Wer ist eigentlich schuld daran, dass der Weg auf dem Ratsholzdeich komplett gesperrt wurde? Die Leipziger Umweltbehörde, die den Weg nicht in ihre Verantwortung übernehmen möchte? Oder die sächsische Landestalsperrenverwaltung, die die Sorge um Weg und Deich gern los sein möchte? Während die Grünen beantragen, die Stadt solle den Weg wieder passierbar machen, findet die Linksfraktion, dass der Schwarze Peter wohl eher bei der Landestalsperrenverwaltung liegt.
Nach Verhandlungen mit der Stadt Leipzig zur Neuordnung der Wegebeziehungen im südlichen Auwald im Jahr 2019 kündigte die Landestalsperrenverwaltung Sachsen (LTV) an, den Deich am Elsterflutbett nicht mehr nutzen und als wasserbauliche Anlage entwidmen zu wollen.Nach Sperrung des Weges für den Bau eines derzeit funktionslosen Bauwerks im Jahr 2020 entbrannte in diesem Jahr ein Streit zwischen Stadt und Land über die Zuständigkeit für den von Radfahrer/-innen und Jogger/-innen gerne genutzten Weg auf dem Deich. Dieser mündete im April in der Sperrung für jeglichen Verkehr und rief sowohl Bürger/-innen als auch Stadträt/-innen auf den Plan.
Es geht nicht nur um den Weg, finden die drei Linke-Stadträte Sören Pellmann, Michael Neuhaus und Oliver Gebhardt: „Umfangreiche, naturschutzrechtlich zwingende Ausgleichsmaßnahmen der LTV für die Umweltzerstörung durch das Fällen von Bäumen und die Forcierung der Austrocknung des Auwaldes durch ihre Baumaßnahmen im FFH-Schutzgebiet in den Jahren 2011 bis 2013 sind seit nunmehr fast einem Jahrzehnt überfällig.“
Diese Baumaßnahmen betrafen damals vor allem die Deiche an der Neuen Luppe und die massiven Baumfällungen hinter den Deichen, die von den Leipziger Naturschutzverbänden massiv kritisiert wurden, denn dabei würden auch uralte Baumbestände gefällt, die schon standen, bevor die Neue Luppe überhaupt gebaut wurde, darunter viele Biotopbäume.
Eine Petition für den Erhalt des Weges erreichte innerhalb kürzester Zeit mehrere hundert Unterschriften. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen reagierte im Mai mit einem entsprechenden Antrag. Auch Sören Pellmann, Michael Neuhaus und Oliver Gebhardt aus der Stadtratsfraktion Die Linke haben einen Antrag schon im April (VII-A-02676) eingereicht. Sie kritisieren den Grünen-Vorschlag deutlich und bestärken den Oberbürgermeister darin, weiter einen sowohl dem Erhalt des Auwaldes verpflichteten wie auch an den Interessen der Einwohner/-innen orientierten Weg zu verfolgen.
„Der Vorschlag der Grünen zielt darauf ab, unter allen Umständen den Bestand des Weges dem städtischen Haushalt aufzubürden und ‚Naturschutz’ dann irgendwie drum herum zu mauscheln“, kommentiert das Klima- und Umweltpolitiker Michael Neuhaus.
„Eine ökologische Auenrevitalisierung erfordert jedoch offene Rahmenbedingungen und ein integratives Konzept, das Wegebeziehungen und Naturschutz zusammendenkt. Als Lückenbüßer für das Unvermögen der LTV soll laut Antrag im Zweifel die Stadt einspringen und zahlen. Die im Antrag angesprochene Deichbegrünung ist eine kostengünstige Alibi-Maßnahme für die immer noch ausstehenden Ausgleichsmaßnahmen der LTV. Ökologisch angemessen ist sie allerdings nicht.“
So hatten die Grünen ihren Antrag freilich nicht gedacht. Aber natürlich ist es wichtig, daran zu erinnern, dass es auch die Landestalsperrenverwaltung nicht geschafft hat, binnen zehn Jahren Ausgleichsflächen für die massiven Eingriffe ins FFH-Gebiet zu finden. Eingriffe, die an vielen Stellen überhaupt nicht nötig waren, weil diese Deiche bei einer Auenrevitalisierung ebenfalls entwidmet und auch zurückgebaut werden müssen.
Leipzigs Umweltverwaltung ist dabei freilich nicht aus dem Schneider, denn die Untere Naturschutzbehörde hat diese massiven Baumfällungen damals genehmigt.
