Eigentlich hat die Diskussion um die Neubebauung der Fläche östlich des Wilhelm-Leuschner-Platzes vor 15 Jahren mit dem Antrag der Grünen begonnen, an der Stelle der kriegszerstörten Markthalle wieder eine neue Markthalle zu bauen. Und darin endlich ein dauerhaftes Angebot regionaler und saisonaler Produkte zu schaffen. Aber dem folgte ein jahrelanger Eiertanz. Sogar die Markthalle wurde infrage gestellt. Doch ein Gutachten zeigt jetzt, dass sich eine Markthalle hier tatsächlich rechnet.
Das von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Gutachten zu einer möglichen Markthalle auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ist jetzt online abrufbar unter www.leipzig.de/wilhelm-leuschner-platz. Darin wurde untersucht, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Konzept eine Markthalle an dem zentralen Standort wirtschaftlich zu betreiben wäre.Die Untersuchung zeichnet sich durch einen breit angelegten methodischen Ansatz aus – neben den Bürgerinnen und Bürgern wurden auch die Wochenmarkthändler befragt, zudem wurden das Potenzial des Standortes untersucht und wirtschaftlich tragfähige Varianten aufgezeigt.
Was freilich auch gleichzeitig der blinde Fleck der Untersuchung ist: Die Wochenmarkthändler sind eigentlich nur bedingt die Zielgruppe des Projekts, auch wenn einige der 30 befragen Händler durchaus bereit wären, zeitweilig ihren Stand auch in der Markthalle aufzubauen. Denn sie wissen, dass die Wochenmärkte in Leipzig gerade deshalb so beliebt sind, weil sie an unterschiedlichsten Standorten wohnortnah zu erreichen sind.
Die Markthalle macht eher Sinn, wenn sie zusätzliche Angebote schafft. Nur: Wen fragt man da? Wer werden die neuen Anbieter sein? Logischerweise werden das natürlich die neu entstehenden ökologisch wirtschaftenden Agrarbetriebe rund um Leipzig sein.
Denn hier hätten sie genau das, was die Grünen einst beabsichtigt hatten: eine echte Betriebsplattform, auf der sie ihre saisonalen und regionalen Produkte verkaufen können. Denn wenn man den Ökolandbau wirklich forciert (was Leipzig noch immer nicht tut), dann ist genau so eine Markthalle das wichtigste Aushängeschild.
Aber natürlich geht es bei einem derart verspäteten Neubau auf einer zusehends teuer gewordenen Stadtfläche auch darum, die gestiegenen Grundstücks- und Baukosten über die Standmieten wieder hereinzuholen. Das jahrelange Zögern und Zaudern wird teuer für den, der die Markthalle künftig betreiben soll.
Das Gutachten war in Auszügen bereits Anfang März der Öffentlichkeit präsentiert worden, nun liegt der Bericht der beauftragten Fürther Unternehmen Standort & Kommune Beratungs GmbH und Steinbauer Strategie abschließend vor. Es soll zur Entscheidungsfindung des Stadtrates beitragen. Erste Ergebnisse sind zudem bereits in den angepassten Bebauungsplan-Entwurf für den Wilhelm-Leuschner-Platz eingeflossen, der voraussichtlich in der Ratssitzung am 21. April 2021 zur öffentlichen Auslage beschlossen werden soll.
Die Geschichte der Markthalle
1891 war die Zentralmarkthalle auf dem ehemaligen Königsplatz nach Plänen des Stadtbaumeisters Hugo Licht im Stil des Historismus eröffnet worden – als ein Wochenmarkt in Ladenform. Hier konnten sich Leipzigerinnen und Leipziger auf rund 8.700 Quadratmetern und über zwei Etagen mit den Waren des täglichen Bedarfs versorgen – von Fleisch, Blumen und Obst über Butter, Eier und Käse hin zu Delikatessen und Holzwaren.
Im Keller befanden sich zudem Kühl- und Maschinenräume. Zugleich diente die Markthalle als zentraler Treffpunkt, wie nicht zuletzt die Kaffeeschänke vor Ort belegt. Nach schwerer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die Halle jedoch in den 1950er Jahren abgerissen.
Mit dem 2017 beschlossenen Masterplan für das Areal ist die Wiedererrichtung einer Markthalle am historischen Standort vorgesehen. Dieser politischen Willenserklärung folgend wird nun mit dem Bebauungsplan die planungsrechtliche Grundlage gelegt. Weitere Schritte hin zu einer Markthalle sind durch fortlaufende Stadtratsbeschlüsse herbeizuführen.
