Manche Entscheidungen in der Stadt Leipzig dauern wirklich erstaunlich lange. Ihre Bemühungen, das Stadtbad zu verkaufen, hat Leipzigs Verwaltung schon lange eingestellt. Aber das Verblüffende ist: Der Grünen-Antrag dazu wurde 2018 überhaupt nicht abschließend im Stadtrat behandelt. Drei Jahre lag er praktisch nur herum mit einer Stellungnahme des Wirtschaftsdezernats, die für eine Fortsetzung der aussichtslosen Bemühungen plädierte, das Schmuckstück zu verscherbeln.
Die Erste, die davon berichtete, dass die Verwaltung endlich aufgehört hatte, das 100-jährige Bad an Investoren verkaufen zu wollen, war die Förderstiftung Leipziger Stadtbad.Inzwischen hat auch die Stadtverwaltung selbst erklärt, von einer Verkaufsabsicht und einer weiteren Ausschreibung eines Erbbaurechts für das historische Stadtbad abzusehen und eine eigene Sanierung und Entwicklung vorantreiben zu wollen.
Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen nimmt dies als ziemlich späte Bestätigung ihres bereits 2018 eingereichten Stadtratsantrages, dessen Ablehnung das Wirtschaftsdezernat noch immer mit den alten Behauptungen begründet hatte, nur ein privater Investor könne das Bauwerk wieder mit Leben erfüllen.
Man merkt den Erläuterungen in der Stellungnahme des Dezernats an, wie tief es noch im neoliberalen Geist verhaftet war und den Hinweis der Grünen auf das in direkter Nachbarschaft entstehende neue Wohnquartier (Eutritzscher Freiladebahnhof) regelrecht ignorierte.
„Die Erkenntnis der Verwaltung, dass der Verkauf dieser von den Leipzigerinnen und Leipzigern geliebten historischen Immobilie ein Irrweg war, war lange überfällig“, kommentiert jetzt Tim Elschner, Stadtrat und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, den Gesinnungswechsel.
„Dennoch begrüßen wir, dass sich diese Position nunmehr durchgesetzt zu haben scheint und nun ernsthaft und zielgerichtet an den mit dem städtischen Eigentum einhergehenden Aufgaben unter anderem gemeinsam mit dem Förderverein gearbeitet werden kann. Unsere 2018 erhobenen Forderungen halten wir nach wie vor für den richtigen Weg und werden diese deswegen im Juni im Stadtrat zur Abstimmung stellen.
Ziel muss es sein, trotz des Wissens um die Verschuldungssituation und die parallel anstehenden investiven Herausforderungen, dem ‚Leipziger Stadtbad für alle‘ eine absehbare Zukunft zu geben. Hierzu braucht es ein Konzept, welches sich durch eine Kombination unterschiedlicher Nutzungen einerseits auszeichnet und andererseits durch einen eventuellen Ergänzungsbau wirtschaftlich darstellbar und praktikabel betreiben lässt.“
Denn die grüne Wiese westlich des Stadtbades hat die Stadt Leipzig ja schon ins Auge gefasst, um möglichen Investoren den Zuschlag zu erleichtern. Jetzt kann die Stadt selbst hier gestalten. Bedarfe gibt es genug.
„Gerade hinsichtlich eines Schul- und/oder Sportbadbetriebes lässt sich das historische Stadtbad nur dann sinnvoll betreiben, wenn es gelingt, mit dem Freistaat über die Übertragung der benachbarten Fläche zu verhandeln, um dort dann einen Sportbad-Anbau zu realisieren“, erklärt Michael Schmidt, Stadtrat und Aufsichtsrat bei den Leipziger Sportbädern.
„Diese Schwimmhalle zu kombinieren mit Wellness- und Spaßbadangeboten im historischen Stadtbad ist in jedem Fall die einzig darstellbare Variante, um mit der kommunalen Sportbäder Leipzig GmbH ein kooperatives Nutzungs- und Betreibermodell zu finden.“
Aber ohne weitere Fördergelder geht es auch nicht, stellt Schmidt fest: „Andererseits – und dieser Punkt ist von grundlegender Bedeutung – muss der Freistaat endlich bereit sein, die Förderrichtlinien des Landes unter anderem in diesem Sinne zu überarbeiten. Die Diskussionen, die uns bereits seit Anbeginn der Planungen für die nach wie vor nicht geförderte Schwimmhalle am Otto-Runki-Platz begleitet haben, sind noch immer ungelöst. Demnach ermöglichen es die Landesförderprogramme nicht, kombinierte Bauvorhaben der Kommunen in die Landesförderung zu übersetzen, um diese modular gefördert realisieren zu können.“
Da ist zwar der Verzicht auf einen Verkauf der erste Schritt. Aber das bedeutet eben noch nicht, dass Leipzig sich die Sanierung des historischen Bauwerks in nächster Zeit leisten Kann. Michael Schmidt: „Ohne einen solchen Innovationsschub wird es auch beim Stadtbad absehbar nicht möglich erscheinen, eine nutzungsgemischte Sanierung und Betreibung, die Investitionsmittel jenseits der 40 Millionen Euro erfordert, stemmen zu können.“
Die 40 Millionen Euro waren freilich die Kostenschätzung von 2018. Die Summe dürfte sich bis zu einem möglichen Sanierungsbeginn noch deutlich erhöhen.
Und wie es aussieht, kommt der Grünen-Antrag von 2018 nun am 23. Juni 2021 endlich zum Beschluss in die Ratsversammlung. Und darin steht nun einmal auch das, was das Wirtschaftsdezernat 2018 vehement abgelehnt hat: „Die Stadtverwaltung wird unter Einbeziehung insbesondere der Sportbäder GmbH und anderer kommunaler Unternehmen sowie in Abstimmung mit möglichen Fördermittelgebern zu nachfolgenden Aufgaben beauftragt:
a) Wiederherstellung des öffentlichen Badbetriebes sowie Berücksichtigung von weiteren, insbesondere sportlichen und (sozio-)kulturellen Zwecken, Wellness und Wohnen;
b) die mittelfristige Sanierung des Stadtbades unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes;
c) Gewährleistung einer weitgehenden öffentlichen Zugänglichkeit des Stadtbades.“
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