Manchmal braucht es wirklich erst den Stupser aus dem Stadtrat, damit einzelne Leipziger Dezernate merken, dass sie ja doch etwas tun können. So wie am Fockeberg in der Leipziger Südvorstadt, der „Leipziger Erzgebirgsregion“, wie ihn SPD-Stadtrat Christopher Zenker in der Online-Ratsversammlung am Mittwoch, 24. Februar, titulierte. Nur der höchste Leipziger Berg ist es leider nicht, auch wenn er so aussieht.
Aber als der Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde, saßen ja die Leipziger Stadträt/-innen schon viereinhalb Stunden im Livestream. Das ist schon in einer Präsenzsitzung anstrengend, wo man in den Pausen ja wenigstens mit den anderen Stadträt/-innen auch mal plaudern kann, was in der Online-Konferenz so nicht möglich ist. Jedenfalls scheinen die Fraktionen noch keine technischen Mittel gefunden zu haben, sich parallel zum Stream untereinander auszutauschen.Jedenfalls nutzte nicht nur SPD-Stadtrat Chriostopher Zenker die Gelegenheit, zum Antrag, den er zusammen mit SPD-Stadtrat Getu Abraham geschrieben hatte, nicht nur Stellung zu nehmen, sondern auch spaßeshalber vom höchsten Leipziger Berg zu schwärmen. Ein Spaß, auf den dann Fraktionskollege Andreas Geisler gleich einging und darauf hinwies, dass der höchste Leipziger Berg im Ortsteil Liebertwolkwitz liegt – der Galgenberg, der es immerhin auf 163 Meter überm Meeresspiegel schafft. Der Fockeberg kommt nur auf 153, auch wenn er im Stadtgebiet so weit herausragt, dass man hier einen einzigartigen Ausblick über die Stadt hat, den der Galgenberg nicht bieten kann.
Die höchsten Erhebungen in Leipzig sind freilich tatsächlich Deponien – die Deponie Seehausen mit 178 Meter über normal Null und die Deponie Liebertwolkwitz mit 177 Meter. Aber das sind nur temporäre Berge – genauso wie die Deponie Möckern, der sogenannte Nahleberg. Künftige Generationen werden gar nicht umhinkommen, diese alten Deponien wieder abzutragen und alle Wertstoffe zu recyclen. Die Zeit, dass Generation um Generation die Ressourcen ihres Konsums einfach deponieren konnte, gehen zu Ende.
Aber bevor die Stadträte sich gegenseitig mit Späßen zur Leipziger Topografie überbieten konnten, ging OBM Burkhard Jung lieber dazwischen und befand: „Nun ist aber genug.“
War es eigentlich auch. Denn die Bestandsaufnahme, die Christopher Zenker zum maladen Zustand des Fockeberges getätigt hatte, hat das zuständige Amt für Stadtgrün und Gewässer auch gar nicht bestritten: Die einst beeindruckenden Holzskulpturen wurden schon vor geraumer Zeit entfernt, weil sie von der Zeit zernagt waren. Die Bänke auf dem Berg sind sämtlich zertrümmert. Nur die Paul-Fröhlich-Gedächtnisbank am Fuß des Berges ist noch als solche zu erkennen. Fahrradständer fehlen komplett und auch eine öffentliche Toilettenanlage – so Zenker – wäre zumindest zu bedenken.
Im Verwaltungsstandpunkt hatte das Amt für Stadtgrün und Gewässer dann noch für 2021 in Aussicht gestellt, einiges am Berg zu reparieren.
„Die Stadtverwaltung wird auf dem Fockeberg im Eingangsbereich Fahrradabstellmöglichkeiten und an der Auffahrt eine neue Sitzgelegenheit mit Tisch bis zum IV. Quartal 2021 realisieren. Die Sichtschneisen Richtung Innenstadt und Richtung Osten werden freigehalten, die vorhandenen Sitzgelegenheiten werden ebenfalls bis Ende IV. Quartal 2021 repariert“, kann man da lesen. Die Sichtachsen werden dabei erst einmal wieder richtig freigeschnitten, weil sie in den letzten Jahren teilweise zugewachsen sind.
„Darüber hinaus erstellt die Stadtverwaltung bis zum IV. Quartal 2021 unter Beteiligung der Öffentlichkeit ein Konzept zur Sicherung und Nutzung des Fockebergs“, verspricht die Verwaltungsvorlage, die damit das Anliegen der beiden SPD-Anträge aufnahm und deshalb von Zenker auch zur Abstimmung gestellt wurde.
„Der Fockeberg liegt in einem sensiblen Naturraum und ist Teil des Landschaftsschutzgebietes sowie des Europäischen Vogelschutzgebietes „Leipziger Auwald“. Außerdem wurde er nach § 29 des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen als Schutzwald ausgewiesen. Die Anlagen von Einrichtungen, wie einer Mountainbikestrecke und eines Fitnessparcours, sind unter diesen Rahmenbedingungen bezüglich ihrer Genehmigungsfähigkeit zu bewerten“, hatte das Amt für Stadtgrün und Gewässer noch gemahnt.
Aber wo sonst sollte eine wirklich bergige Mountainbikestrecke in Leipzig geprüft werden? Im Unterschied etwa zur Deponie Möckern ist der Fockeberg ein Schuttberg mit Trümmerschutt aus dem 2. Weltkrieg, also vergleichsweise stabil. Und beliebt ist er sowieso, weshalb es auch Sinn ergibt, hier wieder neue Kunstinstallationen anzudenken: „Mit Unterstützung des Kulturamtes ist auch ein Wettbewerb für ein künstlerisches Konzept oder die Einordnung einzelner Kunstobjekte im öffentlichen Raum denkbar.“
Auch eine öffentliche Toilette ist planbar. Nur eines wird nicht passieren. Und den Vorschlag hatte Zenker auch wirklich nur spaßeshalber gemacht: den Berg noch einmal um 10,5 Meter aufzustocken, damit er den Galgenberg in Liebertwolkwirz überragt. Was der Fockeberg ja nicht braucht. Die innerstädtischen Konkurrenzen zum Blick über die Stadt heißen eher Völkerschlachtdenkmal und Cityhochhaus. Nur dass man auf dem Fockeberg keinen Eintritt bezahlen muss.
Die Abstimmung war dann eindeutig: Nur vier Städträt/-innen enthielten sich der Stimme, der Rest befürwortete die zur Abstimmung gestellte Verwaltungsvorlage.
Die Debatte vom 24. Februar 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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