Mehrfach in der jüngsten Vergangenheit stritt sich die Ratsversammlung um die Frage, wie man künftig mit dem Nadelöhr im Leipziger Auensystem am Elsterbecken umgeht. Ein Thema, das eigentlich als großes Ziel auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) 2030 steht. Unter anderem mit diesem Ziel: „Schutz und Entwicklung der Auenachsen: Diese Bereiche bilden das Rückgrat des Freiraumverbundes sowie die landschaftliche Grundstruktur der Stadt.“ Wäre da nicht der Cottaweg mit seinen Anliegern.

Denn auf einmal zeigten Ratsfraktionen und Verwaltung wieder enorme Fähigkeiten im Eiertanz, als es um die Zukunft der Kleinmesse am Cottaweg ging und die Rolle des großen Fußballclubs RB Leipzig, der dort seine Trainingsplätze hat.Auf einmal sah die Verwaltung den Cottaweg ganz und gar nicht mehr als Teil des Sportforums, für das ein funktionierendes Mobilitätskonzept gefunden werden muss. Und als dann gar die Revitalisierung des Elsterbeckens zu einem naturnahen Fluss zum Thema wurde, rannten – verbal – gleich mal wieder wilde Wildschweineherden durch den Raum.

Obwohl alle Beteiligten wissen, dass sich Leipzig selbst verpflichtet hat, dieses Nadelöhr im Leipziger Auensystem wieder aufzuweiten und als Brücke zwischen dem nördlichen und dem südlichen Auensystem wieder in Funktion zu setzen. So steht es auch INSEK 2030. Dazu gehört freilich aus Sicht der Grünen-Fraktion nicht nur eine Revitalisierung des Elsterbeckens.

Ein neues Speedway-Gelände gesucht

Zum Jahreswechsel brachten sie einen Antrag ins Verfahren, der die Auflösung des dort mitten im Auwald existierenden Motodroms zum Ziel hat. Dort ist seit 1975 der MC Post Leipzig e. V. zu Hause und verfügt über einen Mietvertrag bis 2028.

Wobei die Grünen gar nichts gegen den Motorsportverein und seine Arbeit haben. Nur mitten im sensiblen Auwald hat die Motorsportanlage aus ihrer Sicht nichts zu suchen.

„Am Cottaweg liegt ein städtisches Grundstück, welches seit 1975 als Motorsport- und Speedwaygelände bis in die Gegenwart verpachtet wird – aktuell an den MC Post Leipzig e. V. Das Vereinsgelände liegt inmitten des Landschaftsschutzgebietes Leipziger Auwald und befindet sich an einem der neuralgischsten Punkte des Leipziger Auwaldes, an der Grenze zwischen nördlichem und südlichem Auwald“, erläutern sie ihr Anliegen im Antrag, noch 2022 mit dem MC Post Gespräche aufzunehmen und nach einem neuen Vereinsgelände zu suchen, damit die Fläche am Cottaweg Teil des Auenentwicklungskonzepts werden kann.

„Entsprechend den Beschlüssen des INSEK ist entlang des Cottawegs eine Stärkung des Grünzugs durch die Stadtverwaltung ab 2022 angedacht. Der MC Post Leipzig e. V. hat an dieser sensiblen Stelle als Verein keine Entwicklungsmöglichkeiten, da Erweiterungen baurechtlich im Landschaftsschutzgebiet ausgeschlossen sind.“

Die Arbeit des MC Post Leipzig e.V. mit seinen ca. 60 Mitgliedern würdigt der Antrag der Grünen-Fraktion durchaus. Aber am Cottaweg gibt es keine Möglichkeiten zu wachsen.

„Die Infrastruktur auf dem Gelände ist jedoch stark marode und kann durch den Verein absehbar nicht mehr instandgehalten, geschweige denn umfassend erneuert werden. Dringend benötigte Fahrer-Boxen und Garagenanlagen lassen sich nicht mehr installieren. Die durch den Verein angestrebte Weiterentwicklung der Sportangebote in Richtung Eisspeedway und Trial ist kaum realisierbar. Das notwendige Konditionstraining und die verpflichtenden Fitnesstests müssen schon länger in dafür angemieteten Sporthallen auswärts absolviert werden“, geht der Antrag deshalb auch etwas ausführlicher auf den Verein und seine Probleme ein.

„Um dem Verein einerseits eine Entwicklungsperspektive zu geben und andererseits das Auensystem zu stärken, muss die Stadt sofort anfangen, gemeinsam mit dem Verein an Lösungen zu arbeiten. Beispielsweise hat die Stadt Neubrandenburg den Weg des Neubaus einer Speedway-Anlage in jüngster Vergangenheit eingeschlagen.“

Was wird mit der Schießanlage am Schützenhof?

Was sich übrigens mit einem anderen Antrag ergänzt, den ursprünglich die SPD-Fraktion gestellt hat und den dann die Grünen-Fraktion aufgegriffen hat: Den alten Schießstand am Schützenhof nördlich der Hans-Driesch-Straße komplett abzubauen und die gesamte Fläche der Auwald-Renaturierung zu übergeben.

Ein Anliegen, das dann aber umgehend das Umweltdezernat torpediert hat mit dem Vorschlag: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Modernisierung des Schützenhofes gemäß der abgestimmten Gesamtkonzeption aus dem Jahre 2013 im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten (Investitionsförderung) voranzutreiben und somit die Voraussetzung für eine Renaturierung entbehrlicher Flächen zu schaffen.“

Nur die Anlagen westlich der Kleinen Luppe sollen danach abgebaut werden, die anderen Teile der Schießanlage aber mit Fördergeldern der Stadt wieder in Schuss gesetzt werden, auf dass weiter mitten im Auwald geballert werden darf.

Keine Überraschung, dass der ganze Antrag seitdem gestoppt ist, denn hier prallen Welten aufeinander und wird einmal mehr sichtbar, dass man bei der Auwaldrenaturierung nicht unbedingt auf Verständnis im Umweltdezernat rechnen kann. Vielleicht bleibt am Ende tatsächlich nur der Klageweg, auf dem dann die Schutzgüter des Landschaftsschutzgebiets Leipziger Auwald und des FFH-Gebiets, in dem die Schießanlage liegt, durchgesetzt werden.

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