Ganz bestimmt denken Eisvögel selbst nicht in „Rekordjahren“. Dazu sind sie viel zu sehr mit Futtersuche, Brut und Fütterung beschäftigt. Ein Eisvogel-Leben ist eigentlich Stress. Und ein Frostwinter wie 2021 dezimiert auch die Leipziger Eisvogel-Population. Und zwar heftig.
In Leipzig ist der Bestand an Eisvögeln im Jahr 2021 deutlich zurückgegangen. Und zwar von 57 Brutrevieren im Jahr 2020, dem „Rekordjahr“ auf gerade einmal sieben. Das hat auch Jens Kipping vom mit dem Monitoring beauftragten Büro BioCart so noch nicht erlebt.
Aber eine wirkliche Überraschung ist es nicht. Denn auch vorher schon war bekannt, wie schnell ein lang anhaltender Frost den blau schillernden Fischfängern zusetzen kann.
Wie das von März bis August 2021 durchgeführte Monitoring ergab, konnte etwa am Floßgraben infolge des Kälteeinbruchs im Februar lediglich ein Brutrevier des Eisvogels (Alcedo atthis) festgestellt werden.
„Der letztjährige Brutbestand am Floßgraben bedeutet einen Tiefpunkt nach den guten Jahren 2015, 2016 und 2020“, erläuterte Jens Kipping, der seit 2013 jährlich das ökologische Gutachten zum Eisvogel-Bestand für die Stadt erstellt.
„Der mehrtägige Frost im Februar war ursächlich für die starke Ausdünnung der Population und den jahreszeitlich sehr späten Brutbeginn. Auch im Leipziger Auwald und im übrigen Stadtgebiet wurde ein drastischer Bestandsrückgang registriert.“
Unverzichtbar: das Brutrevier im Floßgraben
Von Anfang März bis Ende August 2021 gab es im Rahmen des Monitorings insgesamt 42 Begehungen am Floßgraben. Das festgestellte Brutrevier, in welchem das Brutpaar gleich zweimal hintereinander erfolgreich brütete, befand sich an einem der traditionellen Stammplätze im Floßgraben. Die Anzahl der Jungvögel lag im normalen Schwankungsbereich des Eisvogels, betont Kipping.
Der ja auch zu kontrollieren hatte, wie sich der Bootsbetrieb im Floßgraben auf Brut und Fütterung des Eisvogels auswirkte. Aber aus Kippings Sicht funktioniert die Allgemeinverfügung der Stadt, die erstmals 2016 eingeführt wurde und die Fahrzeiten im Floßgraben deutlich einschränkt. So bekommt der Eisvogel erst einmal die nötigen Pausen, in denen er Fische fangen und seine Brut füttern kann.
Signifikante Beeinträchtigungen des Jagd- und Fütterungsverhaltens der Eisvögel oder Brutaufgaben durch Störungen wurden nicht festgestellt, so Kipping. Wie in den Vorjahren bestätigte das Monitoring, dass die Eisvögel auf Störungen zwar grundsätzlich empfindlich reagierten, sich jedoch mit fortschreitender Brutsaison und insbesondere aufgrund der Regelungen der Allgemeinverfügung für den Floßgraben mit dem Bootsverkehr arrangiert hätten.
Vier erfolgreiche Brutreviere gab es 2021 im Leipziger Gebiet – neben dem Floßgraben, wo die Eisvögel traditionell ihre Brutröhren in der Nähe des Klärwerks Markkleeberg haben, noch am Nahlewehr, in der Burgaue und an der oberen Weißen Elster bei Lützschena.
Wobei es an der Nahle und am Floßgraben jeweils zwei erfolgreiche Bruten gab. Und das, obwohl die durch den frostigen Winter und die damit fehlende Nahrung geschwächten Vögel erst spät mit der ersten Brut beginnen konnten.