Die Kernaussagen zu den untersuchten Varianten
Während auf der Angebotsseite nur 30 Wochenmarkthändler befragt wurden, flossen auf der Nachfrageseite über 2.500 Aussagen befragter Leipziger/-innen ein, die durchaus eine Vorstellung davon haben, was sie sich von der Markthalle wünschen. Das Gutachten fasst das so zusammen: „Deutlich wird, dass neben der Angebotsvielfalt die regionale Komponente besonders wichtig ist.
Auch die Öffnungszeiten sollten großzügig bemessen sein. Zudem ist interessant, dass beim Standort Wilhelm-Leuschner-Platz wenig Gewicht auf das Angebot an Pkw-Stellplätzen gelegt wird. Die Bewertung der aktuellen Angebotssituation, die Bedürfnisse und die Wünsche der Nachfrageseite werden durch die Ergebnisse der Befragung sehr gut nachvollziehbar.“
Konzeptvariante 0 – Markthalle ohne Supermarkt: „Die Variante ohne Supermarkt (Konzeptvariante 0) könnte in dem skizzierten Szenario flächenmäßig komplett im Erdgeschoss Raum finden. Ein nachhaltig wirtschaftlicher Betrieb ist in dieser Variante aufgrund der nicht zu erwartenden Anbieterzahl und dem fehlenden Umsatzpotenzial nicht gegeben. Aufgrund der hohen Differenz zwischen dem zu erwartenden Umsatz und dem für einen wirtschaftlich tragfähigen Betrieb notwendigen Mindestumsatz von rund 7,4 Millionen Euro pro Jahr scheidet eine Markthalle mit einer hohen Anzahl an Ständen ohne Supermarkt aus Gutachtersicht aus.“
Die Variante Markthalle mit Supermarkt (Konzeptvariante 1) ist wirtschaftlich darstellbar. „Diese Variante der Markthalle könnte komplett in der EG-Fläche (zzgl. einer kleinen, bereits im Bebauungsplanentwurf vorgesehenen Galeriefläche) untergebracht werden. Ein Augenmerk sollte hier auf die Anzahl der Cafés und Restaurants gelegt werden. In der Betrachtung wurde für die Restaurants aus Vorsichtsgründen ein Betrieb an sechs Tagen pro Woche mit vom Markthallenbetrieb abweichenden Öffnungszeiten und separatem Zugang berücksichtigt.
Die Variante Markthalle mit Supermarkt mit der angegebenen Anbieterzahl erscheint aus Gutachtersicht optimistisch. Eine Reduzierung der Anzahl würde die wirtschaftliche Sicherheit erhöhen. Aus Eigentümer-/Investorensicht wäre aufgrund des zu erwartenden Überschusses eine ausreichende Rendite zu erwarten. Anbieterseitig sollte geprüft werden, ob es gelingt, die Anzahl an Marktständen auch dauerhaft zu belegen, um für eine Betreibergesellschaft eine höhere Mietauslastung zu erzielen.“
Szenario einer etwas kleineren Markthalle mit Supermarkt: Hier „überschreiten die zu erwartenden Umsätze die Mindestumsätze deutlich. Aufgrund der Differenz in Höhe von rund 1,3 Mio. € ist diese Konzeptvariante aus Anbietersicht realistisch und vergleichsweise sicher. Selbst wenn die erzielten Jahresumsätze um knapp 10 % geringer lägen als die prognostizierten, könnte ein Break-Even erzielt werden.“
Die wirtschaftliche Gesamteinschätzung des Gutachters: „Die etwas kleinere Markthalle mit Supermarkt (Konzeptvariante 2) ist wirtschaftlich darstellbar und verglichen mit der Konzeptvariante 1 realistischer. Sie könnte komplett in der EG-Fläche untergebracht werden. Mit einer verringerten Zahl an Restaurants und Cafés lägen die zu erwartenden Umsätze deutlich über den für einen wirtschaftlich tragfähigen Betrieb nötigen.
Die reduzierte Anzahl an Marktständen (insg. aber dennoch 41 markthallentypische Anbieter) erscheint im Gesamtkontext realistisch und könnte gut mit der Angebotssituation harmonieren sowie das Leerstandsrisiko für eine Betreibergesellschaft minimieren. Aus Eigentümer-/Investorensicht wäre aufgrund des zu erwartenden Überschusses eine etwas geringere Rendite zu erwarten als bei Vollauslastung der Konzeptvariante 1.“
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