Ein Drama spielt sich derzeit in aller Stille in Schönefeld ab. Ein Drama um das Haus Ossietzkystraße 36/38. Darin befindet sich das Hotel und Restaurant Casablanca, bei vielen Schönefeldern beliebt. Auch für die optimistische Fassadengestaltung, die die Südseewelt der Insel-Piraten lebendig macht und das Haus in der Ossietzkystraße zum Hingucker. Ein Hingucker, an dem sich einige Leute dennoch gestört haben.
Die amtlichen Mühlen jedenfalls sind in Gang gesetzt worden. Und wenn es um Fassadengestaltung in Leipzig geht, agiert das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege rigoros, denn die Regeln sind knallhart, was Fassadengestaltung und Außenwerbung betrifft. Spielräume gibt es – aber nur geringe. Und das bekamen auch Natalie und Henry Friedrich zu spüren, die das Restaurant betreiben und extra einen Künstler engagiert hatten, dem Gebäude einen phantastischen Anstrich zu geben.Ihr Pech: Sie hatten bei der entscheidenden Stelle nicht die richtigen Anträge zum richtigen Zeitpunkt gestellt. Und nun sollen sie bis zum 30. April alles wieder ändern. Dafür gab es einen Klärungstermin im Oktober mit anwaltlichem Beistand. Der Kompromiss nimmt von der Farbenfreudigkeit eine Menge zurück. Aber das ist nicht das Hauptproblem.
Denn schon im Oktober war klar, dass der Zeitpunkt ein Ding der Unmöglichkeit sein würde. Schon im November wurde ja der nächste Lockdown wirksam – mit der Folge, dass der Restaurantbetrieb eingestellt werden musste. Nur noch Außerhausbelieferung aus der Küche ist möglich. Und das voraussichtlich mindestens bis Februar.
Da ist das nötige Geld für einen Extra-Auftrag nicht zu erwirtschaften. Im Gegenteil. Das Corona-Jahr trifft auch die beiden Restaurantbetreiber hart. Die Ausfälle durch die Lockdowns werden sie nicht kompensieren können. Und zu Recht fragen sie sich: Wie sollen sie da einen neuen Malauftrag bezahlen, der nach ersten Kalkulationen auch wieder 100.000 Euro kosten könnte? Immerhin scheint die Stadt kompromissbereit, was den Umsetzungstermin des Kompromisses betrifft, wenn die Corona-Bedingungen eine Finanzierung der Malaktion derzeit nicht möglich machen.
Wir haben die Verwaltung angefragt.
Das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege hat uns geantwortet.
Am 28. Oktober kam es zu einer Kompromisseinigung des Stadtplanungsamtes mit den Hotelbetreibern, die künstlerisch aufwendig gestaltete Fassade deutlich zu ernüchtern. Auf welcher Grundlage agiert hier die Stadt? Denkmalschutz? Ortsbild? Werbesatzung? Oder gab es eine Anzeige von Betroffenen?
Die derzeitige Fassadengestaltung der Gebäude Ossietzkystraße 36/38 sowie des Brandgiebels der Leostraße 2 fügen sich aus bauplanungsrechtlicher und aus denkmalschutzrechtlicher Sicht nicht in die nähere Umgebung ein.
Warum sah sich die Stadt genötigt zu handeln? Ein geschlossenes Ortschaftsbild kann es nicht sein. Dazu ist die Ossietzkystraße zu heterogen. Und wenn doch: Ist das in einer Satzung niedergelegt und was bestimmt die Satzung in diesem Fall?
Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 2012 wurden diverse Werbeanlagen an den betroffenen Gebäuden festgestellt, die ohne erforderliche Baugenehmigung angebracht worden sind. Da die Bauaufsichtsbehörde bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen hat, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, wurde dem Betreiber der gastronomischen Einrichtung die Möglichkeit eingeräumt, rechtmäßige Zustände herzustellen.
Und was folgt daraus: Darf es an keinem Gebäude in Leipzig eine ausgefallene Fassadengestaltung geben? Sind damit auch sämtliche künstlerisch anspruchsvollen Gestaltungen untersagt? Und warum? Empfindet man das amtlich als Störung in einem auf einheitliche Muster verpflichteten Stadtbild? Oder will man generell verhindern, dass es überhaupt einmal lebendige Fassadengestaltungen gibt, selbst dann, wenn die Bewohner der Straße die Gestaltung sogar als Gewinn sehen?
Ausgefallene Fassadengestaltungen an Gebäuden in Leipzig sind möglich, sofern sie sich in die nähere Umgebung einfügen und der Fassadengestaltung keine denkmalschutzrechtlichen Belange entgegenstehen. Bei der Beurteilung von Fassadengestaltungen ist zwischen den aus künstlerischen Gesichtspunkten gestalteten Fassaden und Bemalungen als Werbeanlagen zu differenzieren.
Welche Voraussetzungen müssen Hauseigentümer erfüllen, damit sie überhaupt einmal mehr als das übliche Beige und Weiß in die Straße bringen dürfen? Gibt es überhaupt Ausnahmeregelungen, die das ermöglichen? Und wenn ja: Was sind die Mindestbedingungen?
