Kurz flammte am 20. Januar in der Online-Ratsversammlung noch einmal die Diskussion um die Parkplatznot in Leipzig auf. Auch wenn da eher von Parkdruck die Rede war und gemutmaßt wurde, die Verwaltung selbst würde den Parkdruck erhöhen, indem sie das Parken tagsüber einschränkte. Und dabei wünschte sich der Petent doch eigentlich nur einen Schwerbehinderten-Parkplatz. Aber er hat etwas ins Rollen gebracht.
Vielleicht nicht das, was er wollte. Denn seine Petition sprach von dem Wunsch nach mehr Behindertenparkplätzen im Musikviertel. Die es aber gäbe, teilte in ihrer Stellungnahme die Stadtverwaltung mit, deren Standpunkt der Petitionsausschuss dann auch übernommen hat. Und der zielt darauf, den Bewohnern im Musikviertel ihre Stellplätze zu sichern über das bevorzugte Instrument Anwohnerparken. Das ja schon im Waldstraßenviertel angewendet wird, wo die Verwaltung gerade Erfahrungen sammelt und Lehrgeld zahlt.„Die Stadtverwaltung wird beauftragt zu prüfen, die bestehende Bewohnerparkregelung auf das gesamte Musikviertel auszudehnen und die dafür erforderlichen Untersuchungen in 2021 zu veranlassen“, schlug die Verwaltung vor und der Petitionsausschuss übernahm das auch.
Denn augenscheinlich trifft die Beobachtung ja zu, dass der Parkdruck tagsüber massiv zunimmt. Sodass man – aus Sicht der Stadt – eine ganz ähnliche Situation hat wie im Waldstraßenviertel:
„Teile des Musikviertels gehören bereits zum Bewohnerparkgebiet A. Die vom Petenten benannten Parkregelungen in einigen Straßen sind Bestandteil der Regelungen zum Bewohnerparken. Es ist beabsichtigt zu untersuchen, die Bewohnerparkregelung auf das gesamte Musikviertel auszudehnen. Dazu ist es erforderlich, umfassende Verkehrszählungen durchzuführen und eine Parkraumbilanz zu erstellen. Diese Untersuchungen sind nach derzeitigem Stand für 2021 vorgesehen. In Vorbereitung der Verkehrserhebungen wurden bereits stichpunktartige Zählungen durchgeführt. Diese ergaben, dass die Auslastung der Parkplätze tagsüber sehr hoch ist. In den Abendstunden ab ca. 17 Uhr stehen allerdings ausreichend freie Parkplätze im Wohngebiet insgesamt zur Verfügung.“
Was natürlich der Aussage von AfD-Stadtrat Tobias Keller widerspricht, der meinte, der Parkdruck würde durch die schon existierenden Parkbeschränkungen der Stadtverwaltung ausgelöst. Aber während im Waldstraßenviertel vor allem die dort ansässigen Gewerbebetriebe und Dienstleister für erhöhtes Parkaufkommen in den Geschäftszeiten sorgen, ist das Musikviertel Standort einiger großer, besucherstarker Einrichtungen – von den dortigen Hochschulen über die nahe gelegenen Gerichte bis hin zu dutzenden Rechtsanwaltskanzleien.
Man brauche für alle diese Institutionen eigentlich ein durchdachtes Mobilitätskonzept, erklärte CDU-Stadträtin Sabine Heymann in ihrer Stellungnahme, mit der sie die Ablehnung der Vorlage durch die CDU-Fraktion begründete. Der Vorschlag der Stadt genüge aus Sicht ihrer Fraktion nicht.
Aber er wird trotzdem umgesetzt.
„Der Anteil privater Kfz und damit die Notwendigkeit ihrer Unterbringung ist in den Jahren seit 1990 noch einmal ganz erheblich angestiegen“, hieß es in der Begründung der Stadt. „Dies ist eine allgemeine Problemlage, zu deren Lösung vor allem die Eigentümer der Gebäude und Grundstücke beitragen müssen. Eine Verbesserung der Parkplatzsituation für die Bewohner in bestehenden Quartieren kann städtischerseits durch die Anordnung von Bewohnerparken erreicht werden, vorausgesetzt die Anforderungen gemäß StVO werden hierfür erfüllt.“
Was Tobias Keller dazu brachte, OBM Burkhard Jung über die Auto-Situation im Jahr 1989 aufklären zu müssen. Wofür es von SPD-Stadtrat Andreas Geisler den Facebook-Daumen runter gab. Das ist das Hübsche am Online-Stadtrat, dass man dann, wenn die Stadträt/-innen zufällig im Bildausschnitt zu sehen sind, auch ihre Reaktionen mitbekommt.
Und dass Leipzig 1989 ganz bestimmt kein Parkplatzproblem hatte, ist nicht unbedingt noch erwähnenswert. Viel spannender ist, mitzuerleben, wie die bundesdeutsche Verkehrspolitik mittlerweile sämtliche deutschen Großstädte an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, was die nicht mehr unterzubringenden Mengen von geparkten Automobilen betrifft. Die „große Freiheit“ hat sich in eine immer unübersichtlichere Stellplatzsituation verwandelt. Und das Auto erweist sich immer mehr als das falsche Mobilitätsangebot für eine dicht gebaute Stadt wie Leipzig.
Und der Passus, den das Verkehrs- und Tiefbauamt da für die Verwaltung formuliert hat, weist deutlich darauf hin, dass selbst dieses sonst sehr autofreundliche Amt so langsam nicht mehr akzeptiert, dass die Stadt Probleme lösen soll, die eigentlich Autobesitzer und Gebäudeeigentümer lösen müssen. Denn der öffentliche Straßenraum ist nun einmal begrenzt.
Und noch wird auch in Leipzig fast überall kostenlos geparkt. Platz für neue Parkplätze gibt es nicht. Und immer dann, wenn die Stadt versucht hat, den Autofahrern vor Ort (man denke an Schleußig) ein Parkhaus als Alternative zur Diskussion zu stellen, war das Interesse lau bis nicht existent. Das Denken, dass Parkraum fürs Auto in Städten überall kostenlos zur Verfügung zu stehen habe, sitzt tief.
Und so wirklich viele Instrumente, das irgendwie zu regulieren, hat eine Stadt nicht.
„Die beklagte Parkraumsituation trifft für die meisten dicht bebauten Stadtteile in Leipzig zu: Die im öffentlichen Verkehrsraum nur begrenzt zur Verfügung stehenden Stellplätze, die auch durch verkehrsorganisatorische Maßnahmen nur in geringem Maße erweiterbar sind, sowie das weit unter dem Bedarf liegende private Stellplatzangebot, können den hohen Parkdruck nicht mehr abdecken“, hatte das Verkehrs- und Tiefbauamt formuliert.
Also liegt es nahe zu prüfen, ob man das Bewohnerparken jetzt aufs ganze Musikviertel ausweiten kann. Genau das wird auch geschehen.
AfD- und CDU-Fraktion stimmten zwar gegen den Vorschlag der Verwaltung. Aber die Mehrheit des Stadtrates war dafür. 45 Stadträt/-innen stimmten mit Ja, 21 mit Nein. Eine Enthaltung gab es noch. Also wird es in diesem Jahr noch eine Voruntersuchung geben, ob das Bewohnerparken aufs gesamte Musikviertel ausgeweitet wird. Dann wird wohl auch der Petent einen Anwohnerparkausweis bekommen.
Die Debatte am 20. Januar 2021 im digitalen Stadtrat
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