Leipzig wächst. Leipzig schrumpft aber auch. Nämlich dort, wo die Stadt bis 1990 noch durch große Industriegebiete geprägt war. Teilweise wurden sie noch weiter genutzt. Aber auch diese Gebiete verlieren ihre alte Rolle. So wie das alte Industriegebiet an der Ludwig-Hupfeld-Straße. Eine Potenzialstudie soll jetzt klären, was man aus dieser Dornröschenecke machen kann.

Zuletzt stand das alte Industriegebiet zwischen Böhlitz-Ehrenberg, Leutzsch und der Merseburger Straße ja im Fokus der Aufmerksamkeit, als dort im September 2020 die Ära der Gießereien zu Ende ging. Neue Großansiedlungen gibt es keine, weil die Grundstückzuschnitte modernen Erfordernissen an Fabrikplanungen meist nicht genügen und wichtige Anschlüsse fehlen, auch wenn das alte Gewerbegebiet gleich von zwei Bahnstrecken begrenzt wird.

„Das Gebiet weist, auch durch die Insolvenz der Gusswerke Leipzig GmbH (ehem. Halberg Guss), große Flächenpotenziale sowie einen akuten Sanierungsbedarf mit zeitweise Versorgungsengpässen auf. Das beeinträchtigt die wirtschaftliche Tätigkeit der ansässigen Unternehmen“, schreibt das Amt für Wirtschaftsförderung in seine Stadtratsvorlage, die die Beauftragung der Potenzialanalyse begründen soll.

„Zudem könnten ungenutzte Flächenpotenziale für betriebliche Erweiterungen und Neuansiedlungen aktiviert werden. Potenziale für die Entwicklung und Revitalisierung des Altindustriegebietes sollen analysiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Die Erkenntnisse dienen einer künftigen baulichen Planung.“

Noch gibt es ja etliche Gewerbebetriebe im Gebiet. Der markante Turm der einstigen Hupfeldschen Klavierfabrik, der heute zum Hupfeld-Center gehört, dominiert weithin sie Skyline des Gewerbegebietes.

Aber die Infrastrukturen sind verschlissen. Und bevor diese großflächig instand gesetzt werden, will die Stadt tatsächlich erst einmal wissen, was passieren muss, damit man hier dauerhaft Gewerbe sichern und auch wieder neu ansiedeln kann.

„Ein weiterer Anlass für die Potenzialstudie ist der schlechte Versorgungszustand im Gebiet. Es herrscht ein Sanierungsstau im öffentlichen Raum, der sich zum Beispiel durch einen sehr schlechten Zustand der Straßen/Fahrbahn und der Zuwegungen sowie auftretende Havarien durch marode Wasserleitungen kennzeichnet“, liest man in der Vorlage.

„Die logistischen Anforderungen an die Verkehrswege werden durch den derzeitigen Zustand nicht ausreichend erfüllt. Diese angeführten Punkte gefährden den laufenden Betrieb der ansässigen Unternehmen. Schriftliche Beschwerden einiger Unternehmen liegen der Verwaltung bereits vor.“

Dass dabei auch eine Klimaschutzanpassung Thema ist, liest man ebenso wie das Augenmerk auf der „Sanierung der Straßen, auch für Radfahrer und Fußgänger“. Ein Thema, das ja auch den Ortschaftsrat Burghausen beschäftigt. Denn die Merseburger Straße ist ja – obwohl der wichtigste Zubringer auch für das Gebiet an der Ludwig-Hupfeld-Straße – ein Dauerproblem für alle, die hier mit dem Fahrrad oder gar zu Fuß Richtung Lindenau wollen.

Will man aber moderne Unternehmen hier halten oder ansiedeln, wird das ohne gut ausgebaute Radwege keinen Sinn ergeben.

Deswegen ist der Punkt „Bürgerbeteiligung“ in der Vorlage höchst problematisch, denn er berücksichtigt nur die sowieso schon vor Ort Ansässigen: „Bei der Studienerstellung werden insbesondere die Unternehmen, Versorger, Stadtverwaltung und Flächeneigentümer sowie andere Anlieger beteiligt. Eine umfassende Beteiligung mit Hilfe von Konferenzen und Interviews etc. insbesondere der Unternehmen und Nutzer vor Ort über die gesamte Projektlaufzeit hinweg wird als zentral angesehen. Der überwiegende Teil der Flächen in dem Betrachtungsgebiet gehört den ansässigen Unternehmen und anderen Privaten.“

Eine Anbindung des sehr abgelegenen Gewerbegebiets über die definierte Fläche der Potenzialanalyse hinaus scheint dringend angeraten. Denn im Bereich der Georg-Schwarz-Straße tangiert das Gebiet nicht nur die Georg-Schwarz-Brücken, die ab 2023 neu gebaut werden sollen, sondern auch das B-Plan-Gebiet „Bahnbogen Leutzsch“, in dem die Stadtratsfraktionen schon das Fehlen wichtiger Infrastrukturen für den Ortsteil Leutzsch kritisiert haben.

Dass man auch ein solches Gewerbegebiet nicht mehr isoliert von seinem Umfald beplanen kann, klingt in der Vorlage zumindest an, wenn dort steht: „Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung unserer Stadt spiegelt sich in den genannten Zielstellungen wider, die alle drei Aspekte von Nachhaltigkeit umfassen – ökonomisch, sozial und ökologisch. Es soll zudem geprüft werden, ob und wie die Realisierung eines CO2-neutralen Industriegebietes möglich ist. Da die Flächeneigentümer hauptsächlich Unternehmen und Privatpersonen sind, ist hierbei deren Beteiligung und Bereitschaft zu Veränderungen und Modernisierungsprozessen unerlässlich.“

Für die Erstellung der Potenzialanalyse hat das Amt für Wirtschaftsförderung knapp 70.000 Euro eingeplant.

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