Manchmal hat man in Leipzig das Gefรผhl, die StVO gilt hier einfach nicht. Jedenfalls nicht, wenn es ums Parken geht. Da werden Fuรwege und Radwege zugeparkt, ganze Kreuzungen. Doch wenn das Ordnungsamt endlich mal kontrolliert und verwarnt, dann schreiben einige der Betroffenen eine Petition, in der sie tatsรคchlich die Duldung des Wildparkens fordern. So wie aktuell in Anger-Crottendorf.
Normalerweise hรคtte das Ordnungsdezernat der โPetition gegen den Abbau von bestehenden Parkmรถglichkeiten im Stadtteil Anger-Crottendorfโ mit einer Ablehnung begegnen mรผssen. Denn darin wird eindeutig gefordert: โDie Beibehaltung bestehender Parkmรถglichkeiten und/oder die Schaffung ausreichender Ersatzparkflรคchen in unmittelbarer Nรคhe.โGenau das, wogegen der Bรผrgerverein Anger-Crottendorf jahrelang kรคmpfte, weil eben nicht nur Fuรwege zugeparkt waren, sondern auch Querungen von Straรen und Kreuzungen fรผr Fuรgรคnger โ gerade mit Kinderwagen und anderen Gefรคhrten โ oft fast unmรถglich. Eine hochgefรคhrliche Situation, gegen die das Ordnungsamt im Frรผhjahr endlich einschritt.
Doch postwendend grรผndete sich eine Bรผrgerinitiative mit dem durchaus seltsamen Namen โLeben und Parken in Anger-Crottendorfโ und versuchte mit einer Unterschriftensammlung die Maรnahmen des Ordnungsamtes zu stoppen. Obwohl eigentlich klar ist, dass das Ordnungsamt so auch in anderen Ortsteilen agieren mรผsste, um die Verkehrssicherheit wieder herzustellen.
Das Ordnungsdezernat hat jetzt seine Stellungnahme zur Petition verรถffentlicht. Und auch die zeigt, dass das sogar sehr zurรผckhaltende Agieren des Ordnungsamtes sichtlich Frรผchte trรคgt.
Aber vorher โ obwohl es die Stellungnahme als Alternativvorschlag deklariert โ erklรคrt das Ordnungsdezernat den Petenten erst einmal, wie schief sie liegen, die Wiederherstellung eines Zustands zu fordern, der immer schon rechtswidrig war.
โDie Petition wendet sich gegen das Erteilen von Verwarngeldern bei illegal auf den Gehwegen parkenden Fahrzeugen und begehrt โdie erneute Prรผfung des Plans zum Parkplatzabbauโ sowie โdie Beibehaltung der bestehenden Parkmรถglichkeiten und/oder die Schaffung ausreichender Ersatzparkflรคchen in unmittelbarer Nรคhe gemรคร den รnderungsantrรคgen Nr. VII-A-01885-รA-02 (Quartiersgarage) und Nr. VII-A-02311 (Parkhauskonzept)โโ, erlรคutert es.
โLaut ยง 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist das Parken vor und hinter Kreuzungen und Einmรผndungen bis zu je 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten unzulรคssig.โ
Ein Passus, den viele Leipziger Autohalter schlicht ignorieren, nicht nur in Anger-Crottendorf.
Und auch das Gehwegparken ist kein normaler Zustand: โDas Parken am rechten Fahrbahnrand ist nach ยง 32 Abs. 1 Nr. 1 StVZO zulรคssig, jedoch nur, soweit eine Restfahrbahnbreite von 3,05 Metern verbleibt. Das Parken auf Gehwegen ist generell unzulรคssig, soweit es nicht mit Beschilderung explizit angeordnet wurde. In Anger-Crottendorf ist das Parken auf Gehwegen weder angeordnet noch dessen Anordnung โ u. a. aufgrund der geringen Gehwegbreiten โ mรถglich.โ
Und im Ordnungsdezernat hat man zumindest schon mal versucht, die Sache aus Sicht der Leidtragenden zu sehen: โAufgrund von auf den Gehwegen parkenden Fahrzeugen ist es Bรผrgerinnen und Bรผrgern mit Kinderwagen, Rollatoren, Rollstรผhlen schwer mรถglich, die Fuรwege zu nutzen. Auch fรผr Kinder unter zwรถlf Jahren, die den Gehweg mit dem Fahrrad befahren dรผrfen, stellt das Zustellen von Bรผrgersteigen eine groรe Bedrohung dar. Parkende Fahrzeuge im Kreuzungsbereich erschweren zusรคtzlich die Sichtbeziehungen, was besonders fรผr Kinder eine Gefรคhrdung darstellt.โ
Was dann fรผr die Petition bedeutet: Im Kern kann sie schlicht nicht umgesetzt werden. Die Stadt darf einen rechtswidrigen Zustand weder dulden noch wiederherstellen.
