Es ist so schön, wenn eine Stadt noch Pläne haben darf und das Ende der strikten Corona-Maßnahmen auch wieder die offizielle Eröffnung von wichtigen Bauprojekten ermöglicht. So wie am Dienstag, 1. Juni, ein hübsches Stückchen nach 14 Uhr. Denn Oberbürgermeister Burkhard Jung, der sich das ganz und gar nicht entgehen lassen wollte, saß noch in der Dienstberatung, als ihm 5 Minuten vor Termin einfiel: „Wir wollten ja noch eine Brücke eröffnen!“
Und es ist in diesem Fall mal keine Autobrücke. Im Gegenteil: Sie ist ein elementarer Bestandteil des langsam entstehenden Leipziger Radnetzes und womöglich in näherer Zukunft auch Teil des Radschnellweges von der Innenstadt über das Herzklinikum in Probstheida bis zum Stadtrand.Dabei wurde die Messebrücke – von Leipzigs Seite her so nicht gewollt – mit erheblicher Verspätung eröffnet. Schon der Blick über die neue Brücke, die die S-Bahn südöstlich des alten Messegeländes im Verlauf der Straße des 18. Oktober überspannt, zeigt: Hier gibt es jetzt wieder eine direkte Rad- und Fußwegeverbindung zwischen Altem Messegelände und Völkerschlachtdenkmal.
Oberbürgermeister Burkhard Jung hat die neu errichtete „Messebrücke“ im Zuge der Straße des 18. Oktober am 1. Juni für den Verkehr freigegeben. Wobei er gleich einmal versprach, demnächst mit dem Zollstock wiederzukommen und nachzumessen, ob die Brücke tatsächlich genau 18,13 Meter breit ist in Erinnerung an die Völkerschlacht 1813, an die ja nicht nur das Völkerschlachtdenkmal erinnert, sondern auch die Straße des 18. Oktober.
Die ursprüngliche Messebrücke in Sichtweite des Völkerschlachtdenkmals querte die S-Bahntrasse und die Ferngleise der Deutschen Bahn und war 1912 auch für den Autoverkehr errichtet worden. Allerdings konnte sie zuletzt aufgrund des schlechten baulichen Zustands nur noch von Fahrradfahrern und Fußgängern genutzt werden. 2005 schon war sie für den Kraftverkehr gesperrt worden. Eine Sanierung war schließlich wirtschaftlich nicht möglich, weshalb das als Denkmal eingetragene Bauwerk 2016 abgerissen werden musste.
Und das schweren Herzens, wie Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes, erzählt. Denn eigentlich wollte Leipzig die Brücke vor dem Bau des Nachfolgers nicht sperren. 2008 hatte der Stadtrat den Baubeschluss für die neue Messebrücke gefasst.
2013 gab es den Gestaltungswettbewerb, den das in Leipzig heimische Architekturbüro Daab Nordheim Reutler gewonnen hatte. Doch dann begannen die Schwierigkeiten, mit der Deutschen Bahn einen Termin für den Bau zu finden. Denn immerhin sollte ja der rollende Verkehr unter der Brücke möglichst wenig gestört werden.
2016 musste die Brücke ganz und gar gesperrt werden, weil schon erste Teile hinunter auf die Bahngleise zu stürzen drohten. Logisch, dass die Freude in Probstheida und Umgebung groß war, denn nach fünf Jahren ist endlich die Umleitung vorbei, brauchen Radfahrer nicht mehr über die belastende Prager Straße in die Innenstadt fahren.
Aber erst 2017 stand dann auch die Finanzierung und konnte im April 2019 dann endlich losgebaut werden. Bei strahlendem Sonnenschein wurde die Brücke jetzt endlich der Öffentlichkeit übergeben. Fußgänger und Radfahrer dürfen drüber, müssen sich aber bei einigen Anschlussstücken noch gedulden. Denn die Straße des 18. Oktober im alten Messegelände soll ab 2024 neu gebaut werden, so Michael Jana. Dann verbessern sich auch hier die Bedingungen für die Fahrradstraße.
Zukunftsmusik ist auch noch die alte Treppe hinauf zum „Stadtbalkon“, wie der Richtung Neues Rathaus gelegene Plateauteil genannt wird. Dort hätten ja die Grünen nur zu gern das Panorama zur Völkerschlacht gesehen. Aber das sei auch aus Platzgründen nicht möglich, so Jung. Aber man wolle dranbleiben. Denn das Panoramabild gehört natürlich in diese Beziehungsachse.
