Karlhelga โ ein soziokulturelles Wohn- und Arbeitsprojekt trรคgt zum vielfรคltigen Spektrum subkultureller Freirรคume in Leipzig bei. Leben im Wagen und in der Gemeinschaft fordert uns, nachhaltiger, ressourcenschonender und inklusiver zu wohnen und dabei Vielfalt zu leben. Und das nicht nur in der Theorie, sondern jetzt und in der Alltagspraxis. Auf karlhelga wollen wir nicht ohnmรคchtig abwarten und tatenlos bleiben angesichts drรคngender Herausforderungen unserer Zeit โ wie Klimakatastrophe, Rassismus oder soziale Isolation.
Wer wir sind
Wir, das sind Lehrer/-innen, Handwerker/-innen, Kรผnstler/-innen, Wissenschaftler/-innen, Erwerbsfreie, Kinder und viele mehr โ eben ein Querschnitt der Gesellschaft. Menschen, die sich fรผr ein Leben im Wagen in einer selbstverwalteten Gemeinschaft entschieden haben.
Nebenbei gestalten wir unkommerziell einen gut vernetzten und in Plagwitz verwurzelten soziokulturellen Begegnungsort fรผr Kunst- und Kulturschaffende und schaffen so ein Experimentierfeld fรผr zukunftsfรคhige Wohn-, Arbeits- und Lebensentwรผrfe.
Seit zwรถlf Jahren finden auf karlhelga zahlreiche internationale und interkulturelle Veranstaltungen, Vortrรคge, Ausstellungen, Workshops, OpenAir Kino uvm. statt. Darรผber hinaus stellt der Verein fรผr historische Last- und Zirkuswagen karlhelga e. V. als Austausch- und Vernetzungsort Proberรคume, eine Bauplatte und eine Halle zur Verfรผgung.
Seit vielen Jahren leben hier รผber 50 Erwachsene mit 11 Kindern und Gรคsten in einer diversen Gemeinschaft. Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Alters, sozialer und kultureller Herkunft sowie queere Menschen. Menschen, die sich eine Wohnung leisten kรถnnten und Menschen, die ansonsten obdachlos wรคren.
Die Ressourcen der Menschheit sind endlich
Der private Platz, den wir beanspruchen, ist klein, die gemeinschaftlich genutzte Flรคche hingegen groร. Wir schaffen Freirรคume fรผr Kinder, in denen sie sich frei bewegen und die Natur entdecken kรถnnen. Kinder โ einige von ihnen hier geboren und aufgewachsen โerfahren von klein auf, dass die Verfรผgbarkeit von Wasser, Strom und Wรคrme auf โKnopfdruckโ nicht selbstverstรคndlich ist, sondern Menschen etwas dafรผr tun mรผssen.
Dadurch lernen sie, bewusst mit begrenzten Ressourcen umzugehen. So liegt der Trinkwasserverbrauch einer vierkรถpfigen Familie im Wagen bei ca. 120 Liter pro Woche. Das entspricht dem tรคglichen pro Kopf Verbrauch einer einzelnen Person, wie er im Durchschnitt fรผr Leipzig angegeben wird. Was allein bei ca. 7 Liter Trinkwasser pro Klospรผlung nicht verwunderlich ist.
Bewohner/-innen von karlhelga setzen Konzepte wie Nachhaltigkeit und ressourcenschonenden Umgang seit vielen Jahren aktiv um. Wir decken einen Teil unseres Stromverbrauchs durch autarke Solaranlagen und โStarkverbraucherโ wie Elektroherde oder Elektroheizungen dรผrfen bei uns nicht betrieben werden.
Mehr Anstrengung โ und mehr Freiheit
Dabei ist unsere naturverbundene Wohnform im Alltag hรคufig etwas aufwendiger und bedeutet mehr Arbeit, vom Wasser holen, Holz hacken bis Planieren โ der Preis fรผr die Freiheit ๐ โ, gleichzeitig ermรถglicht es uns selbstbestimmter, selbstverantwortlicher, kooperativ und bezahlbarer zu leben.
Politische und รถkologische Aspekte spielen bei der Frage, wie wir leben wollen, eine wichtige Rolle.
