Eigentlich hatte Leipzigs Verwaltung in den vergangenen 15 Jahren genug Erfahrungen gesammelt, das man mit privaten Investoren Schulen nicht preiswerter gebaut bekommt. Aber beim Gebiet am Bayerischen Bahnhof hat es die Verwaltungsspitze trotzdem noch einmal versucht, hier einen Privatinvestor für einen Schulneubau zu binden. Doch die Vorlage, die das Dezernat Finanzen jetzt zu diesem Investorenmodell herausgegeben hat, sorgt bei Grünen und Linken für gelindes Entsetzen.

Seit zwei Tagen ist der Vorschlag der Verwaltungsspitze der alternativen Beschaffung im Schulhausbau bzw. die Annahme des Kaufangebotes für eine vierzügige Grundschule mit Zweifeldsporthalle mit der Rubin 72. GmbH im Bereich des Bayerischen Bahnhofes (Kurt-Eisner-Straße) im Ratsverfahren.Neben einem Kaufpreis von 25.320.525 € (inkl. Mwst.) soll die Schule für drei Jahre von der Stadt kostenpflichtig angemietet werden und im Tausch für das Grundstück zehn kommunale Grundstücke an den Investor abgegeben werden. Was dann rund 30 Millionen Euro Kosten für die Stadt bedeuten würde.

Aber in diesem Angebot steckt auch noch der Posten „Grundstückstausch zum Verkehrswert ggf. mit Wertausgleich“, hinter dem eine Liste von zehn städtischen Grundstücken im Stadtgebiet steckt, die nach Kalkulation des Finanzdezernats einen Wert von 5,8 Millionen Euro haben. Was nicht die einzige Kröte in der Vorlage ist.

Denn für den Fall, dass der Stadtrat dieses Angebot nicht annimmt, rechnet das Finanzdezernat als „Alternative bei Nichtbeschluss und Unterstellung sofortiger Planungsbeginn“ einen Kostenberg von 76 Millionen Euro vor – plus 10 Millionen Euro zum Kauf eines Grundstücks für die benötigte Grundschule.

Vor so eine Wahl wurde der Stadtrat noch nie gestellt.

Doch die Entscheidung darüber soll der Stadtrat schon in der nächsten Ratsversammlung am 23. Juni treffen. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Fraktion jedenfalls bewerten den Vorschlag als unseriös und nicht zustimmungsreif.

„Mit den kolportierten 76 Millionen Euro für eine Alternativvariante sollen Rat und Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt werden“, kommentiert Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende und schulbaupolitische Sprecherin der Grünen, die Vorlage.

„Kosten für die Sanierung der Grundschule Connewitz, der Georg-Schumann-Oberschule, der Floßplatzschule- und Petrischulen und der Neubau einer weiteren Oberschule, die alle sowieso anstehen, werden unzulässig als Kosten in Anschlag gebracht um darüber hinwegzutäuschen, dass eine Schulbaulösung in kommunaler Verantwortung auf kommunalen Grundstücken unter dem Strich günstiger sein werden. Zudem steht zu befürchten, dass mit der Investorenlösung an baulichen Standards gespart wird. Unbeantwortet ist auch weiterhin die Frage, wann die Wohnbebauung im Gebiet Bayerischer Bahnhof steht und daraus ein Kapazitätsbedarf wirksam wird.“

Und Dr. Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender und bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, findet insbesondere das Angebot städtischer Grundstück inakzeptabel: „Wir stehen zum Grundsatzbeschluss des Stadtrates, kommunale Grundstücke für die Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand zu behalten. Der von Finanzbürgermeister Bonew vorgestellte Vorschlag für einen Grundstückstausch im großen Stil öffnet Tür und Tor für Immobilienspekulation und ist für unsere Fraktion inakzeptabel.“

„Wenn für den Investor ein Erwerb zum Verkehrswert, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Tausch eines innerstädtischen Grundstücks, nicht infrage kommt, sollten die Verhandlungen ehrlicherweise beendet werden. Zu klären ist, inwiefern die in Rede stehenden Tauschgrundstücke für kommunale Investitionen, z. B. in Wohnen oder Kita-/Schulbau genutzt werden können.“

Und auch Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion im Stadtrat zu Leipzig, findet die Vorlage so nicht zustimmungsreif: „Die Linke wird dem geplanten Ausverkauf des städtischen Tafelsilbers keinesfalls zustimmen. Schon jetzt gibt es kaum noch innerstädtische Grundstücke im Eigentum der Stadt, die sich zum Wohnungsbau eignen. Warum jetzt die Stadt der Abgabe von insgesamt 10 Grundstücken – darunter Filetstücke in der Käthe-Kollwitz-Straße – zustimmen soll, erschließt sich uns nicht.“

„Dem Stadtrat liegen weder das Kaufangebot noch der Mietvertrag über drei Jahre schriftlich vor. Hier muss man leider von einem Versagen der Verwaltung auf vielen Ebenen sprechen, die sich unnötig in eine Erpressungssituation manövriert hat und damit möglicherweise auch den Stadtrat. Auf dieser unsoliden Grundlage kann nach unserer festen Überzeugung keine seriöse und verantwortungsbewusste Entscheidung getroffen werden.“

Und auch für die Linksfraktion ergeben sich aus der Vorlage „Alternative Beschaffung Schulhausbau VII-DS-00590“ mehr Fragen als Antworten, die bisher – so die Linke – auch nicht in den Gremien des Stadtrats beantwortet wurden. Am 10. Juni haben sich erstmals die Fachausschüsse Jugend, Schule und Demokratie, Finanzen sowie Stadtentwicklung und Bau sowie Grundstücksverkehrsausschuss mit der Vorlage beschäftigt.

Die Fragen, die die Linksfraktion hat:

– Wie kann man die Kosten für die Sanierung von drei  Schulen und den Bau einer Oberschule mit dem Bau eines Gymnasiums gleichsetzen? Müssten die Sanierungen nicht so oder so durchgeführt werden? Sind damit die 30 Mio. € mit den 67,6 Mio. € überhaupt seriös vergleichbar?
– Warum soll ein Grundstück direkt am Wald für 15,- €/qm² verkauft werden?
– Inwiefern ist bezahlbarer, kommunaler Wohnraum (gerade in Mitte) strategisch wichtig? Ist dies bei einem weiteren Verlust eines städtischen Grundstückes überhaupt noch leistbar?
– Wie sind die Bedarfe im MDR-Gelände? Wann wird eine Grundschule dort überhaupt benötigt?
– Warum gibt es Abweichungen im Raumplan, welchen die Stadt eigentlich als Mindeststandard festgelegt hat?
– Welchen baulichen Standard wird die Schule haben? Geht es über den Mindeststandard hinaus?

„Die Vielzahl ungeklärter Fragen bringt uns dazu, dass wir die Vorlage ablehnen werden“, so Pellmann. „Die Linksfraktion hält den Erhalt von städtischen Grundstücken für eine der strategischen Entscheidungen, um ein soziales und zukunftsfähiges Leipzig zu entwickeln.“

Und auch die Eile, mit der die Vorlage jetzt zum Beschluss gebracht werden soll, wirft Fragen auf. Soll hier zusätzlich auch noch Zeitnot suggeriert werden, damit die Ratsfraktionen gar nicht erst zum Nachdenken kommen? Und das, obwohl noch nicht einmal absehbar ist, wann die versprochene Wohnbebauung auf dem Gelände des Bayerischen Bahnhofs gebaut werden soll?

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