Die Gestaltung eines Gebäudes soll sich grundsätzlich in die nähere Umgebung einfügen. Bauliche Anlagen in der Umgebung eines Kulturdenkmals bedürfen der Genehmigung der Denkmalschutzbehörde, wenn sie errichtet, verändert oder beseitigt werden oder wie im vorliegenden Fall, für das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals von erheblicher Bedeutung sind.
In welcher Form Fassadengestaltungen im jeweiligen Einzelfall möglich sind, ist im Rahmen des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens bzw. besser vorab in der Beratung mit dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege zu klären. Eine allgemeine Aussage zur Zulässigkeit von Fassadengestaltungen kann nicht getroffen werden, da die Beurteilung immer im jeweiligen Einzelfall erfolgt.
Brauchte es für die monierte Fassadengestaltung des Casablanca eine Genehmigung durch die Stadt? Und wenn ja: Wann wurde die beantragt und wann wurde darüber beraten?
Die Fassadengestaltung der Objekte Ossietzkystraße 36/38 sowie Leostraße 2 in Leipzig bedürfen aufgrund der an den Gebäuden angebrachten Werbeanlagen einer Baugenehmigung. Eine Baugenehmigung wurde für die Bemalung sowie die Werbeschrift am Giebel des denkmalgeschützten Gebäudes Leostraße 2 im Jahr 2012 nachträglich beantragt, da die Bemalung und der Schriftzug „Casablanca“ bereits angebracht waren. Eine Baugenehmigung für die Gestaltung des Gebäudes Ossietzkystraße 36/38 wurde bisher nicht beantragt.
Oder ist die Stadt schon länger mit dem Hotelbesitzer im Gespräch und wenn ja, seit wann?
Dem Besitzer der gastronomischen Einrichtung / des Hotels ist aufgrund eines Schreibens der unteren Bauaufsichtsbehörde seit mindestens 2012 bekannt, dass für die Fassadengestaltung einschließlich Werbeelemente eine Baugenehmigung erforderlich ist.
An anderen Gebäuden in der Stadt – man denke nur an das Fischer-Art-Haus in der Karl-Liebknecht-Straße – wurde die farbenfrohe Fassadengestaltung genehmigt/geduldet. Warum nicht beim Casablanca? Oder hat der Besitzer nur den falschen Weg gewählt und die Stadt nicht vorher über die geplante künstlerische Gestaltung informiert?
Die Fassadengestaltung von Gebäuden ist stets unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Zu differenzieren ist auch, ob die Fassadengestaltung zu Werbezwecken oder aus künstlerischen Erwägungen vorgenommen wurde. Aus diesem Gesichtspunkt ist das durch den bildenden Künstler Michael Fischer-Art gestaltete Gebäude Karl-Liebknecht-Straße 43 nicht mit den aus Werbezwecken gestalteten Gebäuden Ossietzkystraße 36/38 sowie Leostraße 2 zu vergleichen.
Oder geht es gar nicht um die Kunst dabei, sondern den werblichen Charakter?
Dass es sich bei der Gestaltung der Fassade um Kunst handelt, wurde von dem Betreiber der gastronomischen Einrichtung zu keiner Zeit vorgetragen. Auch ist bereits aufgrund der Ausführungen auf der Internetseite der gastronomischen Einrichtung davon auszugehen, dass die Fassadengestaltung das „einmalige Ambiente“ unterstreichen soll und damit unstrittig dem Werbekonzept zuzuordnen ist.
Aufgrund der Werbeaussagen an den betroffenen Gebäuden ist die Fassadengestaltung antragspflichtig.
Gilt der Kompromiss vom 28. Oktober schon als genehmigungsfähige Variante oder muss der Besitzer noch weitergehen in der Reduzierung der Bildelemente?
Der Kompromissvorschlag vom 28.10.2020 ist genehmigungsfähig. Eine Reduzierung der Werbeelemente darüber hinaus ist nicht vorgesehen.
Und welche Sanktionen drohen ihm, wenn er die Fassade nicht bis April getüncht bekommt? Wurde bei dem Vorgang berücksichtigt, dass die Corona-Schließung auch die Verdienstmöglichkeiten in Hotel und Restaurant praktisch unmöglich gemacht werden? Unterstützt die Stadt den Besitzer finanziell, wenn er die Kosten der Übermalung nicht stemmen kann?
Der anvisierte Termin für die Gestaltung des Giebels Leostraße 2 im April 2021 wurde aufgrund eines anhängigen Gerichtsverfahrens, welches auf Wunsch des Betreibers der gastronomischen Einrichtung vorerst ruhend gestellt wurde, vermerkt und gilt natürlich vorbehaltlich der wirtschaftlichen Situation des Betreibers.
Die Stadt Leipzig hat bereits signalisiert, den zunächst anvisierten Termin zu verlängern, sollte die wirtschaftliche Situation des Betreibers dies erfordern.
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