Zwölf Jahre Diskussion um ein teures Stück Stadt in Citynähe werden jetzt nicht zu Ende gehen, auch wenn es sich OBM Burkhard Jung selbst nicht nehmen ließ, den neuen Entwurf zum Bebauungsplan am Wilhelm-Leuschner-Platz am Montag, 1. März, persönlich vorzustellen. Wenigstens ist nach zwölf Jahren die Markthalle drin, um die es die ganze Zeit immer gegangen ist.

Dafür hatte Leipzigs Verwaltung extra ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Deutlicher kann man gar nicht machen, dass es in der Verwaltungsspitze eigentlich keine Vision gibt davon, wie sich eine Stadt wie Leipzig verändern muss. Andere Großstädte betreiben schon seit Jahren erfolgreich Markthallen – um hier nur Kassel und Stuttgart zu nennen. Überall werden sich die Bürger bewusst, dass sie ihrer regionalen Wirtschaft echte Unterstützung leisten, wenn sie regional einkaufen und regionale Händler dauerhaft in so einer Markthalle präsent sind.Das von der Stadt beauftragte unabhängige Gutachten sollte untersuchen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Konzept eine Markthalle auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz wirtschaftlich zu betreiben wäre. Mit dem Gutachten hatte die Stadt das Fürther Unternehmen SK Standort & Kommune Beratungs GmbH beauftragt. Neben den Bürgerinnen und Bürgern befragten die Experten dafür im vergangenen Herbst auch die Händler und Marktbeschicker, zudem analysierten sie das Potenzial der Stadt und des Standortes.

„Mit dem Gutachten nimmt die Markthalle nun eine erste Hürde“, betont die Verwaltung.

„Demnach ist der Wilhelm-Leuschner-Platz geeignet und das Konzept unter verschiedenen Rahmenbedingungen wirtschaftlich tragfähig. Auch die Bürgerinnen und Bürger stehen laut Vorab-Bericht der Studie dem Projekt sehr positiv gegenüber. Zudem können Verdrängungseffekte auf dem Wochenmarkt verhindert werden, weil sich Angebot und Nachfrage perspektivisch stark unterscheiden sollen und die Händler vom Innenstadtmarkt eher keine Verlagerung in die Halle erwägen.“

So halten die Fürther Gutachter laut Verwaltung „zwei Varianten für tragfähig: jeweils die Kombination aus Markthalle und – als wirtschaftlicher Anker und Anziehungspunkt für die Bürgerinnen und Bürger – einem Supermarkt. Die Anzahl der Marktstände variiert zwischen rund 18 und 30, gastronomische Angebote sollen das Sortiment vor Ort abrunden. Das ausführliche Gutachten liegt erst Mitte März vor.“

Planzeichnung für das ganze Plangebiet Wilhelm-Leuschner-Platz / Markthallenviertel. Karte: Stadt Leipzig
Planzeichnung für das ganze Plangebiet Wilhelm-Leuschner-Platz / Markthallenviertel. Karte: Stadt Leipzig

Aber besonders diskutiert im Stadtrat wurde ja die Frage nach der Schaffung von Wohnraum in diesem Gebiet. Würden hier nur lauter Büros entstehen, wäre das eine tote Ecke. Also wurde vor allem der Wohnanteil in der Überarbeitung des B-Plans deutlich erhöht.

So erhöht sich die Wohnfläche auf dem gesamten Areal von bisher rund 16.000 auf nun etwa 22.300 Quadratmeter. Der neue Entwurf unterbindet zudem, dass künftig noch Wohnflächenanteile aus den Baufeldern verlagert werden dürfen.

Insbesondere im südlichen Baufeld ist nun ein hoher entsprechender Anteil vorgesehen – neben dem bereits geplanten Neubau des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IFL) sind hier allein 9.800 Quadratmeter für Wohnungen angesetzt, das entspricht 80 Prozent der Fläche.

Womit freilich das kritischste Thema weiter ausgeblendet wird: Wie wird mit den markanten Verlusten an gewachsenen Baum- und Gehölzstrukturen umgegangen? Die in den „Grünordnerischen Festsetzungen“ vorgesehenen Baumpflanzen werden die anstehenden Gehölzverluste nicht annähernd ausgleichen.

