In der Ratsversammlung am 24. Juni brachte es der Leipziger Stadtrat tatsรคchlich noch einmal fertig, eine halbe Stunde lang รผber den Neubau der Kindertagesstรคtte im Poetenweg zu debattieren. Eigentlich auch zu streiten. Verbal flogen schon einige Fetzen und auch Vorwรผrfe, die Unwahrheit gesagt zu haben gab es. Dabei war der Wunsch der Linksfraktion, hier doppelt so viele Kita-Plรคtze zu bekommen, ja nur zu verstรคndlich. Nur scheitert das schon an der Bausubstanz.

Eigentlich steht diese Kindertagesstรคtte schon seit einigen Jahren auf der Tagesordnung, spรคtestens, seit in dem alten Bau Schwamm gefunden wurde und die Kinder ausziehen mussten. Was auch nicht ohne Konflikte ablief, denn Gohlis gehรถrt zu den kinderreichsten Ortsteilen in Leipzig. Eigentlich konnte man auf diese Kita am Poetenweg nicht wirklich verzichten. Weshalb die Verwaltung auch erst einmal einen Prรผfauftrag verpasst bekam, mit dem geklรคrt werden sollte, welche Variante hier eigentlich machbar war und was das kostete.Und das Ergebnis war so durchwachsen, wie man das erwarten konnte.

โ€žNach entsprechenden umfangreichen Voruntersuchungen wurde eine Sanierung des Bestandsgebรคudes aus funktionalen und wirtschaftlichen Grรผnden verworfen. So betragen die geschรคtzten Kosten bei einer Sanierung ca. 44.600 โ‚ฌ pro Platz gegenรผber ca. 39.400 โ‚ฌ beim Neubau. Eine einheitliche Baupreissteigerung von 3,35 % pro Jahr bis zur Realisierung 2023 wurde dabei sowohl beim Alt- als Neubau bereits berรผcksichtigtโ€œ, heiรŸt es in der Vorlage des Dezernats Jugend, Schule und Demokratie.

โ€žHohe Anforderungen des Denkmalschutzes, verbunden mit der funktional nicht geeigneten Bausubstanz und Baustruktur des denkmalgeschรผtzten Bestandsgebรคudes, eines historisch luxuriรถsen Geschosswohnungsbaus, fรผhren beim Altbau zu รผberdurchschnittlich hohen Kosten und hohen Kostenrisiken. U.a. bestehen Defizite im Bereich des standardmรครŸigen Raumprogramms fรผr Kindertageseinrichtung. So sind beispielsweise bei einer angenommenen Kapazitรคt von ca. 105 Plรคtzen nach einer Flรคchenprรผfung kein Personalaufenthaltsraum und Projektraum darstellbar.โ€œ

โ€žDes Weiteren besteht eine Beschrรคnkung der Ausgabekรผche auf ,Cook and Holdโ€˜ sowie eine eingeschrรคnkte Umsetzung der Barrierefreiheit. Daraus resultierend ist eine Nutzung als integrative Kindertageseinrichtung nicht mรถglich. Weitere Einschrรคnkungen sind aufgrund denkmalpflegerischer Belange zu erwarten.โ€œ

Das klingt erst einmal so, als mรผsste Leipzig einfach nur noch etwas Geld obendrauf packen, dann kรถnnte die Stadt an der Stelle nicht nur einen Neubau fรผr 105 Kinder bekommen, sondern auch den benachbarten Standort in der Nr. 22 erhalten und damit weitere 115 Plรคtze bekommen.

Und so formulierte die Linke, fรผr die Stadtrat Steffen Wehmann an diesem Donnerstag ins Gefecht ging, ihren Vorschlag auch: โ€žIm Vordergrund des Antrages steht der Erhalt des langjรคhrig als Kita genutzten kommunalen Objektes mit der Prรคmisse, in einem Stadtbezirk mit nicht ausreichendem Kita Platzangebot dieses entsprechend zu erhalten und auszubauen. Wir wollen, dass eine Kita aus verbundenem Neu โ€“und Altbau mit ganz eigenem Charakter entsteht, die auch ein kommunales Vorzeigeobjekt ist.โ€œ

Aber das Problem steckt in den noch nicht bezifferbaren Folgen. Denn den Schwamm im Altgebรคude hat man zwar gestoppt. Aber welche Folgen der Denkmalschutz fรผr die alte Villa finanziell mit sich bringt, das lรคsst sich nur schรคtzen. Und โ€“ so FDP-Stadtrat Sven Morlok โ€“ anders als private Bauherren kann die Kommune keine Denkmalfรถrdermittel in Anspruch nehmen. Die fehlende Barrierefreiheit, die fehlenden Personalrรคume und die nicht passenden Raumzuschnitte kommen noch obendrauf.

