Es schien alles so einfach: Wenn die Messebrücke, die das Alte Messegelände mit dem Wilhelm-Külz-Park verbindet, fertig ist, könnte man einfach das temporäre Panorama auf den Stadtbalkon dort setzen und für zehn Jahre wäre Yadegar Asisis Panorama-Bild zur Völkerschlacht direkt in der Achse zum Völkerschlachtdenkmal zu sehen. Doch schon im Juni 2021 deutete Burkhard Jung an, dass das so nicht klappt.
Weshalb? Aus Denkmalschutzgründen. Denn in Leipzig sind eine Menge Bauten und Anlagen unter Denkmalschutz gestellt. Auch das, was hier als Stadtbalkon bezeichnet wird, weil man – von der im Juni 2021 fertiggestellten Brücke kommend – wie auf einen Balkon hinaus tritt und über das Gelände der Alten Messe Richtung Innenstadt schaut.
Aber schon damals waren die Grünen mit der eher beiläufig getätigten Absage nicht zufrieden. Denn beschlossen hat der Stadtrat, dass das Panorama auf den Stadtbalkon kommen sollte.
Will die Stadt das Projekt nicht umsetzen?
Es war dann schon die geballte Mehrheit aus der Ratsversammlung, die sich dann im November 2021 zu Wort meldete und den OBM aufforderte, mit dem Landesdenkmalamt ins Einvernehmen zu kommen, damit das Panorama-Gebäude trotzdem temporär auf dem Stadtbalkon errichtet werden könnte.
Der Antrag war gleichzeitig eine geharnischte Kritik an der Verwaltung und ihrer Verzögerungstaktik, die letztlich auf eine Verhinderung des Projekts hinauszulaufen schien. Da wurde eine Bauvoranfrage gestellt, die so nicht genehmigungsfähig war. Eine Machbarkeitsstudie für 50.000 Euro sollte beauftragt werden, die damals nicht beauftragt wurde.
„In der Rückschau wirken die städtischen Aktivitäten seit dem Stadtratsbeschluss allesamt als Bestandteile einer von Beginn an verfolgten Verhinderungsstrategie. Von vielen Menschen wurde in den vergangenen fünf Jahren eine Menge Kraft und Zeit in dieses Projekt investiert, der Künstler selbst wurde auch mindestens zweimal nach Leipzig gebeten, um an der Idee mitzuwirken“, schrieben die hier versammelten Stadträt/-innen.
„Insofern halten wir unverändert daran fest, die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses von 2018, konkretisiert um obige Änderungen, einzufordern.“
Ein mögliches Baufeld neben dem Stadtbalkon
Seitdem sind auch wieder einige Monate ins Land gegangen. Die Dezernate Stadtentwicklung und Bau und für Kultur haben jetzt endlich auch eine gemeinsame Stellungnahme dazu verfasst.
Diese betont auch noch einmal, dass das Landesdenkmalamt stur sein kann, wen es sich etwas in den Kopf gesetzt hat: „Am 13. Juli 2021 hat die Landesdirektion Sachsen im Dissensverfahren über die denkmalrechtlichen Aspekte entschieden. Sie ist hierbei den Einwänden des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen gefolgt, wonach die Errichtung des Ausstellungsgebäudes nicht genehmigungsfähig sei. Das Gebäude stelle durch seine Größe eine Beeinträchtigung der städtebaulichen Denkmale Alte Messe und Straße des 18. Oktober dar, es beeinträchtige die Freitreppe vor der Bahnüberführung und störe erheblich die Blickbeziehung von der Straße des 18. Oktober zum Völkerschlachtdenkmal.“
Das also, was aus Sicht der Ratsfraktionen für den Aufstellungsort spricht, spricht aus Sicht der Landesdenkmalpflege dagegen.
Und nun?
Nun schlägt die Verwaltung ein Grundstück südlich des Stadtbalkons als möglichen Standort vor, das sogenannte Baufeld 6b: „Mit Schreiben vom 25.2.2022 hat das Landesamt für Denkmalpflege mitgeteilt, dass gegen den vorgeschlagenen Alternativstandort auf dem Baufeld 6b, westlich der Rampe, keine Einwände bestehen. Damit liegt zu diesem Standort das Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege vor.“
Ob der Standort sich wirklich für den Aufbau einer Ausstellungsrotunde eignet, können die beiden Dezernate trotzdem noch nicht sagen, weshalb es jetzt erst einmal die Beauftragung für eine Machbarkeitsstudie brauche: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, das Baufeld 6b auf der Alten Messe auf seine Eignung als alternativer Standort zur Errichtung einer Ausstellungsrotunde zur Präsentation des Panoramas ‚1813 – In den Wirren der Völkerschlacht‘ von Yadegar Asisi, zu untersuchen und hierfür ggf. eine Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen.“
Denn auch die anderen beiden Antragspunkte bereiten der Verwaltung Kopfschmerzen: Wer baut eigentlich die Rotunde und wer betreibt das Panorama dann?
