Vielleicht klappt es ja, dem „Kohlrabizirkus“, also der 1927/1930 für die Stadt Leipzig gebauten Großmarkthalle, eine Zukunft zu geben, auch wenn sich hier bislang kein Investor fand, der hier eine renditeträchtige Idee umgesetzt hat. Aber möglicherweise traut man Investoren zu viel Phantasie zu, wenn man glaubt, sie wüssten in alten Gebäuden auch mal neue Ideen umzusetzen. Und so kündigten OBM Burkhard Jung und Baubürgermeister Thomas Dienberg am Donnerstag, 24. Juni an, dass Leipzig die Großmarkthalle für 12,5 Millionen Euro kaufen wolle.
Die Stadt möchte den denkmalgeschützten sogenannten Kohlrabizirkus vor allem als Eissportstandort sichern und ihn perspektivisch zu einer modernen Sport-, Freizeit- und Kulturstätte entwickeln. Den entsprechenden Vorschlag für den Stadtrat zum Ankauf des rund vier Hektar großen Areals südlich der Semmelweißstraße von der Vicus Group AG hat Oberbürgermeister Burkhard Jung jetzt auf Vorschlag von Baubürgermeister Thomas Dienberg auf den Weg gebracht.
„Der ‚Kohlrabizirkus‘ ist ein architektonisches Wahrzeichen Leipzigs, das eine Zukunft verdient – und zu einem sportlichen Wahrzeichen werden kann. Wir sind überzeugt, dass so eine spezielle Immobilie am ehesten im städtischen Eigentum konzeptionell entwickelt und nicht zuletzt für den Eissport gesichert werden kann“, sagt Burkhard Jung.
Die Icefighters sind seit 2018 Mieter in der einstigen Großmarkthalle, nachdem sie sechs Jahre lang nach Taucha ausgewichen waren. Doch ihr Aufenthalt im „Kohlrabizirkus“ ist bislang nur ein Provisorium, die Mietverträge wurden immer nur von Jahr zu Jahr verlängert. Stabile Verhältnisse gibt es erst, wenn eben die Stadt selbst bzw. ihre Immobilientochter LEVG zum Vermieter wird und die Halle auch brandschutztechnisch so sichert, dass hier ein dauerhafter Spielbetrieb geplant werden kann.
Und nicht nur der, so Burkhard Jung. Denn Leipzig fehle auch ansonsten eine dauerhaft nutzbare Eissporthalle. Wer regelmäßig Eissport machen wolle, müsse bislang nach Halle, Chemnitz oder Dresden ausweichen. Für eine Großstadt wie Leipzig wäre so ein Anlaufpunkt ein wichtiger Standortvorteil.
Aber es geht nicht nur um Eissport, auch wenn im ersten Schritt geplant ist, die Nordkuppel des „Kohlrabizirkus“ als Eissporthalle für den Breiten- und Profisport sowie als kulturellen Ort des „Instituts für Zukunft“ im Souterrainbereich zu sichern.
Dabei will Jung auf die Grundstückstochter LEVG zurückgreifen, die bei der Entwicklung des benachbarten Geländes der alten Messe schon gezeigt habe, dass sie solche Projekte bewältigen kann.
Die Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH & Co. Grundstücks-KG (LEVG) als städtisches Beteiligungsunternehmen soll die Flächen betreuen – und soll die Immobilie nach dem Kauf als sogenannte Sacheinlage erhalten. Der Kaufpreis liegt derzeit bei 12,55 Millionen Euro. Bis Ende Juli verhandelt die Vicus Group AG exklusiv mit der Stadt über den Kauf, ein reines Vorkaufsrecht zugunsten der Stadt gibt es jedoch nicht.
Die LEVG soll zudem einen Bewirtschaftungszuschuss sowie eine Anschubinvestition erhalten, um etwa den Brandschutz zu ertüchtigen. Bewirtschaftungszuschuss heißt: 270.000 Euro pro Jahr, um die Bewirtschaftungskosten zu decken. Eine Summe, die von Jahr zu Jahr abschmelzen soll, so Jung, je besser die LEVG die Halle vermarktet bekommt.
Aber das erfordert vorher natürlich noch Investitionen in Brandschutz und Gebäudetechnik, die Thomas Dienberg auf rund 7 Millionen Euro beziffert, 3,5 Millionen für jeden Kuppelteil. Erst dann wäre man auch in der Lage, die eigentlich zwei Hallen dauerhaft zu vermieten.
Parallel zu diesem ersten Schritt soll ein langfristig ausgelegtes Nutzungskonzept für das gesamte Objekt erarbeitet werden. Denn gerade für die Südhalle fehlt bislang ja noch jede Nutzung. Gemüse wird hier ja nicht wieder gelagert werden.
Burkhard Jung hat da schon einige Ideen: So könnte der Kohlrabizirkus beliebten Trend- und Freizeitsportarten wie etwa Parcours und Klettern Raum bieten, weitere Kultur-, Freizeit- und gastronomische Angebote sollten dieses Sortiment flankieren. Zusätzlich denkbar wären in dem beide Kuppeln verbindenden Büroanbau Proberäume, Ateliers und ähnliche kreative Freiräume.
In einer längeren Perspektive ab 2030 soll dann auch das Potenzial der zum Gesamtgrundstück zählenden Baulandflächen genutzt werden, um weitere Unternehmensansiedlungen zu realisieren, die den auf der Alten Messe eingeschlagenen Weg weiterführen.
Diese Verkaufserlöse könnten dann die Sanierung des Bestandsgebäudes finanzieren. Weshalb die Instandsetzung der Gebäudetechnik nur der erste Schritt ist. Aber die Verwandlung der Großmarkthalle in ein Schmuckstück werde man nur Schritt für Schritt angehen können, so Jung.
Der „Kohlrabizirkus“ verdankt seinen heute weit gebrauchten, liebevollen Spitznamen seiner ursprünglichen Nutzung und der markanten Form mit Doppelkuppel: Das Gebäude entstand ursprünglich als Großmarkthalle für Obst und Gemüse und wurde zwischen 1927 und 1930 nach den innovativen Plänen des Stadtbaurates Hubert Ritter sowie der Ingenieure Franz Dischinger und Hubert Rüsch erbaut.
Jeder Kuppelunterbau hat eine quadratische Grundfläche von je 75 Metern Länge und Breite. Beinahe stützenlos werden die Flächen von bis zu 33 Meter hohen Stahlbetonkuppeln überspannt. Das Objekt wurde vollständig unterkellert um eine damals fortschrittliche Logistik und Kühlung der Waren sicherzustellen. Der Ort gilt als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst“.
Seit Ende des Jahres 1995 wird der „Kohlrabizirkus“ nicht mehr als Großmarkthalle genutzt. Bis dahin war die Halle in der Verwaltung der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG), bevor sie verkauft wurde. Inzwischen bietet die Nordkuppel insbesondere den Leipziger Eissportclubs eine Heimat – mit der einzigen nutzbaren Eisfläche der Stadt und der näheren Umgebung.
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