Manchmal muss man Umwege nehmen, die Leipzigs Verwaltung so gar nicht behagen. Eigentlich ging es bei einem schon im Sommer von der Grรผnen-Fraktion vorgelegten Antrag um die Zukunft des Cottawegs und den keineswegs schon geklรคrten Konflikt zwischen dem Platz fรผr die Kleinmesse und den hier geplanten 1.200 Pkw-Stellplรคtze fรผr RB Leipzig. Aber zu Recht wiesen die Grรผnen auch darauf hin, dass auch der Auwald hier viel zu wenig Platz hat.
Dass hier die Probleme wie in einem Sandwich รผbereinanderliegen, wurde schnell klar. Schon in der Einfรผhrungsrede von Grรผnen-Stadtrat Jรผrgen Kasek, der an die lange Vorgeschichte der Kleinmesse erinnerte, die 1935 hier ihren Platz bekam, nachdem sie erst vom Kรถnigsplatz auf die Frankfurter Wiesen umziehen musste und dann 1935, als die Nazis ihr Aufmarschfeld dort bauen wollten, weiterzog an den Cottaweg. Da reichte der Platz รผber 80 Jahre gut aus.
Das Problem rutscht weg
Aber zwischenzeitlich gab es nicht nur die Neuansiedlung von RB Leipzig 2010 / 2011 an der Stelle, sondern auch eine Zusage der Stadt an RB Leipzig im Zusammenhang mit der Ausbaugenehmigung fรผr die Red-Bull-Arena: Wenn hier internationale Spiele stattfinden sollen, sind vertraglich 1.200 Stellplรคtze fรผr Pkw zu sichern. Die ursprรผnglich in einem riesigen Parkhaus an der Friedrich-Ebert-Straรe entstehen sollten.
Aber nach heftiger Gegenwehr auch aus dem Stadtrat wird das so nicht passieren. Auch RB zeigte sich bereit, seine Geschรคftsstelle kรผnftig an der Capastraรe zu bauen. So ist also diese vertragliche Zusage zu 1.200 Pkw-Stellplรคtzen im Gesamtkonzept zum Sportforum (an dem die Stadt noch arbeitet) nicht mehr einlรถsbar.
Und das Problem rutscht zwangslรคufig auf die andere Seite des Elsterbeckens โ an den Cottaweg, wo es jetzt schon zu Kleinmessen und anderen Groรveranstaltungen zu Parkchaos bis hinein in die Capastraรe kommt.
Stellplรคtze versus Kleinmesse
Man merkt schon, dass die Stadtverwaltung das Problem eines zukunftsfรคhigen Verkehrskonzepts fรผr das Sportforum seit der Beauftragung vor zehn Jahren schlicht nicht in den Griff bekommen hat. Und an dieser Stelle stimmt dann auch mal eine Aussage von Planungsbรผrgermeister Thomas Dienberg nicht, der am Mittwoch, 8. Dezember, seinen Umweltkollegen Heiko Rosenthal vertrat und zur Stellungnahme der Verwaltung sprach: Man dรผrfe die beiden Konzepte Sportforum und Cottaweg nicht vermischen.
Das aber haben nicht die Grรผnen getan. Das hat allein die Stadtverwaltung hinbekommen, weil sie die vertraglich zugesagten Stellplรคtze eben im Sportforum nicht untergebracht hat.
So werden sie zu einem massiven Problem am Cottaweg, wo man eben noch froh war, dass RB Leipzig einen neuen Standort fรผr die neue Geschรคftsstelle in der Capastraรe gefunden hat., also nicht noch mehr Flรคche von der Kleinmesse abzwacken will dafรผr. Nur: Jetzt stehen da die 1.200 Stellplรคtze. Und es gibt ganz offensichtlich keinen anderen Ausweichstandort in Stadionnรคhe.
Mehr Parteien am Runden Tisch
Und selbst was jetzt als Antragspunkt 1 im Linken-Antrag steht, der ja am Mittwoch als รnderungsantrag statt des Grรผnen-Antrags abgestimmt wurde, wird fรผr den Runden Tisch eine Herausforderung, die wahrscheinlich am Cottaweg schwer zu lรถsen ist. Es sei denn, RB Leipzig und Schaustellerverein finden einen Ablauf, in dem die Kleinmessen und die internationalen Fuรballspiele sich nicht ins Gehege kommen.