Und gleichzeitig macht der Plan deutlich, dass über die Zukunft der historischen Markthallenstraße genauso wenig nachgedacht wurde wie über die Zukunft der Platzfläche zwischen Bowlingtreff, S-Bahn-Zugang und Markthalle, wo „öffentliche Verkehrsfläche“ ausgewiesen wird, obwohl es da heute wenigstens noch Wiese gibt. Hier wäre der beste Ansatz, wenigstens einen kleinen Ersatz für die Gehölzverluste auf den Bauflächen zu schaffen.

Gerade rechts und links der Markthallenstraße sind dichte Gehölze herangewachsen. Foto: Ralf Julke
Gerade rechts und links der Markthallenstraße sind dichte Gehölze herangewachsen. Foto: Ralf Julke

Eine Absage freilich bekommt der eigentlich verständliche Wunsch der SPD-Fraktion, die Möglichkeiten des Gebietes zur Unterbringung großer Teile der Verwaltung zu nutzen.

„Auch wird künftig darauf verzichtet, im mittleren Baufeld wesentliche Teile der Kernverwaltung der Stadt unterzubringen“, formuliert das die Verwaltung. „Zudem ist es nun möglich, in diesem Bereich den ,Global Hub‘ der Universität Leipzig anzusiedeln. Dieses etwa 5.000 Quadratmeter große Forschungsinstitut ist zurzeit für das südliche Baufeld vorgesehen. Gemeinsam mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement konnte die Option im mittleren Baufeld nun erfolgreich geprüft werden.“

Der überarbeitete Entwurf zum B-Plan Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz“ könne nun am 24. März dem Stadtrat zur Abstimmung vorgelegt werden, so die Verwaltung.

Oberbürgermeister Burkhard Jung hat die Details am Montag mit Baubürgermeister Thomas Dienberg und Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke vorgestellt. Jung sagte: „Der Leuschner-Platz ist immer noch eine klaffende Wunde im Herzen der Stadt. Mit dem B-Plan stecken wir jetzt endlich den Rahmen ab, wie dieser Platz künftig gestaltet werden soll. Dieser Plan bringt die unterschiedlichen Interessen – Wohnen, Wissenschaft, Kultur, Handel – zusammen und zeigt so die Perspektive für einen lebendigen Platz inmitten der Stadt.“

30 Prozent der geplanten Wohnfläche soll übrigens geförderter Wohnbau werden. Was einen natürlich die Frage stellen lässt: Warum nicht alles mit „bezahlbarem Wohnraum“ bebauen rund um die Markthalle und wirklich ein lebendiges Viertel schaffen?

Der Grund steckt in der Vorlage und wurde so auch immer wieder von der Stadtspitze vorgebracht.

In der Vorlage liest sich das so: „Mit dem Bebauungsplan werden Baurechte in erheblichen Umfang auf städtischen Eigentumsflächen geschaffen. Die zukünftigen Baufelder eignen sich für Einrichtungen mit nationaler Reichweite, an denen ein besonderes Ansiedlungsinteresse besteht (z. B. Juristische Fakultät mit dem Forum Recht, Leibniz-Institut für Länderkunde, Global Hub). Des Weiteren wird auch für städtische Einrichtungen (z. B. Musikschule, Volkshochschule) die Realisierbarkeit auf dem Plangebiet untersucht. Eine Unterbringung von erheblichen Teilen der Stadtverwaltung wird entsprechend VII-A-01379-NF-02 jedoch nicht beabsichtigt.

Ein weiteres Ziel der Stadtverwaltung ist es, das neue Quartier auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz baulich zu einem nachhaltigen ,Klimaschutzquartier‘ zu entwickeln. Zusammen mit den ggf. anderen öffentlichen Bauherren sollen hohe ökologische und nachhaltige Zielvorgaben festgelegt und eingehalten werden.“

Dazu dürfte es deutlich mehr Grün brauchen, als in diesem B-Plan vorgesehen ist, der jetzt zur öffentlichen Auslegung vorgesehen wird.

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