Es wird nicht einfach mit dem Ratsholzdeich am Elsterflutbett, wo der Deichweg zwar seit April gesperrt ist. Aber das kümmert Jogger und Spaziergänger erst einmal nicht wirklich. Sie umlaufen die Absperrung einfach, denn am Zustand des Deiches und des Weges hat sich ja seit Herstellung der Deichöffnung weiter südlich nicht viel geändert. Aber der gesperrte Deichweg hat inzwischen eine Diskussion in Gang gebracht, die jetzt augenscheinlich der Landestalsperrenverwaltung zu schnell geht.

Denn selbst der neu geschaffene Deichdurchlass, der künftig mehr Hochwasser in den südlichen Auwald bringen soll, war das Ergebnis eines über Jahre ausgehandelten Kompromisses, an dessen Ende dann noch ein fünf Jahre dauerndes Planfeststellungsverfahren stattfand.Und augenscheinlich fällt Leipzig jetzt regelrecht auf die Füße, dass frühere Amtsleiterinnen hier aus Leipziger Perspektive eher gemauert haben, als zu viele Forderungen nach einer Auenöffnung zu äußern. Einen Vorschlag wie jetzt aus dem Leipziger Umweltdezernat, den nördlichen Teil des Deiches einfach abzubauen, hätte man vor sechs Jahren auf keinen Fall erwartet.

Das merkt auch das Sächsische Umweltministerium an, das wir direkt zu diesem Vorschlag aus dem Leipziger Umweltdezernat gefragt haben.

„Die Landesdirektion Sachsen hat nach dem fünf Jahre dauernden Planfeststellungsverfahren den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss zur Entwidmung und Deichöffnung im südlichen Bereich erteilt. Im Verfahren gab es zahlreiche Äußerungen, mit denen bereits diese von der Landestalsperrenverwaltung beantragten Deichöffnungs- und Entwidmungsmaßnahmen wegen befürchteter Verminderung des Hochwasserschutzes hinterfragt wurden“, formuliert es Oliver Rittweger, Referent im Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft.

Und während Markkleeberg den Schutz seiner Kläranlage anmahnte und die Deutsche Bahn den ihrer Gleise im Süden des Geländes, mahnte die Stadt Leipzig den weiteren Schutz städtischer Liegenschaften wie des Wildparks, der Stadtförsterei, der Sportplätze und weitere Infrastruktur im südlichen Auwald an. Aber alle diese Bauten liegen östlich der Pleiße bzw. des Floßgrabens, während die Flutung vor allem im Gebiet der Paußnitz stattfindet.

„Die planfestgestellte Lösung stellt insofern einen Kompromiss zwischen Hochwasserschutz und Auenflutung dar“, betont Rittweger.

„Bestandteil der planfestgestellten Lösung ist das Projekt ,Dynamische Aue südlicher Leipziger Auwald‘, das das AfU der Stadt Leipzig plangenehmigt hat. Das Projekt ‘Ratsholz’ der LTV wurde auf Wunsch der unteren Naturschutzbehörde detailliert mit dem AfU der Stadt Leipzig abgestimmt und ermöglicht im Hochwasserfall eine Einleitung von Wasser in den südlichen Auwald und somit eine Aufwertung dieses Gebietes. Zu der Frage, inwieweit das städtische Projekt ,Dynamische Aue‘ mit seinen geplanten Flutungen von Auwaldbereichen bei einem weitergehenden Deichrückbau noch funktionieren würde, sind der LTV keine entsprechenden Untersuchungen bekannt.“

Inzwischen aber hat wenigstens im Amt für Umweltschutz ein Umdenken stattgefunden, hält es doch jetzt den Rückbau des entwidmeten Deichabschnitts (das ist der nördliche Abschnitt des Ratsholzdeiches) für sinnvoll, wie es in der Antwort auf eine Stadtratsanfrage erläutert:

„Ein Rückbau dieses Deichabschnitts mit der Maßgabe, dass in Wurzelräume von Altbäumen am Waldrand nicht eingegriffen wird, die Bewaldung der frei werdenden Flächen und eine damit einhergehende unmittelbare Korrespondenz zwischen Fluss und Auwald stellt im gegenständlichen Zusammenhang die seltene Gelegenheit dar, für den Auwald Flächen in großem Umfang direkt zurückzugewinnen und hier die für Auen typische Dynamik teilweise (Waldflutung über das Elsterflutbett aufgrund dessen Tieflage nur bei größeren Hochwässern möglich) wieder zuzulassen. Eine solche Maßnahme stellt eine klassische Form des naturschutzrechtlichen Ausgleichs dar.“

Das, was die Landesdirektion da 2019 genehmigt hat, hat aber nicht nur einen fünfjährigen Vorlauf. Die Planungen der Landestalsperrenverwaltung stammen sogar aus den Jahren 2011/2012.

Dabei ist der Rückbau des südlichen Deichabschnitts überhaupt nicht geplant. Nicht nur, weil er unter anderem auch das Klärwerk Markkleeberg schützt.

„Seit 1993 nutzt die untere Naturschutzbehörde im AfU der Stadt Leipzig bei den jährlichen Paußnitzflutungen den südlichen Deich als ,Staudamm‘ gegen Abfließen des Wassers aus der Aue in das Elsterflutbett“, betont Rittweger.

„Im Projekt ,Dynamische Aue‘ hat das AfU der Stadt Leipzig die Flutung/Durchströmung dieses Bereiches über einen Zufluss von oberhalb geplant. Durch das planfestgestellte und im Februar 2021 von der LTV fertiggestellte Auenflutungsbauwerk im Deich Elsterhochhochflutbett kann – bei einer Anbindung im Rahmen des Projektes ‘Dynamische Aue’ durch die Stadt Leipzig – der Auwald planmäßig mehr Wasser (Hochwasser der Weißen Elster) erhalten.“

Geplante Deichsanierung: Im grünen Bereich wird der Deich saniert, im roten Bereich entwidmet. Karte: Landesdirektion Sachsen
Geplante Deichsanierung: Im grünen Bereich wird der Deich saniert, im roten Bereich entwidmet. Karte: Landesdirektion Sachsen

Und er betont auch: „Ein weitergehender Rückbau des Deiches ist derzeit nicht planfestgestellt und bedürfte insoweit zunächst entsprechender Prüfungen mit Klärung der oben genannten Randbedingungen. Insoweit liegen wesentliche Voraussetzungen für die nachgefragte Prüfung vertraglicher Vereinbarungen gegenwärtig nicht vor.“

Und diese Prüfung wird es vor 2022 dann wohl nicht geben, was Rittweger zumindest andeutet, wenn er zu weiteren Kompensationsmaßnahmen der LTV in diesem Gebiet betont: „Inwieweit örtliche Kompensationsmaßnahmen möglich sind, wird im anhängigen Verwaltungsverfahren untersucht. Eine Auswertung der Ergebnisse des Leipziger Auenentwicklungskonzeptes ist sicher erforderlich, um die oben genannten Randbedingungen für die Machbarkeit und Genehmigungsfähigkeit weiterer Maßnahmen belastbar einschätzen zu können.“

Zu diesen Kompensationen könnte eben auch der Rückbau des nördlichen Deichabschnitts gehören. Aber das Auenentwicklungskonzept, das der Stadtrat in Auftrag gegeben hat, wird erst Ende 2022 vorgestellt. Darin soll es auch ein Kapitel zum südlichen Auwald geben.

Bleibt noch der Weg, der nach Feststellung der Leipziger Stadtverwaltung weiterhin in der Hoheit der Landestalsperrenverwaltung ist, die nun eigentlich für Wegesicherheit und Nutzbarkeit zuständig ist. Aber da rührt sich erst mal nichts, teilt uns Rittweger mit: „Wie die aktuell laufende Petition in der Stadt Leipzig zeigt, gibt es starke Bürgerinteressen, den Weg auf dem rechten Deich am Elsterflutbett in Fließrichtung intensiv nutzbar zu erhalten. Über den weiteren Umgang mit dem Weg kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden. Über die zukünftige Gestaltung und Funktion der Flächen wird im Zuge weiterer Gespräche entschieden werden.“

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