โAuch wenn das Parken auf dem Gehweg in der Vergangenheit in Anger-Crottendorf selten sanktioniert wurde, รคndert dies nichts an der Rechtslageโ, betont das Ordnungsdezernat.
โDie zunehmende Anzahl von Aufforderungen an die zustรคndige Behรถrde, ordnungsrechtlich auf die Freihaltung der Gehwege fรผr ihren bestimmungsgemรครen Gebrauch hinzuwirken, hat zu einer verstรคrkten Kontrolltรคtigkeit gefรผhrt. Kontrollen und die Ahndung von Parkverstรถรen im Vollzug der Straรenverkehrsordnung sind dabei allein der dafรผr zustรคndigen Behรถrde vom Gesetzgeber รผbertragene Aufgaben, die nicht per Ratsbeschluss geregelt werden kรถnnen.โ
โMit den Kontrollen und der Ahndung von Verstรถรen hat somit kein Abbau regulรคrer Parkplรคtze stattgefunden, sondern allein die Sanktionierung verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge. Dazu wurden die Halterinnen und Halter solcher Fahrzeuge im Mรคrz zunรคchst mit โHรถflichkeitszettelnโ auf die Verletzung der StVO hingewiesen; seit dem 08.04.2021 wird durch das Ordnungsamt nun ein Verwarngeld ausgesprochen.โ
Im Ergebnis ging mit den Hinweisen und der verstรคrkten Kontrolltรคtigkeit eine deutlich positive Wirkung fรผr die Verkehrssicherheit einher. Sowohl die Anzahl an illegal geparkten Fahrzeugen, als auch die Beschwerden รผber Gefรคhrdungen im Verkehrsraum sind seither sehr deutlich zurรผckgegangen.โ
Denn wรคhrend im Mรคrz noch 673 โHรถflichkeitszettelโ verteilt wurden, nahm die Zahl der Verwarnungen von April (215) bis Juni (45) schon deutlich ab. Die meisten Autohalter, die im April noch ihrer gewohnten Parkweise nachgingen, respektierten fortan die strengere Kontrolle. Nur einige Dutzend รคnderten an ihrer Verkehrsgefรคhrdung augenscheinlich nichts.
Oder mit den Worten des Ordnungsdezernats: โWurden im Mรคrz noch 673 Hรถflichkeitszettel verteilt, waren es im April lediglich 215 Verwarnungen. Dies entspricht einer Abnahme von 68 %. Von April bis Juni reduzierte sich die Anzahl um weitere 79 % auf 45 ausgesprochene Verwarnungen. Eine Verlagerung des verbotswidrigen Gehwegparkens war somit augenscheinlich weitgehend mรถglich, auch wenn es sehr wahrscheinlich z. B. zu lรคngeren Wegen zu einem Parkplatz gefรผhrt hat.โ
Was natรผrlich nichts daran รคndert, dass auf den ersten Blick erst einmal Parkplรคtze fehlen. Denn auch Anger-Crottendorf wurde nicht fรผr derart viele vorm Haus geparkte Autos gebaut. Das hatte auch der Bรผrgerverein Anger-Crottendorf schon so gesehen. Die einzige Mรถglichkeit, fรผr die Autobesitzer einen Ausweich zu schaffen, wรคre die Schaffung neuer Parkflรคchen.