Im Mรคrz fand zwar schon der erste Runde Tisch statt. Aber da waren sich am Ende die meisten Fraktionen im Stadtrat einig, dass am Runden Tisch neben dem Schaustellerverein, Bรผrgermeistern, Fraktionen und Umweltverbรคnden auch die Stadtbezirksbeirรคte Alt-West und Mitte sowie die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer beteiligt werden mรผssen. Erst so hat man wohl wirklich all jene am Tisch, die fรผr das vielschichtige Problem eine Lรถsung finden kรถnnen, die die Schausteller eben nicht aus ihrem angestammten Revier vertreibt.
Das Nadelรถhr im Biotopverbund
Bei den Grรผnen war es dabei eher ein beilรคufiger Punkt, den sie als โStรคrkung des Biotopverbundesโ mit in den Antrag geschrieben hatten. Was eigentlich nicht extra beschlossen werden mรผsste, denn genau dieser Engpass im Leipziger Auensystem steht auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) 2030. Denn gerade am Elsterbecken ist das ursprรผngliche Auensystem kรผnstlich so eingeengt, dass es hier als Lebensraum und lebendiger Fluss nicht mehr funktioniert und dringend einen Umbau oder Rรผckbau zu einem wirklich รถkologischen Gewรคsserabschnitt braucht. Der Beschluss wรคre โ auch mit dem Wort Priorisierung โ nur eine Bestรคtigung des INSEK gewesen.
Und OBM Burkhard Jung sprach mit seiner Intervention durchaus ein Problem an, das der Stadtrat mit der Verwaltung hat: Viele wichtige Beschlรผsse bleiben Papier und von einer Umsetzung in der Verwaltung hรถrt man nichts. Oder es passiert gar nichts. Auf das der Stadtrat nun schon mehrfach mit โDrรคngel-Antrรคgenโ reagiert hat.
Ein Thema, das auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler ansprach, als er Bรผrgermeister Dienberg nach der Personalsituation im Amt fรผr Stadtgrรผn und Gewรคsser fragte. Aber Dienberg hatte ja nur stellvertretend fรผr Rosenthal gesprochen, konnte zur dortigen Personalsituation nichts sagen.
Stadt redet schon mit Landesdirektion und SMEKUL
Aber was an diesem Tag erstmals zu erfahren war: Die Stadtverwaltung hat mit der Landesdirektion Sachsen und dem sรคchsischen Umweltministerium tatsรคchlich endlich รผber die kรผnftige Gestaltung des Elsterbeckens gesprochen. Also genau das, was die Linksfraktion dann zusรคtzlich als Punkt 4 in den รnderungsantrag geschrieben hatte. Linke-Stadtrat Michael Neuhaus ging denn in seiner Stadtratsrede auch ganz explizit auf das Elsterbecken ein. Denn wenn das wieder die Qualitรคten eines รถkologisch gesunden Flusses bekommt, hat man das Nadelรถhr im Auensystem endlich wieder ein Stรผck aufgeweitet.
Im Linke-Antrag liest man dazu: โDie Nordostseite des Cottaweges im Zusammenhang mit dem Palmengarten und den sich im Gebiet befindenden Brรผcken unterbricht in hervorragender Weise den Grรผnverbund Leipzigs. โ Mit dem Vorschlag der Fraktion Die Linke in der letzten Wahlperiode, das Elsterflutbett mรคandrieren zu lassen, wurde schon einmal der Versuch unternommen, das Problem des Grรผnverbundes und das Problem der nรถrdlichen Auwaldentwรคsserung gleichzeitig zu lรถsen. Schon damals hat der รkolรถwe diesen Vorschlag aktiv unterstรผtzt. Nunmehr ist der รkolรถwe in die Offensive gegangen und hat selbst Vorschlรคge vorgestellt. Wir halten die Problematik, wie die Grรผnen, fรผr fundamental und wรผnschen ein ganzheitliches, modernen wasserwirtschaftlichen, รถkologischen und sozialen Ansprรผchen gewachsenes Konzept.โ
Und wenn man Dienberg richtig interpretiert, steht das als Prรผfung auch innerhalb des jetzt neu zu fassenden Integrierten Gewรคsserkonzeptes (das alte stammt von 2004). So kann man auch Jungs Worte interpretieren, dass ja nicht noch einmal extra beauftragt werden mรผsse, was schon beschlossen sei.
