in Leipzigs Geschichte wissenschaftlich festzuhalten.
Aber all das wรคre vรถllig entfallen, hรคtte der Stadtrat dem Schnellschuss der CDU-Fraktion zugestimmt, die zwar mit der Einrichtung eines mobilen Lernorts einen neuen Gedanken einbrachte, wie CDU-Stadtrat Karsten Albrecht meinte.
Aber was soll dieser Lernort eigentlich zeigen, wenn es keine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung gibt?
Logisch, dass selbst Monika Lazar sauer war, die den Grรผnen-Antrag in der Ratsversammlung vorstellte. Und auch nicht sehen konnte, was die CDU damit eigentlich bezweckte. Genauso ging es SPD-Stadtrat Christian Schulze, der auch nicht verstehen konnte, warum die CDU-Fraktion hier einen kompletten รnderungsantrag geschrieben hatte, der den Grรผnen-Antrag ersetzen wollte โ und das, nachdem alle vorberatenden Gremien, der Stadtbezirksbeirat Leipzig-Sรผd sogar einstimmig, den Antrag fรผr gut befunden haben.
Und dass die CDU-Fraktion โ die Vorschlรคge der Verwaltung vรถllig ignorierend โ ausgerechnet die โRunde Eckeโ als Institution vorschlug, die Sache zu erarbeiten, fand Thomas Kumbernuร (Die PARTEI) dann vรถllig daneben. Die Gedenkstรคtte Runde Ecke hรคtte vollauf mit sich zu tun und wรคre mit dem zusรคtzlichen Thema wohl vรถllig รผberfordert.
Aber Karsten Albrecht zog den Antrag nicht zurรผck. Mit dem Ergebnis, dass dieser mit 9:35 Stimmen bei 9 Enthaltungen sang- und klanglos unterging, wรคhrend der Ursprungsantrag der Grรผnen dann โ doch รผberraschend โ bis auf eine Enthaltung volle Zustimmung in der Ratsversammlung fand.
Was nun bedeutet, dass mehrere Partner aus der Leipziger Wissenschaft mit der โAufarbeitung der Arbeit des frรผheren Durchgangsheims in der Neudorfgasse 1 bzw. Torgauer Str. 351โ beauftragt werden. Und dass nach Abschluss der wissenschaftlichen Aufarbeitung โin unmittelbarer Nรคhe des ehemaligen Standortes Neudorfgasse 1 in Connewitz in angemessener Weise ein Ort des Gedenkensโ eingerichtet wird. Womit dann dieses Kapitel in der jรผngeren Geschichte auch vor Ort sichtbar gemacht wird.
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