Und โ€“ so die zustรคndige Bรผrgermeisterin Vicki Felthaus โ€“ es gรคbe auch noch Probleme mit den Freiflรคchen, denn bei einem Kita-Bau mรผssen zwingend 10 Quadratmeter Freiflรคche pro Kind zur Verfรผgung stehen. Die Kinder mรผssen ja drauรŸen herumtoben kรถnnen.

So gesehen also ein Stapel sachlicher Argumente, รผber die man sich durchaus austauschen kann, auch wenn das Projekt in den zustรคndigen Ausschรผssen wohl schon ausgiebig diskutiert worden ist. Was ja keine Fraktion zwingt, einfach die Haltung der Verwaltung zu รผbernehmen. Tatsรคchlich ist so eine offene Diskussion notwendig, auch fรผr die Stadtgesellschaft: Wo sind die Grenzen stรคdtischen Handelns? Braucht es einen Kompromiss? Hat Leipzig noch Zeit, die Sache noch einmal ein oder zwei Jahre zu prรผfen? Ist das Ergebnis dann ein anderes?

Wobei ja noch ein anderer Anspruch angemeldet wurde โ€“ in diesem Fall aus der AfD-Fraktion, der sogar eine Kita mit 105 Plรคtzen zu groรŸ ist. Sie kรผndigte sogar an, gegen die Vorlage stimmen zu wollen, weil ihr der Neubau zu groรŸ wรคre. Und AfD-Stadtrat Christian Kriegel machte dann endgรผltig klar, dass seiner ร„ltere-Herren-Partei die Lebenslagen junger Eltern tatsรคchlich fremd sind. Er behauptete einfach, es wรคre unvorstellbar, dass junge Eltern mit der StraรŸenbahn kommen kรถnnten und ihr Kind auf dem Arm zur Kita tragen kรถnnten.

Nichts anderes tun viele Leipziger Eltern. Manche schieben die Knirpse auch im Wagen oder lassen sie laufen. Denn die meisten Kinder sind ja keine Babys mehr, wenn sie in die Kita kommen.

Aber Kriegel ging es eher um die zugeparkten StraรŸen in Gohlis. Als wรผrden Kindertagesstรคtten nur funktionieren, wenn Helikoptereltern mit dem Auto vorfahren kรถnnen. Dabei kรคmpfen Leipzigs junge Eltern seit Jahren darum, Kita-Plรคtze in ihrem Wohnumfeld vermittelt zu bekommen, in Laufweite. Das Auto ist fรผr die allerwenigsten das ideale Transportmittel auf dem Weg zur Kita.

Aber die AfD hatte ja auch keinen ร„nderungsantrag geschrieben. Das stand also nicht wirklich zur Debatte. Die Frage war nur, ob es die Linksfraktion schaffen wรผrde, auch andere Fraktionen fรผr ihren Vorschlag zu begeistern, nicht nur einen Neubau auf dem Grundstรผck Nr. 24 zu errichten, sondern auch das seit 2019 leergezogene Gebรคude Nr. 22 wieder als Kita herzurichten.

Aber nach der heftigen Diskussion war damit nicht mehr zu rechnen. Der Linke-Antrag wurde mit 17:31 Stimmen abgelehnt.

Zur Abstimmung รผber die Vorlage der Verwaltung enthielt sich die Linke-Fraktion dann. Trotzdem bekam er mit 34:0:13 Stimmen die nรถtige Mehrheit, sodass jetzt fรผr rund 4 Millionen Euro auf dem Grundstรผck Nr. 24 bis 2024 eine neue Kindertagesstรคtte fรผr 105 Kinder errichtet werden kann. Das Altgebรคude auf dem Grundstรผck Nr. 22 behรคlt die Stadt erst einmal, will es aber โ€žam Markt zum Tausch mit dem Ziel anbieten, ein Grundstรผck zu erhalten, das fรผr die Erreichung kommunaler Ziele geeignet ist.โ€œ

Also mรถglichst einen Tauschpartner finden, der hier ein denkmalgeschรผtztes Wohngebรคude in attraktiver Lage zur Sanierung รผbernehmen mรถchte, an anderer Stelle in der Stadt aber mรถglichst ein Grundstรผck zum Tausch bieten kann, das sich zum Beispiel fรผr den Bau einer weiteren Kita eignet. Oder einer Sporthalle. Oder einer Schwimmhalle.

Wobei man schon merkte, dass das Wort โ€žGrundstรผckstauschโ€œ seit der Diskussion um das Schulgebรคude in der Kurt-Eisner-StraรŸe immer mitgrummelte in dieser Diskussion.

Und so ganz ohne ist das Grundstรผck Poetenweg 22 ja nicht, allein schon aufgrund seiner Lage in der Nรคhe des Gohliser Schlรถsschens. Nach Schรคtzungen der Stadt hat es durchaus mit dem Altgebรคude einen Wert von 1 Million Euro, was schon einmal einige Ansprรผche klarmacht an ein mรถgliches Tauschangebot.

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