Anfang Mai kam es auf dem Grundstück Bornaische Straße 84 zu einer ein gewisses Aufsehen erregenden Baggerbesetzung und einem Baustopp für den dort seit 2019 beantragten Neubau. Ein durchaus heikler Fall in Connewitz, wo man beim Thema Gentrifizierung mittlerweile sehr dünnhäutig reagiert. Und dieses Thema ist noch nicht vom Tisch, auch wenn der Baustopp mittlerweile aufgehoben wurde. Die Linke-Stadträtin Juliane Nagel hatte nachgefragt.
Immerhin stand – als der Bagger so spektakulär besetzt wurde – die Möglichkeit im Raum, dass sich auf dem seit Jahren leerstehenden Grundstück Zauneidechsen angesiedelt haben könnten. Ein nachgewiesenes Vorkommen hätte die Baugenehmigung zumindest infrage gestellt. Ob es auf dem Grundstück auch einmal andere schützenswerte Tierarten gab, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.Dazu ist das Grundstück zu gründlich von jedem höheren Bewuchs befreit worden. Blieben nur die möglicherweise vorhandenen Zauneidechsen, um den Neubau mit Tiefgarage über das Naturschutzrecht zu verhindern. Andere Möglichkeiten haben selbst Anwohner nicht, die befürchten – wie auf Schildern am Zaun zu lesen –, hier einen weiteren Palast vor die Nase gesetzt zu bekommen.
Die Linke-Stadträtin Juliane Nagel hatte aus Anlass der Baggerbesetzung mehrere Fragen an Leipzigs Verwaltung gerichtet. Und nun stellt sich heraus, dass es seit 2019 tatsächlich eine gültige Baugenehmigung gibt. Und der am 7. Mai am Tag der Baggerbesetzung ausgesprochene Baustopp wurde drei Tage später wieder aufgehoben, da keine Zauneidechsen gefunden werden konnten.
Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat jetzt mit Rücksprache im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege und dem Amt für Umweltschutz die Fragen von Juliane Nagel beantwortet. Und die zentrale Aussage ist natürlich zur Gültigkeit der Baugenehmigung: „Zum geplanten Vorhaben wurde der Baubeginn zum 03.05.2021 angezeigt. Die Baugenehmigung wurde am 17.10.2019 erteilt und beinhaltet den ,Neubau eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage‘.“
Aber augenscheinlich wurde zuvor eben doch eine genaue naturschutzfachliche Untersuchung der Fläche unterlassen. Anders lässt sich der kurzzeitig verhängte Baustopp nicht begründen.
„Der Baustopp wurde am 07.05.2021 fernmündlich ausgesprochen. Am 10.05.2021 wurde dieser Baustopp aufgehoben. In diesem Zeitraum fanden keine Baumaßnahmen auf dem Grundstück statt“, betont das Baudezernat. „Da sich der Hinweis auf ein aktuelles Vorkommen von Zauneidechsen auf dem Baugrundstück nicht bewahrheitete, bestand aus artenschutzfachlicher Sicht keine Veranlassung, den Baustopp weiter aufrechtzuerhalten.“
Nach einer gründlichen naturschutzfachlichen Untersuchung hat Juliane Nagel in diesem Fall nicht gefragt. Noch ist das Thema ja auch im Stadtrat nicht entschieden, obwohl gerade der NABU Leipzig immer wieder fordert, die Rückzugsräume von Tieren und Insekten auch auf künftigen Baugrundstücken zu kartieren und zu bewahren. Das Umdenken, dass solche Biotope in Leipzig bewahrt werden müssen, ist noch nicht wirklich Stadtrats- und Verwaltungshandeln.
Und so half in diesem Fall auch der Verdacht auf das Vorkommen von Zauneidechsen nicht.
„Die Anwesenheit von Zauneidechsen auf dem Baugrundstück konnte seitens der unteren Naturschutzbehörde nicht bestätigt werden. Ein Mitarbeiter hat im Rahmen eines Ortstermins am 11. Mai 2021 bei idealen Witterungsbedingungen das Grundstück sehr intensiv auf Zauneidechsen hin untersucht. Dabei konnten keine Anhaltspunkte für ein aktuelles Vorkommen dieser streng geschützten Art festgestellt werden. Bei dem Ortstermin und der Zauneidechsensuche war auch ein vom Eigentümer beauftragtes Umweltplanungsbüro beteiligt“, erklärt das Baudezernat.
„Es befinden sich zwar einige Habitatstrukturen wie Steinhaufen auf dem Grundstück, die grundsätzlich für Zauneidechsen geeignet sein können, jedoch spricht vor allem die sehr verinselte Lage gegen ein dauerhaftes Vorkommen einer überlebensfähigen lokalen Population auf dieser kleinen Fläche.“
Aber das eigentliche Konfliktthema steckte in der letzten Frage von Juliane Nagel: „Warum wurde für den geplanten Bau keine Errichtung von Sozialwohnungen beauflagt?“
Tja, das ist ein Bereich, in dem eine Kommunalverwaltung praktisch keine Zugriffsrechte hat. Oder wie es das Baudezernat formuliert: „Bei einem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren in einem unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB besteht aufgrund fehlender Rechtsgrundlage keine Möglichkeit zur Beauflagung von Sozialwohnungen.“
Den entsprechenden Passus im Baugesetzbuch findet man hier. Wobei durchaus eine Frage der Zukunft sein dürfte, ob sich das geplante Gebäude – wie im Gesetz formuliert – „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“.
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