Nur das Neue Rathaus sieht man nicht. Denn der in den 1970er Jahren gebaute Gebäuderiegel, der das Messegelände im Nordwesten abschließt, verstellt die alte Sichtachse komplett. „Dieser Torriegel kommt noch weg, das verspreche ich“, sagte Jung.
Die Beschreibung der Brücke
Die V-förmigen Brückenpfeiler wurden schräg angeordnet, sodass ein schlanker Überbau aufgesetzt werden konnte. Das Geländer der Brücke ist eine architektonisch gestaltete Stahlkonstruktion in Form eines gespannten Bogens. Ein LED-Lichtband im oberen Geländeholm beleuchtet die Brücke.
Die dreifeldrige Brücke wird gerahmt von den Zu- und Abfahrtsrampen zum Messevorplatz einerseits, sowie dem Zugang zum Wilhelm-Külz-Park andererseits. Diese Bereiche galt es aufgrund ihrer exponierten Lage städtebaulich aufzuwerten und dabei denkmalpflegerische Aspekte zu berücksichtigen.
Der Vorplatz zum denkmalgeschützten Wilhelm-Külz-Park wurde in einen asphaltierten Bereich in Verlängerung der Brückenachse und zwei seitlich anschließende parknahe Bereiche mit unbefestigtem, natursteingedecktem Weg unterteilt. Die sechsreihige Roteichenallee aus dem Park wurde planerisch aufgenommen und weitere Roteichen im historischen Pflanzraster nachgepflanzt.
Die unter Denkmalschutz stehenden Zu- und Abfahrtsrampen zum Messevorplatz, der sogenannte Stadtbalkon, wurde ebenfalls instandgesetzt. Der Stadtbalkon inklusive der Treppenanlage wird von der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH ab 2024 zusammen mit der Mittelachse der Straße des 18. Oktober erneuert.
Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 10,7 Millionen Euro, wobei der Brückenbau mit Fördermitteln des Freistaates Sachsen in Höhe von knapp 7,1 Millionen Euro unterstützt worden ist.
Das Leipziger Büro für Brückenplanung König & Heunisch Planungsgesellschaft überführte den Entwurf in die finale Planung. Entstanden ist ein integrales Bauwerk, das also ohne Fugen und Lager auskommt – und für das sich die Unterhalts- und Wartungskosten auf ein Minimum reduzieren lassen.
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Es gibt 2 Kommentare
Das Torgebäude ist gestalterisch natürlich störend, aber hoffentlich haben Neubau und Sanierung anderer Gebäude und Infrastruktur für OBM Jung eine höhere Priorität als die Vernichtung noch nutzbarer Gebäudesubstanz, auch angesichts der Corona-Schulden.
Leider gibt es von der neuen Brücke keinen Abgang zum S-Bahnhof Völkerschlachtdenkmal. Offensichtlich hat man nicht einmal den Platz freigehalten, um nachträglich noch einen bauen zu können. Hat sich die Stadt dazu irgendwann mal geäußert?
Zugegeben, ich habe nicht mehr geglaubt, dass da wieder was kommt. Zu viel haben die städtischen Planer in der Stadt herumgehunzt.
Der Bericht liest sich ja ganz begeistert. Herzlichen Glückwunsch “uns” allen!
Und einen großen Dank an die Leute besonders in der Stadtverwaltung, die sich dahintergeklemmt und durchgehalten haben.
Ja, dass die Straße des 18. Oktober eigens als große Sichtachse angelegt wurde, die vom Völkerschlachtsdenkmal durch den Portikus des Bayrischen Bahnhofs zum Neuen Rathaus geradlinig verläuft, dürfte einigen Leipzigern nicht bekannt sein, wo man zu DDR-Zeiten in gewollter Ablehnung eines “Bürgertums” so hagestolz alles verhunzt hat, was eben nur ging – so z.B. mit dem Bau des besagten Torriegels. Schön, dass der wohl wegkommen soll.
(Vielleicht erlebe ich es noch, dass die unsägliche Tiefgarageneinfahrt auf dem Augustusplatz wegkommt. Wenn es den Stadtoberen plötzlich so wichtig geworden ist, eine hübsche Stadt zu haben.)