Eis und Frost sorgen für Nahrungsmangel
Am Floßgraben waren die Eisvögel sogar schon um Februar so weit, mit der Brut zu beginnen, berichtet Kipping. Ende Februar / Anfang März ist für sie gewöhnlich Brutbeginn. Aber dann kam der Frost mit bis zu 17 Grad unter Null.
Schmale Gewässer wie der Bauerngraben froren zu, an breiteren Flüssen bildeten sich Eisränder, die für den Eisvogel auch schon zum Problem werden. Das vertrieb viele Leipziger Eisvögel möglicherweise in wärmere Regionen. Viele werden aber auch verhungert sein. Schon Tage nach Frostbeginn waren sie verschwunden.
Sodass sich das neue Brutpaar am Floßgraben erst wieder finden musste und erst ab 1. April mit der Brut begann.
Aber ist dieser große Verlust denn keine Katastrophe? Eher nicht, sagt Kipping. Der Leipziger Eisvogelbestand hat sich durch den harten Frost wieder auf sein Normalmaß reduziert.
Dass es gerade 2020 so viele Eisvögel und Bruterfolge gab, hat damit zu tun, dass dem eine ganze Reihe warmer und frostarmer Winter vorausging. Je mehr Eisvögel den Winter überleben, umso mehr können auch eine neue Brut großziehen.
Trotzdem ist der Floßgraben ein sensibles Refugium.
Die notwendigen Kontrollen am Floßgraben
„Die störungsfreien Ruhezeiten für den Eisvogel am Floßgraben sind unverändert wichtig“, lässt sich Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal zitieren. „Sie gewährleisten eine an die Gegebenheiten angepasste Nutzung des sensiblen Gewässers durch die Wassersportler.“
So ist das Befahren des Floßgrabens mit Wasserfahrzeugen vom 1. März bis 30. September nur eingeschränkt möglich. Grundlage ist die rechtswirksame Allgemeinverfügung (AGV). Mit maschinenbetriebenen Booten aller Art ist es grundsätzlich untersagt, den Floßgraben zu befahren.
Für Kajaks und Kanus (muskelkraftbetrieben) ist der Floßgraben nur von 11 bis 13 Uhr, von 15 bis 18 Uhr und von 20 bis 22 Uhr zugelassen.
Außerdem ist das Betreten der Ufer einschließlich eines 20 Meter breiten beidseitigen Uferstreifens und das Freilaufenlassen von Hunden verboten.
Aber es gibt immer noch Zeitgenossen, die sich daran nicht halten. 2021 ging zwar der Bootsverkehr im Floßgraben deutlich zurück, weil auch die Einschränkungen durch die Corona-Verordnung erst im Mai aufgehoben wurden. Aber dafür sind viele Menschen doch wieder fußläufig in die eigentlich untersagten Uferbereiche des Floßgrabens vorgedrungen. Und das auch mit Hunden.
Zur Ahndung von Verstößen gegen die Allgemeinverfügung gab es 2021 drei Großkontrollen durch das Amt für Umweltschutz in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt, der Wasserschutzpolizei sowie der Untern Naturschutzbehörde des Landkreises Leipzig sowie eine Zusatzkontrolle durch den Stadtordnungsdienst der Stadt Leipzig. Insgesamt wurden 56 Verstöße festgestellt, wobei 55 Verstöße mit einem Verwarngeld durch die Bußgeldbehörde geahndet wurden.
Dabei war die Zahl der Kontrollen gegenüber 2020 schon reduziert worden, von 16 auf insgesamt vier. Doch während 2020 36 Verstöße festgestellt wurden, waren es – schwerpunktmäßig bei den drei Großkontrollen – 2021 dann 56. Möglicherweise, weil es nach Aufhebung der Corona-Einschränkung deutlich mehr Menschen in den Auwald und an die Gewässer zog.
Aber insgesamt, so schätzt auch Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, ein, geht es dem Eisvogel in Leipzig gut. Jedenfalls so gut, wie es ihn nach dem frostigen Februar 2021 im vergangenen Jahr gehen konnte.
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