Das sieht das Ordnungsdezernat auch als Arbeitsaufgabe: โAuf Grundlage dieser Annahmen und um einen besseren รberblick z. B. zu Verlagerungseffekten zu erhalten, wird eine Parkraumanalyse im Gebiet zwischen Wurzner Straรe, Breite Straรe, Zweinaundorfer Straรe sowie der S-Bahn-Strecke und den Kleingartenanlagen durchgefรผhrt. (โฆ) Im oben genannten Untersuchungsgebiet wird bis Ende des zweiten Quartals 2022 eine Parkraumanalyse durchgefรผhrt. Die Ergebnisse werden auch im Ortsteil vorgestellt und flieรen in die Prรผfung von alternativen Parkmรถglichkeiten (z. B. Quartiersgarage) ein.โ
Man darf sich an fast gleichartige Vorgรคnge in Schleuรig vor zehn Jahren erinnern, wo die Lรถsung scheinbar auch im Bau einer Quartiersgarage lag. Aber der Investor, der sie bauen wollte, nahm dann schleunigst Abstand davon, weil sich kein Schleuรiger bereitfand, seinen Stellplatz in der Quartiersgarage zu buchen.
Es wรคre schon eine รberraschung, wenn das in Anger-Crottendorf anders laufen wรผrde. Aber man kann jetzt gespannt sein, was die Parkraumanalyse ergibt. Und ob dann nicht eher so etwas dabei herauskommt wie eine konsequente Parkraumbewirtschaftung.
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der โCoronakriseโ haben wir unser Archiv fรผr alle Leser geรถffnet. Es gibt also seither auch fรผr Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. รber die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstรผtzen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tรคgliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikรคufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den tรคglichen, frei verfรผgbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit fรผr Sie.
Vielen Dank dafรผr.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 2 Kommentare
Diese Argumentationslinie hat auch das Verkehrsamt zu Leipzig (kurz: VTA): Wenn es an einer Stelle keine Tote gibt, ist die Stelle auch nicht gefรคhrlich.
Da es in A-C keine Toten gab, ist A-C komplett ungefรคhrlich und kindersicher. Wie schรถn!
Erhรถhte gefรผhlte oder tatsรคchliche Gefรคhrdung reicht nicht.
Das VTA reagierte am Cottaweg โ jahrzehntelang als gefรคhrlich bekannt gewesen โ erst, als es Tote gab. Das ist nicht das einzige Beispiel. Das VTA will Blut sehen.
Das ist nicht mein Zynismus, sondern das des Verkehrsamts. (Kรถnnen die ruhig mal lesen. Anderswo wรผrden die Amtsleiter in einer solchen Verkehrsbehรถrde aus lauter Scham geschlossen den Dienst quittieren.)
Passt auf: die Baustellenbeampelung der bekannten weitlรคufigen Kurve der Friedrich-Ebert-Straรe (beim Reichsgericht) wird wieder abgebaut werden, und dann ist es wieder kreuzgefรคhrlich, dort irgendwie auf eine andere Straรenseite zu kommen. Aber es ist nicht tรถdlich. Also alles tutti. Die Stadt ist schรถn.
Gut, dass das Ordnungsamt es etwas humaner sieht und Gefรคhrdungslagen auch identifiziert, ehe es zu Unfรคllen kommt.
Wรคre mal gut, wenn Autofahrer auch nur so schnell fahren wรผrden, dass sie innerhalb ihrer Sichtweite normal abbremsen kรถnnen. Sehr gerne wird eng um die Kurve gebrettert โ gerade in A-C -, egal, ob da gerade ein Fuรgรคnger zwischen den Autos hervorkommt oder nicht.
Etwas derbe erschrecken ist ja trotzdem nicht totfahren. Also alles paletti! Anger-Crottendorf ist schรถn.
โEine hochgefรคhrliche Situationโ Man mรถge doch bitte dies genauer ausfรผhren. Seitens der Polizei trรคgt die Unfallstatistik fรผr die letzten Jahre fรผr diese Gegend nichts dazu bei. Das gibt selbst die Stadt zuโฆ.