Als unsere eigenen Hausmeister/-innen mรผssen wir uns selbst um alles kรผmmern. Ob beim Bauen, Organisieren und Gestalten, es stellt sich damit automatisch die Frage: Was kann repariert, recycelt und verwertet, statt neu gekauft werden? Dabei ermรถglicht der nachbarschaftliche Austausch mit Wissen, Werkzeug oder Kรถnnen einen zusรคtzlichen Anreiz fรผr einen nachhaltigeren Umgang und damit zu kritischerem und bewussterem Konsumverhalten.
So divers und vielfรคltig unsere Gruppe ist, so unterschiedlich sind Ansprรผche und Tรคtigkeitsfelder. Eine/-r sammelt oder recycelt vom Feuerholz bis zum Baumaterial fรผr Solarenergie, Windkraft, Solarthermie und Lastenradbau quasi alles. Ein/-e andere/-r lebt vegan, weil industrielle Lebensmittelindustrie und Massentierhaltung die Hauptursache fรผr die globale Erwรคrmung sind.
Gelebte Selbstverwaltung in der Gruppe
Fรผr andere ist die Selbstverwaltung, politisches und kulturelles Engagement eine
Herzensangelegenheit. All das kommt in unseren Plena zusammen, wo wir gemeinsam
entscheiden, was alle betrifft. Dabei geht es von infrastrukturellen und organisatorischen
Aufgaben, wie kulturelle Veranstaltungen, Zuzugsanfragen, Bauplatte, Nachbarschaftshilfe, bis hin zu praktischen Arbeits- oder Baueinsรคtzen. Dabei รผben wir uns in gleichberechtigtem Umgang, hierarchiekritischer Kommunikation, um die verschiedenen Bedรผrfnisse aller Beteiligten zu berรผcksichtigen und einen Konsens zu finden.
Durch Wรคgen auf Rรคdern statt Versiegeln der Erdoberflรคche mit Betonfundamenten wurde die ehemalige Brachflรคche nicht nur erhalten, vielmehr wurde sie im Laufe der Zeit durch liebevolles Anlegen eines Gemeinschaftsgartens mit Hochbeeten, Krรคuterspirale und Bepflanzung wieder lebendig. Dies spiegelt sich in der groรen Vielfalt von Bรคumen, Pflanzen und Tieren auf dem Platz wider.
Darunter haben sich sogar geschรผtzte Arten wie Zauneidechsen, Wechselkrรถten und Rosenkรคfer angesiedelt, aber auch Buntspecht, Lurch und Igel erfreuen sich an Teichen und angelegten Totholzhaufen, Strรคuchern, Brut- und Nistplรคtzen. Ebenfalls etwas, wie wir zu einem guten und diversen Stadtklima beitragen. Besonders angesichts des Klimawandels.
Vor uns liegt das Jahrzehnt der Entscheidung
Bereits 2018 titelte die LVZ โLeipzig verliert 10.000 qm Grรผnflรคcheโ, 2019 wurde in der ausgetrockneten, รผberhitzten Stadt der Klimanotstand ausgerufen. Vor uns liegt das Jahrzehnt der Entscheidung, noch kรถnnen wir das 1,5 Grad-Limit einhalten. Dafรผr muss รถkologische und soziale Nachhaltigkeit sowie Klimaschutz oberste Prioritรคt im Wahljahr bekommen!
Innerhalb unserer generationsรผbergreifenden Gemeinschaft leben wir bereits seit vielen Jahren Konzepte von Non-Profit, nachhaltiger Wiederverwertung, Tausch und Umverteilung.
Als sozialer Treffpunkt vernetzen wir uns mit Projekten und der Nachbar/-innenschaft und schaffen รถffentlichen Raum, an dem jede/-r teilnehmen und teilhaben kann. Gleichzeitig engagieren wir uns in der Geflรผchtetenhilfe und in zahlreichen Projekten auรerhalb des Platzes, um zukunftsfรคhige Strukturen mit aufzubauen.
Gerade angesichts bevorstehender Verknappung endlicher Ressourcen, wie Energie, Wasser, fruchtbarer Bรถden, aber auch um Alternativen zu ausbeuterischen und diskriminierenden Strukturen zu schaffen, ob im Bildungsbereich, Tauschlรคden, einem selbstorganisierten Mitglieder- oder Unverpacktladen oder in Kollektiven, wie der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi).
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Seit der โCoronakriseโ haben wir unser Archiv fรผr alle Leser geรถffnet. Es gibt also seither auch fรผr Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. รber die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
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