„Die Grünen in Leipzig wollen sich mit dem eingereichten Antrag vor ihren Minister stellen und die Schuld der Stadt zuschieben“, findet Neuhaus. „Der in seiner Existenz gefährdete Auwald und unser städtischer Haushalt sollen nicht den Kopf für die jahrelang planmäßige Untätigkeit der ausgleichsverpflichteten LTV hinhalten müssen!“
Und auch Oliver Gebhardt sieht den Schwarzen Peter eher bei der Landestalsperrenverwaltung: „Die LTV, für die heute der ‚grüne’ Minister Günther zuständig ist, hat massive Eingriffe in der südlichen Aue vorgenommen. Ohne jemals auch nur versucht zu haben, den gesetzlich gebotenen, ökologisch angemessenen Ausgleich zu erbringen, will sie sich nun aus dem Staub machen und die Verantwortung und Kosten für ihre Hinterlassenschaften auf die Stadt Leipzig und damit alle Leipzigerinnen und Leipziger abwälzen.“
Eine nicht ganz unwichtige Frage, wenn es ab 2023 um das Auenentwicklungskonzept geht, das natürlich Geld kosten wird. Hier geht es um zweistellige Millionenbeträge.
„Der Freistaat Sachsen will schlichtweg weder für den Weg noch für die notwendigen Naturschutzmaßnahmen aufkommen“, meint Gebhardt. „Um uns zu erpressen, sperrt sie einen bei den Leipziger/-innen beliebten Weg und malt dabei das Bild einer Kommune, die nur zu geizig sei, diesen zu unterhalten. Ganz treu folgt die Stadtratsfraktion der ‚Grünen’ dem Ruf des Ministers und setzt sich nun auch dafür ein, die LTV und den eigenen Staatsminister aus der Verantwortung zu nehmen. Die Stadt Leipzig und der Auwald zahlen hierfür die Rechnung.“
Da sind schon recht viele Gänsefüßchen für die „Grünen“ und es klingt nicht danach, als würden die beiden Fraktion im Stadtrat nun zueinanderfinden. Oder ist das schon Wahlkampf?
„Wir fordern vom Land, konkret von der Landestalsperrenverwaltung, endlich die ausstehenden Ausgleichsmaßnahmen für die Zerstörungen des südlichen Auwaldes vorzubereiten und umzusetzen“, fassen die Stadträte Pellmann, Neuhaus und Gebhardt ihre Forderungen zusammen.
„Wir brauchen ein Naturschutzgroßprojekt im Sinne einer dynamischen Aue, das Wasser in den gewässernahen Auwald bringt. Weder Stadt noch Freistaat oder Bund werden diese für den Erhalt von Hartholzauen im europäischen Ökosystem wesentliche Aufgabe allein schultern können. Es braucht gemeinsame Anstrengungen oder der Leipziger Auwald wird sterben!“
Und für den Ratsholzdeich haben sie auch eine Vorstellung, was mit ihm tatsächlich geschehen soll. Das steht nämlich noch nicht so in ihrem gemeinsamen Antrag: „Anstatt einfach eine Spundwand in den Deich zu setzen, muss über dessen vollständigen Rückbau nachgedacht werden. Dafür muss die LTV die Verantwortung und die Kosten tragen! Der Weg auf dem Deich ist – bis ein Konzept für das Gebiet vorliegt, das andere Durchwegungen ermöglicht – durch die ausgleichsverpflichtete LTV als betriebsnotwendig zu betrachten und zu pflegen.
Nur weil die LTV den Deich entwidmet hat und nicht mehr als notwendig ansieht, entbindet sie das nicht von ihrer Verantwortung gegenüber den Leipziger/-innen. Ich appelliere an den zuständigen Staatsminister, dem Treiben seines ihm nachgeordneten Geschäftsbereiches nicht weiter tatenlos zuzusehen, und bin gerne bereit, mich auch persönlich an der gemeinsamen Lösungsfindung zu beteiligen!“
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Es gibt 2 Kommentare
Überholen ohne einzuholen. Ist es so gemeint. Aus meiner Sicht führen die GRÜNEN mindestens ebenso Scheingefechte. Am Ende lachen sich alle miteinander schlapp und die Stadtverwaltung macht ihr Ding.
Die LTV hat in anderen Medien verlauten lassen, irgendwelche Punkte für Ausgleichsmaßnahmen wären erreicht worden.
Wenn es dort durch Renaturierung keinen Deich mehr gibt, muss auch nichts mehr gepflegt werden, außer einem Weg – dann halt durch Stadtforsten (Stadt).
Wenn der Weg nicht sicher ist durch fehlende Pflege, muss er halt gesperrt werden.
Sorry, aber das ist ein Tohuwabohu und mir fehlt in diesem Argumentationskrieg einfach die Möglichkeit, wahre und polemische Aussagen zu identifizieren.
Ein jeder scheint etwas Recht zu haben, aber auch schuldig zu sein. Die Situation ist eher verfahren. Hier sollte mal ein neutraler Mensch moderieren.
Der Weg ist tatsächlich wichtig und könnte bspw. auch ohne Deich angelegt werden?
Oder man schlitzt den Deich alle 300m, überlässt ihm sich selbst und legt ein paar Brücken über die Löcher?
PS:
Für mich seit kurzem immer wieder unterhaltsam sind Gefechte von Parteien wie der CDU oder der Linken, und dabei die Grünen links überholen zu wollen.