Aber es ist eben nicht beschlossen. Und zu Recht wies Neuhaus darauf hin, dass ein รคhnlicher Antrag des damaligen Linke-Stadtrats Reiner Engelmann in der letzten Legislatur noch abgelehnt worden war.
Inzwischen aber gibt es den Beschluss des Stadtrats zur Erstellung des Auenentwicklungskonzepts, das Ende 2022 vorgelegt werden soll. Und auch darin wird es darum gehen mรผssen, wie das Elsterbecken รถkologisch wieder aufgewertet wird und โ รผber diesen Gewรคsserabschnitt โ kรผnftig wieder mehr Wasser und Sedimente in den nรถrdlichen Auwald kommen.
Wildschweine fรผr die AfD und Zustimmung fรผr die Linke
Die einzigen, die das immer noch nicht begriffen haben, sind die รคlteren Herren aus der AfD-Fraktion, die solche Wiederherstellung von Gewรคssern eher als โIdeologieโ betrachten und gleich mal von wild durch die Stadt rasenden Wildschweinherden fabulieren. Den seltsamen Einspruch kann sich ja jeder im Video selbst anhรถren. Und ganz folgerichtig war es dann auch die AfD-Fraktion, die dann in der Abstimmung gegen alles stimmte, was der Linke-Antrag vorgeschlagen hatte.
Wirklich abgelehnt wurde von der Ratsversammlung lediglich der ursprรผngliche Antragspunkt 2 der Grรผnen: โDie prioritรคre Zielstellung liegt dabei in der Stรคrkung des Grรผnzugs und Biotopverbundes zwischen nรถrdlichen und sรผdlichen Auwald. Dabei sind die Zielstellungen des INSEK an dieser Stelle zugrunde zu legen.โ
Was natรผrlich auch wieder nur eine Geste war, denn die โStรคrkung des Grรผnzugs und Biotopverbundes zwischen nรถrdlichem und sรผdlichem Auwaldโ steht nun einmal auch im INSEK, muss also in irgendeiner Weise bis 2030 auch in Angriff genommen werden. Und die Renaturierung des Elsterbeckens ist dazu der wichtigste Hebel.
Dass das Gelรคnde am Cottaweg jetzt ein verbindliches Zukunftskonzept mit allen Beteiligten bekommt und der Runde Tisch erweitert wird, war unter den meisten Fraktionen im Stadtrat dann รผberhaupt nicht strittig und fand mit 56:9 bzw. 55:8 Stimmen auch eine klare Mehrheit.
Elsterbecken, quo vadis?
Aber beim vierten von der Linksfraktion eingebrachten Punkt wurde es dann spannend: Folgen die Ratsfraktionen jetzt wieder dem OBM, der darum bat, hier nicht noch zusรคtzliche Arbeit zu machen? Sie taten es mehrheitlich nicht. Denn dazu war Burkhard Jungs Erklรคrung dann doch zu lasch. Zu oft haben die Fraktionen dann eben doch erlebt, dass die Verwaltung etwas vรถllig anders machte. So stimmten dann auch bei diesem Punkt die SPD- und die Freibeuterfraktion mit den Fraktionen von Linken und Grรผnen.
โIn die Betrachtung der Flรคchen wird das Elsterflutbett vom Palmengartenwehr bis zur Gefรคllestufe einbezogenโ, lautet jetzt dieser ganz konkrete Beschluss, der das Elsterbecken eben nicht nur im INSEK und im Integrierten Gewรคsserkonzept verankert, sondern auch im Konzept Cottaweg. Und damit eben auch deutlich macht, dass die Stadtratsmehrheit fรผr eine รถkologische Aufwertung des Elsterbeckens ist.
Das ist mal neu und zeigt eben auch, dass die Mehrheit der Ratsmitglieder inzwischen sehr genau weiร, wie drรคngend und dringend die Renaturierung der Weiรen Elster und die Rettung des Auwaldes ist.
Die Debatte am 8. Dezember 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der โCoronakriseโ haben wir unser Archiv fรผr alle Leser geรถffnet. Es gibt also seither auch fรผr Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. รber die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstรผtzen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tรคgliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikรคufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den tรคglichen, frei verfรผgbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit fรผr Sie.
Vielen Dank dafรผr.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher