Im September gab es noch einmal Führungen über den Matthäikirchhof zum Abschluss der Bürgerbeteiligung. Doch schon seit dem Frühjahr gibt es Missklänge in der Diskussion um die Zukunft dieses Areals, kamen Akteure zu Wort, die sich für den gänzlichen oder teilweise Erhalt des alten Stasi-Büroklotzes aussprachen, der jede offene Gestaltung des Matthäikirchhofs verhindert.

Und das nur zu gern mit dem Verweis auf den Erhalt „wertvoller“ DDR-Architektur, auch wenn nun ausgerechnet der alte Stasi-Klotz ein Beispiel für echten Brutalismus ist. Und so sollte er auch wirken und wirkt bis heute: platzbeherrschend und abweisend.

Das aber macht eine wirklich den Stadtraum wiedergewinnende Gestaltung des Matthäikirchhofes unmöglich, kritisieren jetzt Leipziger Architekt/-innen und Bürgerinitiativen in einem Offenen Brief.

Der Offene Brief:

BREMSKLOTZ

Für den Komplettabbruch des Stasi-Neubaukomplexes auf dem Matthäikirchhof

Unter völliger Missachtung verträglicher städtebaulicher und stadtgestalterischer Bezüge wurde der Bau von 1980 bis 1985 für Volkspolizei und Staatssicherheit errichtet – eine Demonstration der Macht, eine betonierte Respektlosigkeit gegenüber dem Ort und seiner Geschichte, ein Fremdkörper im Stadtraum.

Architektonischer Wert ist diesem häufig angewandten Industriebausystem des Vereinheitlichten Geschossbaus (VGB) nicht zuzusprechen.

Der Winkel an der Großen Fleischergasse ist desolat, mit seinem Abriss rechnet wohl selbst die Verwaltung, wobei zur Schonung der Ressourcen Bauschutt und Aushub maximal zu recyceln sind (u. a. RC-Beton). Um einen qualitätvollen Neuanfang zu ermöglichen, ist auch der Abbruch des Resttraktes zwingend, da er dem hohen Revitalisierungsanspruch dieses Viertels unter allen Aspekten entgegensteht:

– erhebliche Einschränkung der Flexibilität der Neuplanung
– defizitäre städtebauliche Lage
– ausgeprägte Barrierewirkung besonders in Bezug zur Treppenanlage des Richard-Wagner-Denkmals
– ebenso strukturstörend: die 1,5 Meter hohe Sockelzone des Erdgeschosses
– überdies bedeutet der Erhalt unkalkulierbare, jedenfalls exorbitante Umbau- und Sanierungskosten

Der Wert der politischen Erinnerung des nur rund vier Jahre genutzten Stasikomplexes ist mit dessen Beseitigung nicht gelöscht. Diese Geschichte kann auch mit dem Erhalt typischer Elemente erzählbar bleiben, so Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, in der Auftaktveranstaltung zum „öffentlichen Beteiligungsprozess“ zur Entwicklung des Matthäikirchhofs am 19. April 2021.

Das begriffliche und lokale Symbol des Stasi-Standorts ist und bleibt die „Runde Ecke“.
Der für 2022 vorgesehene Wettbewerb zur städtebaulichen Neustrukturierung des Matthäikirchhofs, der Keimzelle der Stadt, sollte nach eingehender öffentlicher Diskussion der Aufgabenstellung unbedingt als offener Architektenwettbewerb durchgeführt werden, um die größtmögliche Bandbreite von Lösungsvorschlägen zu erreichen.

Leipzig, 1. Oktober 2021

Initiative Leipziger Architekten (ILA), bestehend aus Mitgliedern des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA), des Bundes Deutscher Baumeister (BDB), des Leipzig Architektur und Kulturver#eins e.V. (LEV) sowie der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e. V. (SRL)
Stadtforum Leipzig
Bürgerverein Pro Leipzig e. V.

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Die Frage ist, ob nach dem Abriss ein architektonisches Meisterwerk konstruiert wird, oder – wie schon zu oft in Leipzig, sogar Zentrum, gesehen – neue Allerweltsbauten mit schnödem Einkaufstempelcharme oder Bürobau der untersten Kategorie Eingang in den zentralsten Bereich unserer Stadt finden werden. Für die man sich teilweise schämen muss.
Der letzte Artikel im Stadtparteiblatt dazu war so schlecht gar nicht. Vor allem das “Forum” wird bisher stilisiert, als würden in Leipzig täglich hunderte Menschen die Wende nachlernen wollen und darüber diskutieren. Das muss gar nicht sein.
Allerdings kann ich mir die alten VGB auch nicht als billigen Arbeitsplatz für Kreative mitten in der City vorstellen.
Aber stehen lassen, nur damit keine neuen Bankengebäude oder Dax-Konzernzentralen kommen, wie das unser OBM gern möchte, wäre auch falsch.
Vielleicht warten wir lieber doch noch die nächste OBM-Wahl ab…? So lange werden die Häuser noch halten.

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