Am Ende blieb auch der Tonanlage einfach der Ton weg, so aufgeregt wurde am 15. März dann doch noch einmal die Diskussion um zwei neue Erhaltungssatzungen in Leipziger Ortsteilen – genauer einem Erhaltungsgebiet in Kleinzschocher/Plagwitz und einem in Leutzsch. So gingen dann auch die letzten Pointen von FDP-Stadtrat Sven Morlok verloren.

Aber das Wesentliche war vorher im Disput schon gesagt worden – mit klaren Fronten zwischen den beiden bürgerlichen Parteien FDP und CDU, für die die Stadträte Sven Morlok und Karsten Albrecht sprachen, und der linken Mehrheit im Stadtrat, für die sich Linke-Stadtrat Mathias Weber und Grünen-Stadtrat Dr. Tobias Peter zu Wort meldeten – ganz ohne Redekonzept, denn eigentlich hatten beide nicht mehr damit gerechnet, dass nun doch noch mal über die beiden Satzungen grundsätzlich debattiert werden würde, nachdem man schon vor zwei Jahren die Untersuchung dazu beschlossen hatte.

Und nachdem auch das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung zu dem Schluss gekommen war: „Im Gutachten (Detailuntersuchung) wurde nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Erhaltungssatzung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB – bestehendes Aufwertungspotenzial, Aufwertungsdruck, Verdrängungsgefahr – im zukünftigen Erhaltungsgebiet Plagwitz/Kleinzschocher vorliegen.“

Dasselbe hatte das Amt auch für den untersuchten Bereich in Leutzsch festgestellt.

Denn natürlich sind es immer die preiswerten Mietwohnungssegmente, die unter Druck geraten, wenn der Wohnraum in einer wachsenden Stadt wie Leipzig immer teurer wird. Dann verdrängen nämlich die zahlungskräftigeren Mieter die nicht so zahlungskräftigen. Hausbesitzer nutzen die gute Vermietungslage, um ihre Häuser aufzuwerten und die Wohnungen danach entweder als Eigentumswohnungen anzubieten oder zu deutlich höheren Mieten.

Und die Frage ist dann tatsächlich, wer dann aus welchen Gründen wegziehen will oder wegziehen muss. Aus Sicht von Sven Morlok seien aber ausgerechnet steigende Mieten nur für einen kleinen Teil derer, die wegziehen müssten, der Grund fürs Wegziehen. Anders als bei denen, die wegziehen wollen. Was für ihn dann dazu führt, dass die, die dableiben müssten, weil sie sich einen Umzug nicht leisten könnten, mehr oder weniger Teil einer Entwicklung wären, bei der das ganze Viertel in einen Abwärtstrend geriete, weil dann auch nur Leute zuziehen würden, die ebenso dringend auf preiswerte Mietwohnungen angewiesen wären.

Also eine Art umgekehrte Gentrifizierung, bei der ein Viertel mit Sozialer Erhaltungssatzung irgendwann zu einem Problemviertel nur noch mit armer Bevölkerung würde.

Es ist wirklich schwer, den Blickwinkel zu ändern, wenn man so eine Sichtweise verinnerlicht hat, die CDU-Stadtrat Karsten Albrecht dann auch noch verstärkte, als er das Loblied auf die unersetzlichen privaten Investoren sang.

Würden eben die beiden Vorlagen nicht gerade das Gegenteil zeigen, nämlich die Gentrifizierung, wie sie tatsächlich passiert. Nicht nur in Leipzig. Denn wie Dr. Tobias Peter von den Grünen anmerkte, passiert die Aufwertung im Quartier ja trotzdem und ohne dass der Stadtrat das verhindern kann.

Die Erhaltungssatzung bezieht sich ja nur auf den schon bestehenden Wohnungsbestand, nicht auf die Neubauten, die auch im Gebiet Kleinzschocher/Plagwitz entstehen und dafür sorgen, dass auch hier das Gesamtmietniveau steigt und über Anpassungen über den Mietspiegel auch auf die Bestandswohnungen durchschlägt.

„Wir können die Entwicklung nur bremsen“, sagte Peter.

Und da klingt dann Sven Morloks Argument, dass die, „die das Geld nicht haben“, bleiben müssen, schon seltsam. Denn die Erhaltungssatzung zielt ja darauf, dass sie überhaupt bleiben können und nicht im Lauf der still vor sich gehenden Gentrifizierung weichen müssen. Diese Entwicklung kann eine Stadt mit der Erhaltungssatzung nur bremsen.

Und dann kann man sich streiten, ob Leipzig deshalb prosperiert, weil es auch noch bezahlbaren Wohnraum für Geringverdiener (ohne die auch kein Wirtschaftsaufschwung stattfindet) hat. Oder ob es prosperiert, weil sich private Investoren hier wohlfühlen, wie Karsten Albrecht meinte.

Dass da die CDU-Fraktion durchaus sehr emotional reagiert, konnte man beim Redeversuch von Mathias Weber erleben, den die Zwischenrufe gerade von CDU-Stadtrat Falk Dossin völlig aus dem Konzept brachten. Ein Punkt, an dem man merkt, dass es bei den Erhaltungssatzungen tatsächlich ans Eingemachte geht, dass hier die Interessen von Investoren und Hausbesitzern auf der einen Seite direkt auf die Sorgen derer prallen, die genau wissen, dass sie sich die nächste Mieterhöhung nicht mehr leisten können und dann wohl den Ortsteil, in dem sie sich wohlfühlen, verlassen müssen.

Deswegen müsse man in Plagwitz/Kleinzschocher und Leutzsch eben auch von Verdrängung reden, sagte Weber.

Dass die Erhaltungssatzung kein Einfrieren des aktuell Existierenden bedeutet, steht auch so in den Vorlagen: „Über eine Soziale Erhaltungssatzung können (nur) Sanierungen über den Standard hinaus verhindert werden, nicht aber die Herstellung des durchschnittlichen Ausstattungsstandards einer vergleichbaren Wohnung. Zur Unterstützung von Erhaltungszielen kann in einem Sozialen Erhaltungsgebiet die Stadt das allgemeine Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 BauGB ausüben, wenn die Gefahr erkennbar wird, dass durch Veräußerung eines Grundstücks mit Wohngebäude die in der Satzung aufgeführten Ziele gefährdet werden.“

Was immerhin ein kleines Zugriffsrecht der Stadt ist, um auch jenen eine Chance zu lassen, sich das Wohnen im Erhaltungsgebiet zu leisten, die sonst die Koffer packen müssten.

Beide Satzungen bekamen am Ende die nötige Mehrheit, Plagwitz/Kleinzschocher mit 29:22:2 Stimmen und Leutzsch mit 28:22:2 Stimmen.

Die Debatte vom 15. März 2022 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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