Manchmal hat man das Gefühl, wenn es um Leipziger Gewässeröffnungen geht, dann hegt die zuständige Verwaltung eine Art Überwältigungsstrategie. Man hat seine vor 15 Jahren entwickelten Visionen im Kopf, wie das Ganze auszusehen hat und drückt diese dann auch mal mit Vorlagen durch, die von den Ratsfraktionen wie kalte Duschen empfunden werden. So wie jüngst gerade mit der Vorlage zur Öffnung des Pleißemühlgrabens bis zum Zoo.

Dass das zuständige Amt für Stadtgrün und Gewässer hier Pläne hegt, den Pleißemühlgraben auch vom Naturkundemuseum bis zum Zoo wieder zu öffnen, ist zwar schon länger bekannt. Aber die Mitglieder des Fachausschusses Stadtentwicklung und Bau waren dann doch heftig überrascht, dass das Amt dann einfach eine dicke Vorlage nicht nur für die Planungen zur Öffnung des Pleißemühlgrabens von der Käthe-Kollwitz-Straße bis zur Jahnallee vorlegte, sondern den Abschnitt bis zum Zoo einfach mit hineinpackte, obwohl es für den zweiten Teil es Mühlgrabens noch nicht mal eine Wasserrechtliche Genehmigung gibt.

Mehrere Einzelschritte notwendig

Ganz davon abgesehen davon, dass die Erfahrungen mit dem Elstermühlgraben zeigen, dass die Stadt eine Öffnung eines so langen Grabenstücks weder in einem Schritt bauen kann, noch dafür die benötigten Gelder zeitnah aufbringen wird.

Schon jetzt ist absehbar, dass hier mindestens drei – wenn nicht gar mehr Einzelschritte notwendig sind. Es ist ja noch nicht einmal geklärt, in welcher Weise und an welcher Stelle jetzt den Ranstädter Steinweg gequert werden soll, nachdem man mit dem Beschluss, den Pleißemühlgraben nicht in seinem alten Bett hinter der Hauptfeuerwache zu führen, eine völlig neue Lösung am Ranstädter Steinweg notwendig gemacht hat.

Hier einfach mal für 2,7 Millionen Euro durchzuplanen, finden die Mitglieder im Fachausschuss Planung und Bau inakzeptabel.

Gibt es überhaupt eine Prioritätenliste?

„Erst im Zuge der Planung werden gegenwärtig noch strittige Rahmenbedingungen für die Öffnung des in der Vorlage beschriebenen Abschnittes fachlich der Art bearbeitet, dass eine fundierte Entscheidung über die Gestaltung des Verlaufs des geöffneten und wieder hergestellten Pleißemühlgrabens getroffen werden kann“, begründen sie deshalb ihren Änderungsantrag zur Vorlage aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer.

„Aufsetzend auf den Ergebnissen bis zur Planungsphase 2 werden der Stadtrat und die zuständigen Stadtbezirksbeiräte in die Lage versetzt, die Wirkung der vorgeschlagenen Öffnungsabschnitte und -bauweisen abzuschätzen. Dafür ist ebenfalls erforderlich, die Relevanz dieser Abschnitte im Vergleich zu anderen potenziellen Abschnitten und Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu kennen.“

Denn auch das wird aus Sicht des Ausschusses in der Vorlage sträflich vernachlässigt: Wie ordnet sich dieses letztlich sehr große Grabenöffnungsprojekt eigentlich ein in die Wasserrahmenrichtlinie und das erst zum Jahresende erwartete Auenentwicklungskonzept?

„Die einzelnen Abschnitte des Pleißemühlgrabens sind in das Gesamtkonzept der Leipziger Gewässerentwicklung und mit Blick auf die Erstellung des Auenentwicklungskonzeptes und der Fortschreibung des Integrierten Gewässerentwicklungskonzeptes einzuordnen“, fordern die Ausschussmitglieder.

Und: „Zu diesem Zweck legt die Verwaltung dem Stadtrat bis zum IV. Quartal 2022 eine Priorisierung der Vorhaben zur Öffnung der Leipziger Mühlgräben sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie vor. Soweit möglich und realistisch werden Prognosen zu Kosten und personellen Ressourcen getätigt.“

Ein Wunsch, bei dem man jetzt schon ahnt, dass das so schnell nicht zu schaffen sein wird. Denn die „Prioritätenliste“ der Öffnung der Mühlgräben ist auch schon über 15 Jahre alt und muss immer wieder gedehnt und gestreckt werden. Die Öffnung des Elstermühlgrabens hat über zehn Jahre länger gedauert als geplant und wurde deutlich teurer als anfangs kalkuliert. Die Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Lampestraße war eigentlich viel früher terminiert als die hinter dem Naturkundemuseum.

Anderswo bröckelt die Wölbleitung

Dringender Handlungsbedarf besteht längst schon an der Wundtstraße. Erst im Dezember hatte die Verwaltung gemeldet: „Aktuelle Untersuchungen hatten ergeben, dass Belastungen, auch durch Begehen, die Standsicherheit der unter dem Grünstreifen verlaufenden Wölbleitung des Pleißemühlgrabens gefährden.“

Doch statt hier konkrete Öffnungsschritte einzuleiten, will man die alte Wölbleitung nur flicken: „Der Pleißemühlgraben war in den Jahren 1951 bis 1956 auf einer Länge von etwa drei Kilometern verrohrt worden. Die sogenannte Pleiße-Wölbleitung weist immer wieder bautechnische Mängel auf und wurde bereits an mehreren Abschnitten im Stadtgebiet wieder offengelegt. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer bittet um Verständnis für die Vorsichtsmaßnahme und prüft verschiedene Möglichkeiten, um die Standsicherheit der Wölbleitung im betreffenden Abschnitt wieder zu gewährleisten.“

Kein Wunder, dass im Ausschuss für Planung und Bau die Frage aufkam, ob im Umweltdezernat überhaupt eine Reihenfolge nach Dringlichkeit existiert oder die Reihenfolge der Öffnung immer wieder neu ausgewürfelt wird.

Und mit den immergleichen Truglösungen ist man im Ausschuss auch schon lange nicht mehr zufrieden. Die Paddler werden dann zwar auf diesen Gewässern paddeln können, sind aber rechts und links von hohen Betonwänden eingeschlossen. Ein freier Zugang ans Wasser ist nur an wenigen Stellen vorgesehen.

Weshalb die Ausschussmitglieder ebenfalls beantragen: „Der Stadtrat wird in die Erarbeitung der Grundlagen des Gestaltungswettbewerbes für die Öffnungsabschnitte einbezogen.“

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