Wer kann so ein Projekt umsetzen?
So hatten es die antragstellenden Stadträt/-innen formuliert: Der OBM solle „die LEVG Gmbh & Co. KG mit der Errichtung einer entsprechenden Ausstellungsrotunde und befristeten Verpachtung (10 Jahre) an einen Dritten beauftragen“ und er solle „die Stiftung Völkerschlachtdenkmal mit der Aufgabe der Betreibung der temporären Ausstellung beauftragen und dazu entsprechende, auch mit dem Freistaat Sachsen abzustimmende, notwendige Satzungsänderungen vorzunehmen.“
Aber die Stiftung Völkerschlachtdenkmal darf so etwas laut Satzungsstatut nicht.
Und zur Beauftragung mit dem Bau vollzieht die Stellungnahme der Stadt einen kleinen Eiertanz: „Die Errichtung des Ausstellungsgebäudes kann allerdings nur zeitlich befristet erfolgen, da eine dauerhafte Nutzung nicht im Einklang mit den bestehenden Eigentümerzielen des Gesellschafters Stadt Leipzig steht.
Durch einen entsprechenden Pachtvertrag zwischen der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH & Co. KG und dem Errichter und Betreiber der Ausstellungsrotunde ließe sich das sicherstellen. Steuerungs- und Planungsaufgaben können von der LEVG übernommen werden. Die Frage der Bauherrenschaft und Betreibung bleibt noch zu klären. – Aus diesem Grund kann der Beschlusspunkt 2 des Antrags (Beauftragung der Errichtung und Verpachtung der Ausstellungsrotunde) nicht umgesetzt werden.“
Kein Wort dazu, ob die LEVG das Gebäude selbst errichten könnte.
Und dass es sowieso nur temporär für zehn Jahre stehen soll, war ja Kern des Antrags gewesen.
Entweder wollten die Autoren dieser Passage sich unwissend stellen – oder ihnen war es zu viel der Arbeit, gleich zu klären, ob die LEVG den temporären Rundbau hinstellen kann.
Wäre bestimmt attraktiv, aber …
Da darf man wohl ein paar sehr spitze Reden in der Ratsversammlung erwarten, wenn diese Stellungnahme zur Debatte kommt. Denn auch sie strahlt den Unwillen aus, das Wunschprojekt des Stadtrates Wirklichkeit werden zu lassen.
Und das, obwohl dieselbe Stellungnahme gleichzeitig feststellt: „In der Vergegenwärtigung und touristischen Erschließung der Völkerschlacht ist eine gewisse Lücke zu konstatieren, die durch die dezentralen Initiativen nur bedingt geschlossen werden kann. Hierzu könnte eine überarbeitete Wiedereinrichtung des 2013 temporär angebotenen Völkerschlacht-Panoramas einen signifikanten Beitrag leisten, der allerdings hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen und inhaltlichen Synergien sowie des absehbaren Besucherverhaltens samt seiner Auswirkungen auf das Denkmal und das angeschlossene Museum ‚Forum 1813‘ nochmals umfassend zu untersuchen wäre, ggf. im Wege einer Machbarkeitsstudie.
Die Schaffung eines attraktiven und fußläufig gut erschlossenen Völkerschlacht-Quartiers zwischen Denkmal, Quandscher Tabaksmühle, Külz-Park und neuer Messebrücke könnte die Erinnerungslandschaft Leipzigs bereichern.“
Vielleicht wird hier einer der Gründe sichtbar, warum so viele Dinge in Verwaltungsvorgängen so lange dauern: Es ist die Sehnsucht nach größtmöglicher Absicherung. Lieber nicht riskieren, dass ein Panorama-Bau dieser Art zum Flop wird. Lieber erst mal eine Machbarkeitsstudie beauftragen. Und wenn die dann bestätigt, dass die Sache funktionieren könnte, dann wird der nächste Schritt gewagt.
Falls der Stadtrat dieser Vorlage jetzt zustimmt, könnten wir sogar noch in diesem Jahr erfahren, ob die Sache eine Chance hat: „Im Falle, der Alternativvorschlag wird beschlossen, kann das Ergebnis der Untersuchung dem Stadtrat bis Ende 2022 vorgelegt werden.“
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